# taz.de -- Fragwürdiges Gutachten: Bahn bestimmt S21-Preis | |
> Im März hat der Aufsichtsrat des Konzerns dem Projekt trotz | |
> Kostenexplosion zugestimmt. Ohne echte Prüfung, zeigt ein internes | |
> Papier. | |
Bild: Vogelperspektive auf den Bahnhof Stuttgart: Wurde das Gutachten-Ergebnis … | |
BERLIN taz | Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hat im März dieses Jahres | |
zugestimmt, das Bahnprojekt Stuttgart 21 trotz einer Kostenexplosion | |
weiterzubauen – allerdings auf Basis eines fragwürdigen Prüfberichts. | |
Der war allein auf Basis von der Bahn zur Verfügung gestellter Unterlagen | |
zustande gekommen, deren Angaben die Gutachter nicht ausreichend prüfen | |
konnten. Eigentlich sollte der Bericht die Risiken des Projekts transparent | |
machen. Das Gutachten der Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers | |
(PWC) ist der Online-Plattform [1][Wikireal] zugespielt worden und liegt | |
der taz vor. Wikireal wird von Stuttgart-21-Kritikern betrieben. | |
Aus dem Dokument geht hervor, dass die Prüfung nicht den internen | |
Richtlinien der Bahn entsprach. Zwar schreiben die Gutachter, dass die | |
Einschätzung von Risiken und Chancen des Projekts mithilfe von externen | |
Beratern weit fortgeschritten erscheinen: Jeder identifizierten Abweichung | |
vom eigentlichen Budget des Bahnprojekts, ob positiv oder negativ, teilt | |
die Bahn eine Kategorie von 0 bis 5 zu, eine „Härtegradlogik“. | |
Die höchste Stufe heißt, dass mehr gezahlt werden muss. Allerdings ist die | |
Methode umstritten. „Wir weisen darauf hin, dass die Härtegradlogik nicht | |
den Grundsätzen des Risikomanagements im DB AG-Konzern entspricht“, heißt | |
es in dem PWC-Bericht. | |
Zudem waren die Prüfer komplett von den Dokumenten der Deutschen Bahn | |
abhängig. „Eine eigene Verifizierung dieser Unterlagen haben wir nicht | |
durchgeführt“, heißt es in dem Bericht. PWC stützte sich zudem nur auf | |
Befragungen von Mitarbeitern der Deutschen Bahn. „Aus diesem Grunde besteht | |
bei dem erteilten Auftrag ein gegenüber der Abschlussprüfung oder | |
prüferischen Durchsicht höheres Risiko, dass selbst wesentliche Fehler, | |
rechtswidrige Handlungen oder andere Unregelmäßigkeiten nicht aufgedeckt | |
werden“, schreiben die Wirtschaftsprüfer. | |
## S 21-Kritiker: PWC-Papier ist wertlos | |
Für die Kritiker des Bahnprojekts ist das PWC-Papier damit wertlos: „Es | |
muss eine testierte Kostenplanung eingefordert werden, ansonsten ist eine | |
Diskussion der Kosten überflüssig“, sagt Christoph Engelhardt, Initiator | |
von Wikireal. Die Bahn äußerte sich bis zum Redaktionsschluss nicht. | |
Am heutigen Dienstag tagt der sogenannte Lenkungsausschuss, in dem Stadt | |
und Region Stuttgart, Land Baden-Württemberg und Deutsche Bahn vertreten | |
sind. Sie streiten nach wie vor, wie die prognostizierten Mehrkosten für | |
das Projekt aufgeteilt werden sollen. Statt ursprünglich 4,5 Milliarden | |
Euro könnte S 21 nun offiziell 6,8 Milliarden Euro kosten. | |
Projektgegner gehen von noch höheren Ausgaben aus – und fordern weiter den | |
Stopp des Projekts. In der vergangenen Woche gab es den ersten | |
Tunnelanstich für die mit Stuttgart 21 geplante neue ICE-Trasse nach Ulm. | |
Anmerkung der Redaktion, 26.7.2013: In einer ursprünglichen Fassung des | |
Textes waren die Betreiber von WikiReal als S21-„Gegner“ bezeichnet worden. | |
Der Begriff ist in „Kritiker“ geändert worden. WikiReal weist darauf hin, | |
dass sich das Portal als unabhängige Faktencheck-Seite für kontrovers | |
diskutierte Themen definiert. | |
Das Kommunikationsbüro zum Bahnprojekt Stuttgart–Ulm hat trotz wiederholter | |
Nachfrage der taz auch vier Tage nach Publikation keine Stellungnahme zu | |
dem Artikel abgegeben. | |
22 Jul 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.wikireal.info/wiki/Hauptseite | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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