# taz.de -- Kommentar Abstimmung über Gezi-Park: Erdogans eleganter Plan | |
> Der türkische Premier stellt sich schlau an: Mit seinem Vorschlag, das | |
> Volk über den Gezi-Park abstimmen zu lassen, kann er sich demokratisch | |
> geben. | |
Bild: Atemmasken und Helme: Männer am Eingang des Gezi-Parks | |
„Willkommen im Demokratie-Paradies von Tayyip Erdogan“, twitterten gestern | |
Besetzer des Gezi-Parks mit der bereits bekannten Ironie der Bewegung. Kurz | |
zuvor hatte die Regierung verkündet, sie wolle den Konflikt um den Park | |
jetzt per Plebiszit erledigen. | |
Natürlich dreht es sich bei der Revolte, die sich längst über die gesamte | |
Türkei ausgebreitet hat, nicht mehr nur darum, einen Park zu erhalten. Und | |
dennoch ist das Plebiszit ein äußerst geschicktes taktisches Manöver. | |
Schließlich ist eine Volksbefragung die mit Abstand eleganteste Form, allen | |
Kritikern den Mund zu stopfen, selbst wenn die Polizei den Park jetzt | |
endgültig räumen sollte. | |
Nach außen hin, vor allem gegenüber seinen internationalen Kritikern, kann | |
sich Erdogan damit wieder als Demokrat gerieren: Seht her, wir haben | |
eingelenkt und lassen die Istanbuler selbst darüber entscheiden, ob sie | |
lieber den Park, ein Einkaufszentrum oder ein Museum haben wollen. Dass die | |
Protestbewegung ein solches Plebiszit gewinnen könnte, ist so | |
unwahrscheinlich wie sechs Richtige im Lotto. | |
## Erdogan geht kein Risiko ein | |
Tatsächlich geht Erdogan keinerlei demokratisches Risiko ein. Er hat den | |
Staatsapparat, er hat Tausende wahlkampferprobter Parteimitglieder, und er | |
kontrolliert weitgehend die Medien. | |
Millionen von Istanbulern, die in den von der AKP dominierten Vorstädten | |
leben und den Gezi-Park noch nie gesehen haben, glauben Erdogan aufs Wort, | |
wenn er von radikalen Minderheiten spricht, die den Platz besetzt hätten. | |
Er wird diese Menschen, die nie etwas anderes als die Regierungsmedien | |
konsumieren, mühelos dazu bringen, in seinem Sinne zu stimmen. Die | |
Argumente der Platzbesetzer werden sie nie zu hören bekommen. | |
Danach kann Erdogan dann wie gehabt auf seine breite Mehrheit verweisen. | |
Fünfzig Prozent haben mich gewählt, was wollt ihr überhaupt, ist ja jetzt | |
schon sein Standardargument. Kurzfristig mag dieses Manöver Erdogan Luft | |
verschaffen. Doch auf Dauer bekommt er den Geist des Widerspruchs nicht | |
wieder in die Flasche. | |
13 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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