# taz.de -- In eigener Sache: Behörde muss taz-Mails löschen | |
> Sie suchte nach E-Mails eines taz-Redakteurs und wertete sie aus. Damit | |
> verletzte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft die Pressefreiheit, sagt ein | |
> Gericht. | |
Bild: Grundgesetz, zum Nachlesen: Da soll sich die Stuttgarter Staatsanwaltscha… | |
BERLIN taz | Votum für die Pressefreiheit: Die Stuttgarter | |
Staatsanwaltschaft muss umgehend sämtliche E-Mails eines taz-Redakteurs | |
löschen, die sie zuvor [1][ohne richterliche Beschlagnahmeanordnung | |
gespeichert und ausgewertet hatte]. Eine Erhebung und Auswertung der Daten | |
sei nicht mit Artikel 5 des Grundgesetzes vereinbar, der die Freiheit der | |
Presse schützt, heißt es in einem nun ergangenen Beschluss des Amtsgerichts | |
Stuttgart. | |
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens hatte die Stuttgarter | |
Staatsanwaltschaft am 27. Juni 2012 das Haus [2][des ehemaligen Richters | |
und heutigen Stuttgart 21-Gegners Dieter Reicherter] durchsucht und dessen | |
Computer beschlagnahmt. Reicherter hatte zuvor öffentlich [3][aus einem | |
Dokument des Innenministeriums zitiert], das als "nur für den | |
Dienstgebrauch" eingestuft war. Aus dem „Rahmenbefehl“ ging hervor, dass | |
baden-württembergische Behörden den Stuttgart 21-Protest auch mit | |
Verfassungsschutzbeamten beobachteten. | |
Unter anderem ist darin die Rede von einer „offensiven und breit angelegten | |
Erkenntnisgewinnung“. In der Veröffentlichung sah die Staatsanwaltschaft | |
Geheimnisverrat und nahm Ermittlungen auf, um Reicherters Quelle zu finden. | |
Kritiker verurteilten das Verfahren als politisch motiviert. | |
Im Anschluss an die Hausdurchsuchung werteten die Staatsanwälte Reicherters | |
E-Mails aus und durchsuchten diese unter anderem gezielt nach dem | |
Suchbegriff „[4][Martin Kaul]“. Kaul ist Redakteur für soziale Bewegungen | |
bei der taz. Die teils verschlüsselte E-Mail-Korrespondenz zwischen | |
Reicherter und Kaul wurde ausgelesen, gespeichert und zu den Akten | |
genommen. Der taz-Journalist wurde darüber nicht informiert. | |
Erst Mitte 2013 beantragte die Staatsanwaltschaft bei Gericht dann eine | |
Beschlagnahmeanordnung für die längst gespeicherten Mails. Dies wies das | |
Gericht nun zurück und ordnete die sofortige Löschung der Daten aus den | |
E-Mails an. | |
Dabei berief es sich unter anderem auf das [5][Cicero-Urteil]. Das | |
Bundesverfassungsgericht hatte 2007 geurteilt, dass eine Durchsuchung der | |
Redaktionsräume des Politmagazins 2005 verfassungswidrig war. Die | |
Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses durch Journalisten reiche nicht | |
aus, um eine Beschlagnahme journalistischer Dokumente zu begründen. | |
Nicht löschen muss die Stuttgarter Staatsanwaltschaft dagegen Auszüge des | |
E-Mail-Verkehrs zwischen Reicherter und einem Polizisten, gegen den die | |
Staatsanwaltschaft nun ermittelt. Die E-Mails, die der taz vorliegen, | |
belegen zwar, dass Reicherter und der Polizist in Kontakt standen. Das | |
dürfte allerdings eine recht dünne Indiziensammlung sein. Konkrete Beweise, | |
dass das von Reicherter veröffentlichte Dokument von dem Tatverdächtigen | |
stammt, ergeben sich aus den Emails jedenfalls nicht. | |
8 Aug 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://blogs.taz.de/hausblog/2013/05/08/stuttgart-sucht-den-hochverrater-au… | |
[2] /!97513/ | |
[3] http://www.bei-abriss-aufstand.de/2012/02/25/bespitzelt-der-verfassungsschu… | |
[4] /!a36/ | |
[5] http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20070227_1bvr053806.html | |
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