# taz.de -- Sprinterin über BRD-Leistungssport: „Trainer dopten ihre Partner… | |
> Claudia Lepping ist von den jüngsten BRD-Doping-Berichten kaum | |
> überrascht. Die ehemalige Sprinterin sagt, bereits 1969 hätten alle | |
> Bescheid wissen können. | |
Bild: „Das hat man alles mitbekommen.“ – auch in Westdeutschland. | |
taz: Frau Lepping, Doping in Westdeutschland ist seit dem vergangenen | |
Wochenende das ganz großes Thema. Überrascht Sie das plötzliche Interesse | |
dafür? | |
Claudia Lepping: Ich finde es gut, wenn es mediales und damit öffentliches | |
Interesse für dieses Thema gibt, auch wenn das allermeiste nicht wirklich | |
überraschend und schon gar nicht neu ist. Man konnte seit 1969 wissen, was | |
in Westdeutschland wirklich los war. | |
Seit 1969? | |
Da gab es diesen unglaublich mutigen Artikel der damaligen Speer- und | |
Diskuswerferin Brigitte Berendonk. Sie hat als erste Athletin - noch dazu | |
als eine, die aus dem Osten in den Westen kam - dieses Thema publik | |
gemacht. Bis dahin hat sich Westeuropa immer lustig gemacht über diese | |
Dopingzombies - aber das waren eben immer die anderen. Dabei hatte sich das | |
im Westen längst ausgebreitet. | |
Wie in Ihrer Trainingsgruppe in Hamm. | |
Ich wurde nach Hamm gelockt mit dem Satz: "Komm du mal zu uns, dann zeigen | |
wir dir, warum die DDR-Mädels so schnell sind." Das war 1986 während der EM | |
in Stuttgart. Da war ich 18 und ich wollte einfach zu dem Klub, der sich | |
gerade daranmachte, zur Sprinterinnenhochburg der Bundesrepublik zu werden. | |
Ich dachte dabei an neue Trainingsmethoden, glaubte, dass die dort mehr als | |
andere wissen. Als ich dann in Hamm war, habe ich gesehen, womit wirklich | |
gearbeitet wurde - mit noch nicht einmal zugelassenen Dopingpräparaten der | |
schlimmsten Art. | |
Haben Sie diese Mittel auch genommen? | |
Ich habe von Anfang an keinen Hehl daraus gemacht, dass ich das nicht | |
nehme. Ich war damals in der relativ komfortablen Situation, dass ich sehr | |
schnell war, und habe mir gedacht: Wieso soll ich etwas nehmen, es läuft | |
doch auch so ganz gut. | |
Sie konnten aber beobachten, wie Ihre Kolleginnen gedopt haben. | |
Ich war im Trainingslager mit einer Kollegin auf dem Zimmer, die hatte | |
einen zweiten Kulturbeutel dabei, der voller Medikamente war. Weil ich | |
neugierig war, habe ich mir die Namen der Mittel notiert und bei der | |
Hausärztin meiner Eltern nachgefragt. Es waren tatsächlich Dopingmittel | |
darunter. Ich habe auch die Rezepte gesehen, die an den Pinnwänden der | |
Sportlerinnen hingen. Das hat man alles mitbekommen. Helga Arendt, die vor | |
Kurzem gestorben ist, wohnte Tür an Tür mit mir. Natürlich ist auch über | |
Doping gesprochen worden. | |
Worum drehten sich die Gespräche? | |
Die Athletinnen waren irritiert darüber, was mit ihren Körpern geschah. Die | |
eine erkrankte an der Leber, die andere am Herzen. Da haben dann auch die | |
Trainer gemerkt, dass etwas an der Dosierung nicht stimmte. | |
Wurde auch über die Vermännlichungserscheinungen durch Anabolikakonsum | |
gesprochen? | |
Diese Veränderungen waren offensichtlich. Ich weiß auch von zwei Trainern, | |
die haben sich darüber sogar lustig gemacht. Ich will nicht unterstellen, | |
dass die das nicht ernst genommen haben, aber vielleicht wussten sie sich | |
nicht anders zu helfen, als mit einem gewissen Zynismus an die Sache | |
heranzugehen | |
Es ist wirklich entsetzlich, wenn man sieht, was dieses Zeug mit einem | |
weiblichen Körper anstellt. Was man hier auch erwähnen sollte: Zwei Trainer | |
in Hamm haben ihre eigenen Lebensgefährtinnen gedopt - und das über Jahre. | |
Das spielt eine große Rolle im Verhältnis von Trainer zu Athletin. Viele | |
Sportlerinnen werden sich gedacht haben: Wenn die das mit ihren eigenen | |
Frauen machen, dann wissen sie wohl, was sie tun. | |
Mit ihrer Website [1][dopingalarm.de] versuchen Sie, junge Athleten zum | |
Neinsagen zu animieren. Ist das erfolgreich? | |
Ich bekomme viele Rückmeldungen von jungen Sportlern, die verstanden haben, | |
dass es um eine innere Haltung zum Sport geht. Aber es haben sich auch | |
schon Trainer gemeldet, die anders sein wollen. Es gibt ja nicht nur diese | |
skrupellosen Trainer, denen es egal ist, welchen Menschen sie vor sich | |
haben. Diese Dopingtrainer haben ihre Trainingsschablonen und wenn Sportler | |
da nicht hineinpassen, dann schieben sie ihnen die Schachtel Medikamente | |
rüber. Aber eigentlich ist es doch Aufgabe eines Trainers, herauszufinden, | |
wie dieser junge Mensch tickt: Ist das der Typ knochenharter Pauker oder | |
einer, der alles ganz spielerisch macht? | |
Demnach ist für Sie ein anderer Leistungssport möglich? | |
Es gibt keine größere Herausforderung für einen Trainer als ein | |
selbstbewusster Sportler, der selber weiß, wie er Leistung bringen kann. | |
Die sollte man annehmen. | |
5 Aug 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.dopingalarm.de/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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