# taz.de -- Der FC Bayern und der Freistaat: Mia san Steuerhinterzieher | |
> Gerd Müllers Leben gehört zur Kriminalgeschichte des FC Bayern. Unser | |
> Autor, ein hoher Finanzbeamter, erzählt sie weiter und landet bei Uli | |
> Hoeneß. | |
Bild: Begünstigte Bayern: Gerd Müller, Franz Beckenbauer und Uli Hoeneß, 1976 | |
Der renommierte [1][Historiker Hans Woller], früher tätig am Institut für | |
Zeitgeschichte in München, hat ein Buch zu einem Thema geschrieben, das man | |
von einem Historiker weiß Gott nicht erwarten würde: „Gerd Müller oder Wie | |
das große Geld in den Fußball kam“. War der „Bomber der Nation“ so | |
bedeutend, dass es angezeigt ist, ihn als eine historische Gestalt | |
darzustellen? Und rechtfertigen die im Fußballgeschäft gezahlten Unsummen | |
eine wissenschaftliche Abhandlung? Die Antwort ist eindeutig. Sie lautet | |
zur eigenen Überraschung: Ja. | |
Der Autor schildert das Phänomen des Aufstiegs eines jungen Mannes aus | |
einfachsten Verhältnissen zum umjubelten Supermann mit Einkünften in | |
Millionenhöhe, protegiert von bayerischen Spitzenpolitikern. Zur | |
Begeisterung des Publikums und zum Wohle des FC Bayern schoss er | |
serienweise Tore. Es war seine einzigartige, aber auch einzige Fähigkeit. | |
Es folgte ein katastrophaler Absturz. | |
Er verlor einen Großteil seines Geldes. Die Steuerfahndung packte ihn, weil | |
er mit der Hilfe des bayerischen Ministers Ludwig Huber dem Finanzamt hohe | |
Einnahmen verheimlicht hatte. Was nicht in dem Buch steht: Damit er diese | |
Steuerschuld bezahlen konnte, verschaffte ihm Huber, inzwischen Präsident | |
der Landesbank, ein Darlehen dieser Bank in Höhe von 1 Million D-Mark, wie | |
es heißt, unzulässigerweise ohne zureichende Sicherheiten. | |
Es geht in Wollers Buch auch um Franz Beckenbauer. So wie Woller die | |
Steueraffäre Gerd Müllers erwähnt, greift er auch die Steueraffäre | |
Beckenbauers aus dem Jahr 1977 auf. In beiden Fällen hatte die Presse groß | |
berichtet, und in beiden Fällen spielte der damalige Finanzminister Ludwig | |
Huber eine Schlüsselrolle. Hans Woller beklagt, dass sich das | |
Finanzministerium hinter dem Steuergeheimnis verschanzt habe, als er | |
nachfragte, was damals vor sich ging. | |
## Die Frage des Steuergeheimnisses | |
In der Tat soll das Steuergeheimnis diejenigen Bürger schützen, die | |
getreulich ihre Steuern bezahlen und dabei ihre wirtschaftlichen | |
Verhältnisse aufdecken müssen, nicht aber diejenigen, die genau das | |
Gegenteil tun. Überdies erstreckt sich das Steuergeheimnis unstrittig nicht | |
auf Verwaltungsvorgänge, also darauf, wie die Finanzverwaltung mit einem | |
Steuerfall umgeht. Dass das Finanzministerium dennoch Auskünfte | |
verweigert, hat freilich Gründe. | |
Hans Woller stellt dazu zutreffend fest: Sich als CSU-Politiker in der | |
Öffentlichkeit zusammen mit den ruhmreichen Fußballhelden zu zeigen, | |
demonstrierte Volksverbundenheit. Das Signal: Die Fußballheroen stehen auf | |
der Seite der CSU, sie wählen CSU! Und beide taten dies auch kund. | |
Beckenbauer äußerte gar, Bundeskanzler Willy Brandt sei ein „nationales | |
Unglück“. Umgekehrt genossen Beckenbauer und Müller die Protektion des | |
mächtigen Finanzministers Huber, wenn es um ihre üppig fließenden Einnahmen | |
ging. Diese bestanden nicht allein aus ihren vertraglichen Gehältern beim | |
FC Bayern, sondern auch aus verdeckten Zuzahlungen seitens der | |
Vereinsspitze sowie aus Honoraren für Werbeverträge. | |
Wer viel Geld verdient, muss entsprechend viel Steuern bezahlen; das aber | |
behagte Beckenbauer und Müller gar nicht. Ludwig Huber half da gerne. Er | |
half, Geld in der Schweiz zu verstecken. Da aber Finanzbeamte entgegen der | |
landläufigen Meinung keineswegs schlafen, kamen sie den beiden | |
Fußballhelden bald auf die Schliche. Dies sollte zu dem Polit- und | |
Steuerskandal führen, den Woller anprangert. Aber bevor dieser Skandal zum | |
Ausbruch kam, schwelte er über zwei Jahre im Bayerischen Finanzministerium | |
am Odeonsplatz in München. | |
## Schützende Hände | |
Als ich Mitte 1977 dort das Steuerreferat übernahm, waren bereits zwei | |
Fälle anhängig, in denen ich zu meiner Überraschung keinen Schritt tun | |
durfte ohne die ausdrückliche Zustimmung von Finanzminister Huber. In einem | |
davon ging es um Franz Beckenbauer. Dies war mir rätselhaft. In jedem | |
anderen Fall hätte die Steuerfahndung sofort ein Strafverfahren eröffnet, | |
Durchsuchungen und weitere Ermittlungen durchgeführt. | |
Stattdessen führte der Steuerabteilungsleiter Lothar Müller, der Obmann von | |
Franz Josef Strauß in Steuersachen, im Auftrag des Ministers mehrmals | |
gütliche Gespräche mit Beckenbauer und dessen Manager Robert Schwan über | |
die Steuersachen mit der Schweiz. Dabei redete freilich nur Schwan, der | |
penetrant auf eines hinwies: „Unsere politische Gesinnung kennt man ja!“ | |
Diese Vorzugsbehandlung Beckenbauers war faktisch auch eine strafbare | |
Vorwarnung vor Maßnahmen der Steuerfahndung. | |
Woller erwähnt, dass Beckenbauer im Herbst 1975 zur Feier seines 30. | |
Geburtstags eine große Schar illustrer Gäste in ein Festzelt einlud, von | |
seinen Mannschaftskameraden aber keinen einzigen! Wer aber saß, wie ein | |
Pressefoto zeigt, neben dem Geburtstagskind an dessen Tisch: Finanzminister | |
Ludwig Huber! Und das, obwohl seit Längerem der Steuerfall Beckenbauer in | |
seinem Ministerium anhängig war. Die Steuerfahnder und die Beamten der | |
Oberfinanzdirektion München waren außer sich. | |
Warum aber verweigerte der Finanzminister seine Zustimmung, als ich ihm, | |
nachdem die Gespräche gescheitert waren, eine Fahndungsvorlage zuleitete? | |
Lothar Müller vertraute mir an: Der Minister habe ihm eröffnet, er könne | |
nicht zustimmen, weil er selbst früher Beckenbauer bei der | |
Steuerhinterziehung über die Schweiz geholfen habe! Als ich ihm daraufhin | |
eine zweite, sehr energische Fahndungsvorlage zuleitete, zeichnete er diese | |
ab – mit einer wütenden Anmerkung. | |
## Erste Durchsuchungen | |
Im Januar 1977 fanden dann die Durchsuchungen endlich statt. Als die | |
Steuerfahnder auftauchten, meinte Robert Schwan, er habe schon gewusst, | |
dass sie kommen würden, er habe eine Vorwarnung aus der Finanzverwaltung | |
erhalten. Das letzte Wort habe der Herr Huber! Und weiter: Nun hätten | |
„maßgebliche Politiker die Hosen gestrichen voll“. Neben Ludwig Huber war | |
unter anderen Franz Josef Strauß gemeint. Ich legte diese Äußerungen in | |
einem Aktenvermerk nieder und übersandte diesen dem Finanzminister. | |
Drei Tage später wurde mir meine Umsetzung in ein anderes Referat | |
mitgeteilt, weil ich in der Sache Beckenbauer und in zwei anderen Fällen | |
„keine glückliche Hand“ gehabt hätte. Ich wandte mich an den Landtag und | |
verwies auf die rechtswidrige Behandlung bestimmter Steuerfälle. Dabei | |
handelte es sich neben Beckenbauer um Unternehmer wie Friedrich Jahn und | |
andere prominente Persönlichkeiten, die von ihrer Nähe zur CSU-Spitze | |
profitierten und umgekehrt. Hans Woller meint zu Recht, dass Franz | |
Beckenbauer, Gerd Müller und der FC Bayern Teil eines [2][Amigo-Systems] | |
waren, dass die Erfolgsgeschichte des FC Bayern „von Anfang an eine | |
kriminelle Kehrseite gehabt“ habe. | |
Gerd Müller ist zugutezuhalten, dass er wohl, weil zu naiv, in seine | |
Steueraffäre hineingeschlittert ist. Anders Beckenbauer – bei ihm scheint | |
Kontinuität auf. Nachdem er seinen steuerlichen Wohnsitz in der Schweiz | |
genommen hatte, vermeldete die Presse auch dort eine Steueraffäre. Ein | |
Gericht in Lausanne verurteilte ihn zu einer Geldstrafe. Sein Mentor war | |
der Justizminister des Kantons, in dem er ansässig war. Die bewährte | |
Betreuung durch einen Politiker wollte Beckenbauer wohl nicht missen. | |
Kontinuität ist auch hinsichtlich der ungeklärten Zahlungen der Fifa an | |
Beckenbauer zu vermuten, zumal er dazu bisher, wie zu lesen ist, keine | |
klärenden Aussagen gemacht hat. | |
Die fraglichen Vorgänge im Finanzministerium um Ludwig Huber und Franz | |
Beckenbauer habe ich in einer Landtagseingabe vom 11. Januar 1993 | |
offengelegt, allerdings ohne Beckenbauer zu nennen. Als meine | |
Landtagseingabe im Haushaltsausschuss behandelt wurde, prangerte der | |
Vertreter des Finanzministeriums an, ich hätte Beckenbauer damals ins | |
Ausland getrieben, gemeint war New York. Jetzt zahle Beckenbauer hier | |
„keine Mark mehr an Steuern“! Ein interessanter Aspekt! Und dann? Zum 60. | |
Geburtstag des „Kaisers“ lud Ministerpräsident Edmund Stoiber zu einem | |
Staatsempfang im Kaisersaal der Residenz. | |
## Der Fall Hoeneß | |
Es gilt, einen Bogen zu schlagen zu Uli Hoeneß. Auch der langjährige | |
Manager des FC Bayern hinterzog bekanntlich Steuern über die Schweiz, | |
mindestens 28,5 Millionen Euro. Die Wogen der Empörung in der | |
Öffentlichkeit schlugen hoch. Aber Ministerpräsident Horst Seehofer erregte | |
sich im Spiegel über die „Entrüstungskultur, die sich in Deutschland | |
breitmacht“. Das Landgericht München verurteilte Hoeneß 2014 zu dreieinhalb | |
Jahren Gefängnis. | |
Diese irregulär niedrige Gefängnisstrafe erklärte Oberstaatsanwalt Ken | |
Heidenreich damit, dass das Gericht fälschlicherweise unter Verstoß gegen | |
Paragraf 370 Abs. 2 der Abgabenordnung keine schwere, sondern nur eine | |
einfache Steuerhinterziehung angenommen habe – man überlege, Revision | |
einzulegen. Dies geschah nicht. Das skandalös fehlerhafte Urteil wurde von | |
dem verantwortlichen Justizminister Bausback abgesegnet. | |
Der Haftvollzug war milde. Bald musste Hoeneß nur noch nachts ins Gefängnis | |
einrücken, nach der Hälfte der Zeit wurde er ganz entlassen. Ja, so sind | |
eben die Verhältnisse im Rechtsstaat Bayern! Ein halbes Jahr nach dem | |
Urteil deckte der Stern auf, dass Hoeneß 2001 und 2003 insgesamt 17 | |
Millionen Euro von seinem dem Finanzamt bekannten Konto auf Schweizer | |
Konten verschoben hatte – ohne dass das Finanzamt pflichtgemäß | |
nachforschte, welche Erträge das Geld dort abwarf. Begünstigung ohne Ende! | |
Das große Geld im Fußball, Steuerhinterziehung und Protektion von | |
Politikern – die Dokumentation des Historikers Hans Woller in Buchform war | |
notwendig, um die Öffentlichkeit nachhaltig aufzuklären. Ein bloßer | |
Zeitungsartikel über diesen oder jenen Vorgang wandert am nächsten Tag in | |
den Papierkorb, wie auch dieser hier. | |
5 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Gerd-Mueller-der-FC-Bayern-und-die-CSU/!5643686 | |
[2] /Buch-ueber-bayerische-Korruption/!5221877 | |
## AUTOREN | |
Wilhelm Schlötterer | |
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