| # taz.de -- Özdemir über die türkischen Proteste: „Erdogan würde Merkel w… | |
| > Der Grünen-Vorsitzende spricht über die Situation in der Türkei und den | |
| > Druck der Straße. Özdemir glaubt nicht, dass Ministerpräsident Erdogan | |
| > die Probleme lösen kann. | |
| Bild: Erdogan findet sich großartig. Das sehen offenbar nicht alle so – wede… | |
| taz: Herr Özdemir, Premier Erdogan hat ein Referendum über das Bauprojekt | |
| am Gezi-Park und die Räumung angekündigt. Wie bewerten Sie das? | |
| Cem Özdemir: Er muss sich an seinen Taten messen lassen. Herr Erdogan hat | |
| schon viel angekündigt. Alles, was zur Deeskalation beiträgt, ist gut. Es | |
| ist aber fraglich, ob Erdogan dafür der Richtige ist. Es sollte jedenfalls | |
| niemand überraschen, dass auch die Protestierenden skeptisch bis ablehnend | |
| reagieren. | |
| Sie waren in Istanbul. Wie haben Sie die Proteste erlebt? | |
| Erdogan täuscht sich, wenn er glaubt, es mit den üblichen Gegnern zu tun zu | |
| haben, die sich ein autoritär-laizistisches Regime zurückwünschen. Das sind | |
| überwiegend Jugendliche, die zum Teil zum ersten Mal auf die Straße | |
| gegangen sind. Es geht ihnen um Ökologie und um Demokratie, aber auch um | |
| ihre persönliche Freiheit. Da waren auch Konservative und Frauen mit | |
| Kopftuch dabei. | |
| Die Medien in der Türkei haben sehr vorsichtig über die Proteste berichtet. | |
| Die Medien in der Türkei sind anfällig für Knebelungen aller Art. Den | |
| Medienkonzernen dort gehören nicht nur Zeitungen, Fernsehsender und | |
| Online-Portale, sondern auch Bauunternehmen und Energieversorger. Die sind | |
| auf Aufträge vom Staat angewiesen. Deswegen sorgen die Verleger auch schon | |
| mal dafür, dass kritische Journalisten zuerst entlassen werden. | |
| Protestierende Anwälte wurden festgenommen, so viele Journalisten wie | |
| nirgendwo anders sitzen in Haft. Hat die CDU recht, dass das Land noch | |
| nicht reif ist für die EU? | |
| Ich kenne niemand, der sagt, dass die Türkei schon reif ist für einen | |
| Beitritt. Diese Jugendlichen, die auf dem Taksim-Platz demonstriert haben, | |
| sind nicht anders als die jungen Leute in Paris, Madrid und Berlin, sie | |
| wollen Teil von Europa sein. Die wollen keine Atomkraftwerke oder dass | |
| historische Stadtviertel niedergewalzt werden. Wenn die CDU/CSU Herrn | |
| Erdogan glücklich machen möchte, dann soll sie an ihrem Kurs festhalten. | |
| Der will eine Türkei, die keine Einmischung aus Brüssel fürchten muss. | |
| Erdogan würde in dieser Frage Merkel und Seehofer wählen. | |
| Wie soll sich Europa verhalten? | |
| Man muss mit ihm Klartext sprechen. Eine Türkei, die wirtschaftlich liberal | |
| bloß auf Wachstum gepolt und autoritär regiert wird – das wird nicht | |
| funktionieren. Wir werden die Verhältnisse in der Türkei nicht von | |
| Deutschland aus ändern können, das können nur die Menschen dort. Dazu muss | |
| dort aber auch Bewegung in das konservative Lager kommen. Inzwischen mehren | |
| sich aber auch in seiner eigenen Partei die kritischen Stimmen. | |
| Was wird von den Protesten bleiben? | |
| Sie haben die Türkei schon jetzt verändert. Sie haben gezeigt, dass es eine | |
| dritte Kraft gibt, jenseits der klassischen Konfliktlinien von | |
| religiös-konservativem Lager und säkular-nationalistischen Eliten gibt. Die | |
| einen wollen das Osmanische Reich wieder aufbauen, die anderen wollen in | |
| die 1920er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück. Diese jungen Leute aber | |
| wollen in die Zukunft. | |
| 13 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bax | |
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