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# taz.de -- Debatte Umwelt: Mehr Ordnungsrecht, bitte!
> Deutsche Autofahrer haben sich von den Spritschluckern nicht
> verabschiedet. Warum soll die Zeit nicht reif sein für Tempolimits und
> strenge Regeln?
Bild: Das Glühlampenverbot ist eine Erfolgsgeschichte.
Als die Glühlampe durch eine EU-Verordnung schrittweise vom Markt genommen
wurde, bebte in Deutschland das Feuilleton: Freiheitsberaubung,
eurokratische Ökodiktatur, Quecksilberidiotie. Eine Katastrophe für das
Image der EU-Energieeffizienz-Politik.
Dabei ist gerade das Glühlampenverbot eine Erfolgsgeschichte. Nicht
steigende Strompreise, also Marktsignale, katapultierten die neue
LED-Technologie in den Markt, sondern das Ordnungsrecht. Bei steigender
Nachfrage und sinkenden Preisen sparen Haushalte und Unternehmen dadurch in
Zukunft viel Geld und Strom.
Auch wenn es nicht populär ist, braucht es deshalb mehr Ordnungsrecht. Die
dänische Regierung geht hier mutig voran. Sie nimmt schrittweise
konventionelle, fossile Öl- und Erdgasheizungen vom Markt, verbietet sie
also schlichtweg. Heute gilt das bereits für Neubauten, in wenigen Jahren
auch für die Altbausanierung. Dieser Schritt, der in Deutschland kaum
kommuniziert wurde, ist eine Energiewende-Sensation.
## Jammern über die Ökodiktatur
Der unverschämte Gedanke dahinter ist, dass man Klimaschutz – ebenso wie
den Brand- oder Denkmalschutz – in diesem Fall nicht der Entscheidung des
Hausbesitzers überlässt. Da drängt sich natürlich sofort die Frage auf,
warum das hier, im Mutterland der Energiewende, anders sein soll. Warum
soll die deutsche Bundesregierung nicht auch Heizungen verbieten können?
Und energiefressende Kühlanlagen? Und den Neubau von Braunkohlekraftwerken?
„Ökodiktatur!“, werden FDP und Frankfurter Allgemeine bereits angesichts
der Frage rufen. In Deutschland vermag sich die Bundesregierung ja nicht
einmal zu dem Verbot der Nachtspeicheröfen durchringen. Nach einer
Lobbykampagne großer Energiekonzerne kippte Schwarz-Gelb am letzten Freitag
das bereits beschlossene Aus für die Stromfresser, das 2019 den letzten
Ofen vom Netz nehmen sollte.
Viele dürfte es überraschen: Das dänische Heizungsverbot ist
energiepolitisch nicht weniger spektakulär als die deutsche Energiewende.
Die dänischen Pioniere kommen nämlich mit ihrem Signal genau zur rechten
Zeit. Der Traum vom Emissionsmarkt und damit deutlichen Preissignalen ist
für die nächsten Jahre ausgeträumt.
Selbst wenn es in der EU unerwarteterweise doch noch zu einem „Backloading“
– also einem vorübergehenden Aus-dem-Markt-Nehmen – von
Verschmutzungsrechten kommen wird, muss heute als naiv gelten, wer
tatsächlich meint, allein die Preissignale des Emissionshandels
verhinderten den Bau von viel zu vielen Kohlekraftwerken.
Schlimmer ist, dass die fehlenden Preissignale bereits dazu geführt haben,
dass sogar in relativ klimaschutzfreundlichen Ländern wie Deutschland und
den Niederlanden in den letzten kritischen Jahren zu viele neue
Kohlekraftwerke gebaut wurden.
Nun drückt billiger Kohlestrom die Strompreise, blockiert die Netze und
gefährdet Investitionen in Erneuerbare und Effizienz. Womit bekanntlich
auch die Energiewende in Deutschland zu kämpfen hat, weil der positive
Einfluss der Erneuerbaren und das massive Kohlestromangebot zu sinkenden
Preisen an der Strombörse führen.
## Glaube an den Markt
Auch hier scheint bis heute der unerschütterliche Glaube an den Markt zu
herrschen: Das Zauberwort heißt „Marktintegration“ der Erneuerbaren. Das
ist ein bisschen aberwitzig, da sich heute an diesem Markt aufgrund der
derzeitigen Preisbildung weder neue Erneuerbare noch neue Gaskraftwerke
refinanzieren lassen.
Dies spricht gerade nicht für Marktintegration, sondern gegen das bisherige
Marktdesign und die Überfrachtung der EEG-Umlage mit Ausnahmen. Die
ordnungspolitische Umgestaltung des Strommarktes gehört damit zu den
wichtigsten Aufgaben der Stromwende – hat aber wenig mit dem
oberflächlichen Mantra der „Marktintegration“ zu tun.
Angesichts der eher bescheidenen Anreize durch die derzeitigen Preissignale
sollten deshalb von einem Bundesumweltminister insbesondere Vorschläge für
intelligentes Ordnungsrecht erfolgen. Der jetzige Minister hat sich hier
bisher eher zurückgehalten, der Wirtschaftsminister ordnungsrechtliche
Ansätze der EU im Effizienzbereich bekämpft.
Dabei bedarf es der deutlichen Ansage, wann und wie beispielsweise der
Neubau oder Betrieb von ineffizienten Braun- und Steinkohlekraftwerken
verboten wird. Und wie die Regierung ordnungsrechtlich den Ausstieg aus der
fossilen Wärme im Gebäudebereich einleiten wird.
## Auch im Verkehrsbereich
Im Vergleich zum Strom hat hier nämlich die Energiewende noch kaum
begonnen. Die energetische Sanierung von Häusern kommt sogar trotz hoher
Gas- und Ölpreise nicht schnell genug voran. Das Mieter/Vermieter-Dilemma
und anderes beschränken hier bisher den Markt- und Preisanreiz, weshalb die
Einführung strengerer Sanierungsvorschriften und Ähnliches auf der Hand
liegen.
Auch die deutschen Autofahrer haben sich bisher trotz steigender
Spritpreise nicht wirklich von den Spritschluckern, sprich von der eigenen
Geldvernichtung, verabschiedet. Warum soll die Zeit nicht reif sein für
Tempolimits und strengere Ansprüche an Motoren?
Wie verträgt sich dies mit der industriepolitischen Fixiertheit auf die
Autoindustrie? Und wie schafft eine Regierung dafür gesellschaftliche
Akzeptanz? Diese politischen Aufgaben werden wesentlich schwieriger
durchzusetzen sein als der Bau einiger Stromleitungen.
Auch im Bereich der Verkehrs- und Stadtplanung braucht es unbedingt neue
ordnungsrechtliche Vorgaben und entsprechende gesellschaftliche
Unterstützung. Das könnte etwa ein Ende der teuren Pflicht für Hausbesitzer
bedeuten, Parkraum bereitzustellen.
Und auch die fahrradgerechte Stadt braucht vor allem neue Bauvorschriften.
Wie wäre es mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Aufteilung des
städtischen Straßenraumes zwischen Auto und Fahrrad? Beispielsweise
fifty-fifty. Ordnungsrecht muss nämlich nicht immer langweilig sein. Und
das Rauchverbot hat gezeigt, dass manchmal mehr geht, als man denkt. Der
Emissionshandel ist tot. Lang lebe das Heizungsverbot!
21 May 2013
## AUTOREN
Martin Unfried
## TAGS
CO2
Energie
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Heizung
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