| # taz.de -- Entgeltbefreiung für Industriebetriebe: Unsinnige Berechnung | |
| > Die Regierung rechtfertigt Vergünstigungen für stromintensive Firmen | |
| > damit, dass die Fabriken das Netz stabilisieren. Doch das stimmt so | |
| > nicht. | |
| Bild: Wer viel Strom bezieht, zahlt wenig. Ist das sinnvoll? Nein, sagen Energi… | |
| FREIBURG taz | Private Haushalte müssen höhere Strompreise zahlen, weil | |
| viele große Industriebetriebe von den Netzentgelten befreit sind. Die | |
| Bundesregierung hat dafür wie der Bundesverband der Deutschen Industrie | |
| eine besondere Begründung: Stromintensive Unternehmen trügen mit ihrem | |
| gleichmäßigen Verbrauch zur Netzstabilität bei. | |
| Doch Energieexperten widersprechen nun – und sind sogar vom Gegenteil | |
| überzeugt: „Ein Verbraucher kann nur dann netzstabilisierend sein, wenn er | |
| sich flexibel verhält und seinen Verbrauch nach den Bedürfnissen des Netzes | |
| ausrichtet“, sagt Lars Waldmann von der Berliner Denkfabrik Agora | |
| Energiewende. | |
| Das heißt: Aus Sicht der Netzstabilität geht die Entgeltbefreiung in die | |
| völlig falsche Richtung. Denn befreit sind gerade jene Unternehmen, die | |
| ohne Rücksicht auf die jeweilige Netzsituation mindestens 7.000 Stunden im | |
| Jahr (von 8.760 Stunden) gleichmäßig und in großer Menge Strom beziehen. | |
| Dem Netz dienen kann hingegen nur ein Betrieb, der seinen Verbrauch | |
| drosselt, wenn Strom knapp ist, und seinen Verbrauch wieder hochfährt, wenn | |
| es viel Strom aus erneuerbaren Quellen gibt. | |
| Es gibt Unternehmen, die über eine so hohe Flexibilität verfügen und diese | |
| auch gerne am Strommarkt anbieten würden – wäre da nicht die unsinnige | |
| Berechnung der Netzentgelte. | |
| Bereits im vergangenen Jahr hatte ein Evonik-Manager kritisiert, dass die | |
| Entgelte starken Anreiz böten, möglichst gleichmäßig Strom zu verbrauchen. | |
| Zur Stabilisierung des Netzes sei jedoch ein „stärkeres Atmen von | |
| Verbrauchern dringend nötig“. Firmen wie Evonik seien dazu in der Lage, | |
| weil sie stromintensive chemische Vorprodukte auf Vorrat produzieren | |
| könnten. | |
| ## Fünf Minuten abschalten | |
| Wahrscheinlich gibt es sogar mehr Branchen als gedacht, die im Sinne eines | |
| stabilen Netzes ihre Produktion variieren könnten. Neben der chemischen | |
| Industrie trifft dies vor allem auf die Zementindustrie oder die | |
| Metallherstellung zu. Denn auch Zementfabriken können bei hohem | |
| Stromangebot ein Vorprodukt fertigen, das sich lagern lässt. Auch viele | |
| metallurgische Prozesse lassen sich ohne Probleme für ein bis zwei Stunden | |
| vom Netz trennen. | |
| Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft in München hat das Potenzial | |
| analysiert: In deutschen Industriebetrieben gebe es Verbraucher mit | |
| zusammen 9.000 Megawatt, die für fünf Minuten abgeschaltet werden können. | |
| Das entspricht etwa der Leistung von sieben Atomkraftwerken. Für einen | |
| Zeitraum von 15 Minuten lassen sich immerhin noch 4.500 Megawatt vom Netz | |
| nehmen, für eine ganze Stunde stehen fast 2.500 Megawatt an flexiblen | |
| Verbrauchern zur Verfügung. | |
| Auch Dienstleister, die solche Flexibilität vermarkten, gibt es bereits, | |
| etwa die Münchner Entelios AG. Sie steuert Firmen mit hohem, aber flexiblem | |
| Energiekonsum je nach Situation von Angebot und Nachfrage im Netz – sie | |
| vermarktet also Flexibilität beim Stromverbrauch. | |
| Für einige Firmen rechnet sich solch netzkonformes Verhalten trotz der | |
| bestehenden Stromnetzentgeltverordnung bereits heute. Es könnten sogar noch | |
| deutlich mehr werden, wenn die Rechtslage an die Bedürfnisse des Netzes | |
| angepasst würde. | |
| 19 Mar 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernward Janzing | |
| ## TAGS | |
| Strompreis | |
| Energiepolitik | |
| CO2 | |
| Erneuerbare | |
| Energiewende | |
| Kanzleramt | |
| Strompreisbremse | |
| Stromkosten | |
| Erneuerbare Energien | |
| EEG-Umlage | |
| FDP | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Debatte Umwelt: Mehr Ordnungsrecht, bitte! | |
| Deutsche Autofahrer haben sich von den Spritschluckern nicht verabschiedet. | |
| Warum soll die Zeit nicht reif sein für Tempolimits und strenge Regeln? | |
| Gebremste Energiewende: Ökostrom ist Altmaier zu teuer | |
| Dem Bundesumweltminister geht die Energiewende zu schnell. Zum Glück hat er | |
| einen Grund zum Bremsen gefunden: die angeblich hohen Preise. | |
| Nach Scheitern des Energiegipfels: Schuld haben immer die anderen | |
| Nach dem Scheitern der Energiegespräche sieht die Opposition Umweltminister | |
| Altmaier geschwächt: Seine rückwirkenden Kürzungspläne wurden gestoppt. | |
| Energiegipfel im Kanzeramt: Bremser auf allen Seiten | |
| Am Donnerstag verhandeln Bund und Länder, wie der Strompreis begrenzt | |
| werden kann, ohne die Energiewende zu gefährden. Vorschläge gibt es viele. | |
| Kosten für Ökostrom: Altmaier kämpft um Preisbremse | |
| Beim Energiegipfel will der Umweltminister eine Einigung erzielen und kommt | |
| den Ländern entgegen. Doch wichtige Streitfragen sind ungelöst. | |
| Streitgespräch Strompreise: „Nicht nachvollziehbare Horrorzahlen“ | |
| Eine Billion Euro für die Energiewende? Das glauben weder Energielobbyist | |
| Stephan Kohler noch der Grüne Hans-Josef Fell. | |
| Altmaier beziffert Kosten: Energiewende für eine Billion Euro | |
| Bundesumweltminister Altmaier fürchtet, die Energiewende könnte bis zu eine | |
| Billion Euro kosten. Deshalb sollen Branchen wie der Kohlebergbau mehr | |
| zahlen. | |
| Katrin Göring-Eckardt zu Strompreisen: „Die CDU schürt Ängste“ | |
| Stromkonzerne verdienen kräftig an der EEG-Umlage. Die Grüne | |
| Spitzenkandidatin will deshalb Spartarife für stromsparende Haushalte. | |
| Reformvorschläge für Strompreise: Das System wird nicht billiger | |
| Je mehr Strom aus Wind und Sonne ins Netz drängt, desto stärker sinken die | |
| Preise. Davon haben Privatleute nichts, ihre Kosten steigen. |