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# taz.de -- Zinsen im Sinkflug: Das Geld wird wieder billiger
> Die EZB dürfte die Leitzinsen weiter senken. Das erwarten Analysten. Das
> billige Geld kommt aber in der Wirtschaft nicht überall an.
Bild: Was macht er? EZB-Chef Mario Draghi.
HAMBURG taz | Trotz der Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU),
die Zinsen zu erhöhen, wird die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag
ihren Leitzins von 0,75 auf 0,5 Prozent senken. Das erwartet jedenfalls die
Mehrzahl der Finanzanalysten. Doch die erhoffte wohltuende Wirkung auf die
kriselnde Wirtschaft in Europa könnte ausbleiben, weil Banken die
Billigleitzinsen nicht an alle Unternehmen weiterreichen.
Kurz vor der EZB-Ratssitzung hatte sich Merkel noch kraftvoll in die
Geldpolitik eingemischt: „Für Deutschland müsste die EZB die Zinsen
eigentlich erhöhen“, sagte sie auf dem Sparkassentag in Dresden. Ein
ungeheuerlicher Vorgang, schließlich ist die Zentralbank unabhängig von
politischen Weisungen. Zu ihren Aufgaben gehört nicht, die Wirtschaft zu
bremsen oder anzukurbeln. Die EZB ist allein der Preisstabilität
verpflichtet.
Doch seit 2007 hat die EZB die reine Lehre nach und nach hinter sich
gelassen. Sie finanziert Staatsschulden und versucht, der Wirtschaft zu
helfen. Angesichts niedriger Inflation von 1,2 Prozent und eines starken
Euros erwartet daher die Mehrzahl der Bankanalysten in Deutschland eine
Leitzinssenkung, vor allem, weil die EZB die Wirtschaft im Süden beflügeln
will. In der Theorie verbilligt ein erneut gesenkter Leitzins die Kredite
der Banken, was wiederum Unternehmen motiviert, sich dieses billige Geld zu
pumpen und zu investieren.
In der Praxis haben jedoch viele Banken die nahezu kostenlose Geldschwemme
von der EZB seit 2010 lieber in relativ sichere Staatsanleihen umgeleitet
oder verlangen hohe Zinssätze: Firmen in Italien und Irland müssen laut
einer Commerzbank-Studie für kurzfristige Kredite über 4 Prozent Zins
zahlen, in Spanien über 5 Prozent, in Griechenland und Portugal über 6
Prozent.
Diese „Fragmentierung“ in Europa erklärt Folker Hellmeyer von der Bremer
Landesbank: „Unter gleichen Voraussetzungen kann sich ein Unternehmen in
einem belasteten Land Geld nur zu deutlich schlechteren Konditionen leihen
als zum Beispiel in Deutschland“ – wenn ihnen der Kredit nicht verweigert
wird. Jedes neunte kleine oder mittelständische Unternehmen in der Eurozone
bekommt laut EZB kein Bankdarlehen.
## Misstrauen der Banken
Trotzdem könnte eine Leitzinssenkung der Wirtschaft des Südens helfen.
Banken und Sparkassen dort sind oft auf das Geld der EZB angewiesen, weil
sie von Kunden und anderen Banken aus Misstrauen kein Geld mehr geliehen
bekommen. Ohne EZB-Niedrigzins gäbe es daher noch weniger Kredit für die
Wirtschaft.
Auch über weitere Maßnahmen wird in der Zentralbank nachgedacht. So könnte
die EZB die staatliche Europäische Investitionsbank (EIB) stärken, die nach
dem erfolgreichen Vorbild der KfW-Förderbank in Deutschland günstige
Kredite an Mittelständler, für Energiesparmaßnahmen und Umweltprogramme
vergibt.
1 May 2013
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
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Zinsen
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