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# taz.de -- Sächsischer Verfassungsschutz zum NSU: „Ähnlich einer Terrorist…
> Bereits im Jahr 2000 sprach der sächsische Verfassungsschutz im
> Zusammenhang mit dem NSU-Trio von „Terrorismus“. Das wird unterschiedlich
> bewertet.
Bild: Ehemaliger sächsischer Verfassungsschutzchef: Reinhard Boos.
BERLIN taz | Eine Erkenntnis zieht sich wie ein roter Faden durch die
Aufklärung der NSU-Affäre: Hätten die Sicherheitsbehörden ihre Arbeit
richtig gemacht, hätten die Morde des Terrortrios verhindert werden können.
Ein weiteres Puzzlestück zu diesem desaströsen Bild liefert nun ein
Dokument, über das nun [1][„Report Mainz“ berichtet].
Das ARD-Fernsehmagazin zitiert aus einem geheimen Schreiben des sächsischen
Verfassungsschutzes aus dem Jahr 2000, in dem eine aus heutiger Sicht recht
präzise Einschätzung über das Trio getroffen wird. „Das Vorgehen der Gruppe
ähnelt der Strategie terroristischer Gruppen, die durch Arbeitsteilung
einen gemeinsamen Zweck verfolgen", heißt es da.
Als Zweck der Vereinigung werden „schwere Straftaten gegen die freiheitlich
demokratische Grundordnung“ angegeben. Zudem sei eine „eine deutliche
Steigerung der Intensität bis hin zu schwersten Straftaten feststellbar.“
Das Schreiben ist die Begründung einer sogenannten
G-10–Beschränkungsmaßnahme gegenüber dem Trio selbst und vier mutmaßlicher
Unterstützer. Diese Überwachungsaktion unter dem Namen „Terzett“ ist schon
länger öffentlich bekannt. Inhaltlich basiert die Einschätzung der
Verfassungsschützer auf dem, was seit 1998 bekannt war: Drei militante
Jenaer Neonazis, die als Bombenbauer gesucht werden, sind untergetaucht.
Neu ist, dass in diesem Zusammenhang von „Terrorismus“ gesprochen wird.
Eine Möglichkeit für diese deutliche Formulierung ist, dass es sich bei
einer G-10-Maßnahme um eine weitreichende Überwachungsmaßnahme handelt, die
nicht ohne weiteres genehmigt wird – und folglich eine überzeugende
Begründung verlangt. Unter anderem können die Behörden dann Briefe mitlesen
und Telefone abhören. Drei Monate, vom 5. Mai bis 5. August 2000, wurden
die Zielpersonen aus dem Umfeld des Trios also überwacht – ohne relevante
Ergebnisse. Am 9. September verübte der NSU seinen ersten Mord.
## Militante Rechtsextreme – keine Terroristen
[2][Das sächsische Innenministerium] legt heute Wert darauf, dass sich die
„damalige Bewertung und Prognose“ lediglich auf den Rohrbombenfund, die
Flucht aus Jena und Waffenbesitz gestützt habe und „nicht die gezielte
Ermordung von Menschen aus rassistischen Motiven“.
Miro Jennerjahn, der für die Grünen im sächsischen
NSU-Untersuchungsausschuss sitzt, [3][kritisiert den „offensichtlichen
Widerspruch“] zwischen dem Inhalt des Schreibens und den heutigen Aussagen
der damals zuständigen Verfassungsschutzbeamten. Reinhard Boos, damaliger
Chef des Landesverfassungsschutzes, und der heutige Vize-Chef haben vor dem
Untersuchungsausschuss betont, dass es keine Anhaltspunkte für
rechtsterroristische Gruppen gegeben hätte. „Das Trio galt als eine Gruppe
von militanten Rechtsextremisten, die gefährlich sind, aber nicht als
Rechtsterroristen“, so formulierte es Boos.
Kerstin Köditz, Obfrau der Linken im Untersuchungsausschuss, sieht hingegen
[4][„viel Lärm, wenig Substanz“] in dem TV-Bericht. Ihrer Ansicht nach sind
die Behörden damals nicht von einer terroristischen Gruppierung
ausgegangen. Sie sehe eher Hinweise darauf, „dass die zuständige
G-10-Kommission des Landtages bewusst getäuscht werden sollte, um deren
Zustimmung zu der geplanten Abhörmaßnahme zu erhalten.“ Denn eigentlich, so
Köditz, hätte der Geheimdienst in diesem Fall gar nicht tätig werden
dürfen. Stattdessen wäre die Verfolgung des Trios Aufgabe der Polizei
gewesen.
22 May 2013
## LINKS
[1] http://www.swr.de/report/presse/neues-geheimdokument-nsu-terror-trio/-/id=1…
[2] http://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/184466
[3] http://www.gruene-fraktion-sachsen.de/presse/mitteilungen/pm/artikel/pm-201…
[4] http://www.linksfraktionsachsen.de/index.php?section=news&cmd=details&a…
## AUTOREN
Sebastian Erb
## TAGS
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