# taz.de -- Friedensgespräche in Palästina umstritten: Verbesserungen statt G… | |
> Im Westjordanland formiert sich allmählich Protest gegen die | |
> Verhandlungen in Washington. Die Skepsis gegenüber der Autonomiebehörde | |
> ist groß. | |
Bild: Die palästinensische Polizei hat den Protestzug in Ramallah brutal niede… | |
JERUSALEM taz | Im Schatten der laufenden Friedensgespräche zwischen Israel | |
und der Palästinensischen Autonomiebehörde in Washington formiert sich im | |
Westjordanland langsam Widerstand gegen den Kurs von Palästinenserpräsident | |
Mahmud Abbas. „20 Jahre fehlgeschlagene Gespräche sind genug“, sagt Khalida | |
Jarrar, Vize-Generalsekretärin der Volksfront zur Befreiung Palästinas | |
(PFLP). | |
Die Leitung der Gespräche durch die Vereinigten Staaten sei dabei besonders | |
problematisch, denn diese würden hinter Israel stehen. „Sie sind nicht | |
neutral.“ Seit Beginn der Verhandlungen hat die PFLP bereits zwei | |
Kundgebungen in Ramallah abgehalten. Vergangenen Sonntag hatte die | |
palästinensische Polizei den Protestzug vor dem Präsidentenpalast brutal | |
verprügelt. Aus Angst vor weiterer Gewalt blieben die Demonstranten diesen | |
Sonntag dem Regierungssitz fern. | |
Eine der Verletzten von letzter Woche ist die Frauenrechtsaktivistin Hanin. | |
„Erst riss uns ein Polizist mit dem Schlagstock das Transparent aus der | |
Hand. Dann haben sie uns mit den Schutzschildern weggedrängt“, sagt die | |
29-jährige. „Als ich gesehen habe, wie sie einen Freund niederprügeln, habe | |
ich zu schreien begonnen. Dann haben sie auch auf mich eingeschlagen. | |
Zuerst auf meinen Körper, zum Schluss auf den Kopf.“ Später seien ihr die | |
Polizisten sogar ins Krankenhaus gefolgt. „Sie haben dem Personal verboten, | |
uns zu behandeln“, sagt Hanin. | |
Spricht man mit Menschen in den Straßen von Ramallah, scheint kaum jemand | |
wirklich an die laufenden Gespräche zu glauben. Und für jene, die strikt | |
gegen den Kurs von Mahmud Abbas sind, hat das brutale Vorgehen der Polizei | |
ein altes politisches Feindbild nur verfestigt. Anstatt symbolischen Gesten | |
wie etwa die angekündigte Freilassung von 104 palästinensischen Häftlingen | |
wollen die Menschen auf der Straße deutliche Verbesserungen sehen, sagt der | |
Bruder von Hanin, Wade Nassar. „Mahmud Abbas hat sich zu billig verkauft“, | |
meint der 28-jährige, der sich als Teil der „jungen Linken“ in Palästina | |
sieht. | |
## Zu billig verkauft | |
Wade Nassar sieht vor allem unter jungen Palästinensern wachsende Kritik am | |
Kurs von Abbas. „Mahmud Abbas ist eine One-Man-Show. Wir werden nicht | |
gefragt“, sagt er. „Wir wollen ein Ende der Erniedrigungen, Siedlungen, | |
Inhaftierungen und Strassensperren.“ Kritik an Abbas wachse auch wegen der | |
Wirtschaft. „Zur Monatsmitte hört das Leben für sie alle auf. Jeder hat | |
Schulden“, sagt der 28-jährige. Die Bevölkerung sei vom Kampf um das | |
„alltägliche Überleben“ geprägt. | |
Die Lücke zwischen der gefühlten Realität von Palästinensern unter | |
Besatzung und dem, was in Washington besprochen wird, könnte kaum größer | |
sein. Was 20 Jahre gescheiterter „Friedensprozess“ im Leben vieler | |
Palästinenser bedeutet, wird im Kampf des Aktivisten Abdallah Abu Rahmeh | |
deutlich. Seit acht Jahren führt er in seinem Heimatdorf Bil’in den zivilen | |
Widerstand gegen die illegale Landnahme durch Siedlungen und die | |
israelische Sperrmauer. Eineinhalb Jahre saß er im israelischen Gefängnis | |
und muss derzeit wieder vor Gericht, weil er ein Fünfjahresverbot für | |
politische Aktivität verletzt hat. „Seit 20 Jahren lauft dieser | |
Friedensprozess, verändert hat sich alles nur zum Schlechten“, sagt er. | |
„Unser Land wird immer weniger, die Siedlungen immer mehr. Die Zeit rennt | |
uns davon.“ | |
Gleichzeitig würden die aktuellen Gespräche aber auch einen kritischen | |
Wendepunkt markieren. „Sollten diese Verhandlungen schief laufen, ist es | |
Zeit, all das zu beenden“, sagt er. „Dann muss Abbas sagen: Wir sind | |
gescheitert. Die Autonomiebehörde wird aufgelöst‘.“ Bislang habe sich die | |
israelische Besatzung über die letzten 20 Jahre lediglich nur vertieft, | |
beklagt er. | |
Als Alternativen zum bisherigen Friedensprozess sieht Abdallah Abu Rahmeh | |
nur zwei: Widerstand mit Waffen oder der von ihm vertretene gewaltfreie | |
Widerstand. Niemand könne wissen, welche Form sich durchsetzen werde. Aber | |
auch Widerstand könne zu neuen Verhandlungen führen. „Und das vielleicht | |
sogar effektiver,“ sagt Abdallah Abu Rahmeh. | |
4 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hackl | |
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