# taz.de -- NSU und Verfassunsgschutz: Erneut Akten aufgetaucht | |
> Beim sächsischen Verfassungsschutz sind neue NSU-Akten aufgetaucht. Der | |
> stellvertretende Chef muss seinen Schlapphut nehmen. | |
Bild: Vize-VS-Chef Olaf Vahrenhold (l.) wird von Innenminister Albrecht Buttolo… | |
DRESDEN taz | Auch eineinhalb Jahre nach dem Bekanntwerden der Verbrechen | |
des Nationalsozialistischen Untergrunds werden im Sächsischen Landesamt für | |
Verfassungsschutz noch brisante Akten entdeckt. Die drei Ordner waren nicht | |
registriert und im Archiv unter der Rubrik der aktuell nicht mehr | |
benötigten Bestände gelagert. | |
Sie sollen Angaben über Verbindungen zum Ku-Klux-Klan, zum rechtsextremen | |
Netzwerk Blood & Honour sowie über eine im Jahr 2000 im NSU-Umfeld erfolgte | |
Abhöroperation unter dem Decknamen „Terzett“ enthalten. | |
Der sächsische Datenschutzbeauftragte und eine Expertenkommission des | |
Innenministeriums überprüfen derzeit das Ablagesystem im Verfassungsschutz. | |
Die Akten wurden inzwischen an NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages | |
weitergeleitet. | |
Vor Jahresfrist war noch der damalige Amtschef Reinhard Boos wegen eines | |
ähnlich brisanten Aktenfundes zurückgetreten. Jetzt versetzte Sachsens | |
Innenminister Markus Ulbig (CDU) lediglich den Vizechef des Amtes Olaf | |
Vahrenhold ins Sächsische Staatsarchiv. Der zunächst nach dem | |
Boos-Rücktritt übergangsweise an die Spitze des Sächsischen | |
Verfassungsschutzes berufene Brandenburger Gordian Meyer-Plath soll | |
vielmehr nach dem Willen des Innenministeriums nun dauerhaft die Leitung | |
des Landes-Geheimdienstes übernehmen. Mit ihm soll das Amt transparenter | |
werden und mehr auf die Öffentlichkeit zugehen. | |
Kerstin Köditz, Sprecherin der Linksfraktion für antifaschistische Politik, | |
sieht dagegen im neuerlichen Aktenfund ein Indiz dafür, „dass das Amt | |
entweder nicht reformierbar oder aber das Spitzenpersonal dazu nicht | |
willens ist“. Kritik an der bisherigen Aktenführung kam auch aus der | |
regierungstragenden FDP-Fraktion. Die Landtagsfraktion der Grünen hatte | |
erfolglos versucht, Meyer-Plath und den Innenminister wegen der Aktenaffäre | |
am Freitag zur turnusmäßigen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusse zu | |
laden. | |
## Zielfahndung nicht erforderlich | |
Statt ihrer sagte wie geplant der Thüringer Kriminalbeamte Sven Wunderlich | |
aus. Die Suche nach dem späteren NSU-Trio sei nie in den Rang einer | |
Zielfahndung erhoben worden, weil dies die zuständige Staatsanwaltschaft | |
Gera nicht für angemessen und erforderlich hielt. | |
Mehr als eine vierzehntägige Haft, so Wunderlich, habe man im Falle einer | |
Festnahme nicht erwartet. Die als erfolgreich geltenden Zielfahnder im | |
Landeskriminalamt Thüringen seien in den späten neunziger Jahren lediglich | |
um Unterstützung gebeten worden. Ab August 2001 wurde der Fall ohnehin vom | |
Thüringer Staatsschutz übernommen. | |
Er habe nicht den Eindruck gehabt, das NSU-Trio und namentlich Beate | |
Zschäpe, die in den Verdacht geraten war, eine V-Frau zu sein, seien vom | |
Verfassungsschutz gedeckt worden. Mit beiden Verfassungsschutzämtern in | |
Thüringen und Sachsen habe es aber kaum eine Zusammenarbeit gegeben, „weil | |
die ihr Wissen lieber für sich behalten wollten“, sagte der für das | |
Landeskriminalamt tätige Wunderlich. | |
21 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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