# taz.de -- RTL-Serie „Gute Freunde“: Für den modernen Fussball | |
> Ein Sechsteiler von David Dietl erzählt nicht die wahre Geschichte des FC | |
> Bayern. Aber er zeigt schön, wie der Fußball zum Showbusiness wurde. | |
Bild: Gerd Müller (Markus Krojer) (rechts) und Franz Beckenbauer (Moritz Lehma… | |
Wo soll man bei diesem Verein bloß anfangen? Bei dem Terzett Wilhem | |
Neudecker (Präsident), Robert Schwan (Manager) und Walter Fembeck | |
(Geschäftsführer) und der Tatsache, dass keinem der drei wegen ihrer | |
„Tätigkeit beim FC Bayern ein Buß- oder Strafverfahren erspart“ blieb, wie | |
[1][Hans Woller in seiner Biografie „Gerd Müller oder: Wie das große Geld | |
in den Fußball kam“] feststellt? | |
Oder damit, dass alle drei Nazidreck am Hacken hatten, was in der | |
[2][RTL-Produktion „Gute Freunde“] immerhin einmal eindrucksvoll aufblitzt: | |
Wenn nämlich Robert Schwan (ausgezeichnet: Maximilian Brückner) seinen | |
maulenden Schützling Franz Beckenbauer (ansprechend: Moritz Lehmann) | |
zusammenstaucht, als der ihn auf seine Wehrmachtszeit anspricht: In den | |
kurzen Ausbruch legt Brückner so viel kalte Brutalität, dass man | |
umstandslos glaubt, Schwan sei in der Sowjetunion „vermutlich in der | |
Partisanenbekämpfung“ (Woller) eingesetzt gewesen. | |
Der Staatsverein FC Bayern hatte „von Anfang an eine kriminelle Kehrseite“ | |
(Woller), über viele Jahre unterstützt durch die Staatspartei CSU. Das oben | |
genannte Dreigestirn musste in den 1960er und 70er Jahren wie in einem | |
Schneeballsystem beständig frisches Geld zuführen, damit die Stars nicht | |
den Abflug machten; und die CSU sorgte dafür, dass diese Zuverdienste so | |
steuerfrei wie möglich blieben. | |
Als Narrativ hat sich diese Version der Geschichte des FC Bayern allerdings | |
nie durchgesetzt, obwohl die mafiöse Holding zwischen der Säbener Straße | |
und dem bayerischen Finanzministerium mindestens bis zur Steueraffäre Uli | |
Hoeneß und dem „skandalös fehlerhaften“, weil deutlich zu mildem Urteil | |
fortdauerte, wie es der seit den 1970er Jahren mit dem Fall FC Bayern | |
vertraute ehemalige [3][Leiter des Referats für Steuerfahndung und | |
Buchautor Wilhelm Schlötterer] festgestellt hat. [4][Woran liegt das?] | |
## Talent, Demokratie, Kapitalismus, Popkultur | |
Sozusagen in paradoxer Verkehrung der marxistischen Theorie von Basis und | |
Überbau scheint es, gerade nach Sichtung der sechsteiligen Serie „Gute | |
Freunde“, dass an der Basis des FC-Bayern-Mythos nicht die kriminelle | |
Energie der Kriegsgeneration, sondern junge, in die unmittelbare | |
Nachkriegszeit hineingeborene Menschen stehen – echte 68er eben! –, die aus | |
der Verbindung von sportlichem Talent, Demokratie, Kapitalismus, Popkultur | |
sowie mit einem aus all dem erwachsenden antiautoritärem Selbstvertrauen | |
etwas in Deutschland tatsächlich Neues erschufen: den modernen Fußball als | |
Showbusiness. | |
Diesen Protagonisten ist jeweils eine Folge gewidmet, Franz Beckenbauer | |
(geb. 1945), Sepp Maier (1944), Paul Breitner (1951), Uli Hoeneß (1952) und | |
mit Folge 1: Gerd Müller (1945-2021) als dem entscheidenden Spieler für die | |
Welterfolge der Bayern. | |
Ausgerechnet über jenen „Bomber der Nation“, das fußballerische Genie, ü… | |
den ein ehemaliger Mitspieler sagt, er sei ein „sehr einfacher Mann“ | |
gewesen und man könne „in fünf Sätzen zusammenfassen“, was es über ihn … | |
sagen gebe – ausgerechnet dieser Müller und sein D[5][arsteller Markus | |
Krojer] sind es dann, die aus einem politisch braven, aber handwerklich gut | |
gemachten Biopic in der Regie von David Dietl ein Ereignis machen. | |
Wie Krojer in das Fünf-Sätze-Material Müller eintaucht, seine Blicke, seine | |
Körpersprache, sein dumpfer Instinkt, wenn er fühlt, dass man ihm etwas | |
vorenthalten will – das hat man im deutschen Film ganz selten gesehen; dass | |
sich Krojer auch noch Müllers Nördlinger Schwäbisch angeeignet hat, ist | |
eine schöne Zugabe, entscheidend aber ist: Krojer hat Müller offensichtlich | |
studiert, verstanden und er verfügt über die Mittel, einen proletarischen | |
Charakter darzustellen – gerne nochmal gesagt: eine absolute Ausnahme | |
hierzulande, eine Sternstunde. Und ob nun Zufall oder mit dieser Leistung | |
von Krojer parallel gehend: Im wenig dankbaren Genre Spielerfrau macht | |
Trixi Strobel als Gerd Müllers Frau Uschi die mit Abstand beste Figur. Die | |
Kulturrevolution der 1960er Jahre, der sinnliche Hunger nach dem | |
Materiellen und die gierige Lust daran, die Fähigkeit, ihren Mann zu | |
managen – das bringt Strobel wunderbar rüber. | |
Das Speziallob soll aber die insgesamt sehr gute Ensembleleistung nicht | |
herabsetzen. „Gute Freunde“ ist, warum auch immer, kein kritischer Film | |
über den FC Bayern und die deutschen, bayrischen Verhältnisse geworden – im | |
Gegensatz etwa zu „Landauer – Der Präsident“ von Hans Steinbichler; aber… | |
zeigt doch, wie der Fußball und seine Protagonisten ihren Teil dazu | |
beigetragen haben, dass dieses Land nach dem Tiefpunkt der Naziherrschaft | |
einigermaßen erträglich geworden ist – und mit den Außenristpässen von | |
Franz Beckenbauer sogar elegant, zuweilen aufreizend lässig. Dass diese | |
Geschichte auf ein breiteres Publikumsinteresse stoßen könnte, scheint RTL | |
selbst zu bezweifeln: Im Free-TV werden nur die ersten drei Folgen gezeigt. | |
20 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Gerd-Mueller-der-FC-Bayern-und-die-CSU/!5643686 | |
[2] https://plus.rtl.de/video-tv/serien/gute-freunde-der-aufstieg-des-fc-bayern… | |
[3] /Der-FC-Bayern-und-der-Freistaat/!5653363 | |
[4] /Buch-ueber-bayerische-Korruption/!5221877 | |
[5] /ARD-Miniserie-Oktoberfest-1900/!5709675 | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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