# taz.de -- Prozessauftakt im Organskandal: Doktor Daumen-hoch | |
> Ein Transplantationschirurg steht wegen versuchten Totschlags vor | |
> Gericht. Er soll Daten manipuliert haben. Eine Ordnungswidrigkeit, meint | |
> die Verteidigung. | |
Bild: Lebern sind knapp: Der Angeklagte soll eigene Patienten bevorzugt haben. | |
GÖTTINGEN taz | Die rechte Hand erhoben, den linken Daumen nach oben | |
gestreckt. Es war ein selbstbewusster Angeklagter, der da am Montagmorgen | |
vor dem Landgericht Göttingen erschien: Auftakt zum ersten | |
Strafrechtsprozess wegen des sogenannten Organskandals. | |
Versuchten Totschlag in elf Fällen sowie Körperverletzung mit Todesfolge in | |
drei weiteren Fällen wirft die Anklage dem 46-jährigen | |
Transplantationschirurgen O. aus Göttingen vor. Stattgefunden hätten die | |
Taten zwischen Oktober 2008 und Oktober 2011. | |
Um seinen eigenen leberkranken Patienten schneller eine der knappen | |
Spenderorgane zu beschaffen, soll der Arzt Labordaten manipuliert und | |
gegenüber der zentralen Organvergabestelle Eurotransplant Dialysen | |
angegeben haben, die in Wirklichkeit gar nicht stattfanden. Dadurch seien | |
die Patienten kränker erschienen, als sie tatsächlich waren – und so auf | |
der Warteliste nach oben gerutscht. | |
O. habe billigend in Kauf genommen, dass andere, möglicherweise | |
bedürftigere Patienten deswegen verstarben. Oder, um es mit den Worten von | |
Oberstaatsanwältin Hildegard Wolff auszudrücken: Der Vorwurf richtet sich | |
darauf, „einen anderen Menschen zu töten, ohne Mörder zu sein“. Daneben | |
habe O. in drei Fällen ohne medizinische Notwendigkeit bei Patienten Organe | |
transplantiert. Diese seien später an Komplikationen verstorben. | |
## Verteidigung weist Vorwürfe zurück | |
O.s Verteidiger Steffen Stern wies die Vorwürfe zurück. O. werde wie ein | |
„Verbrecher“ dargestellt, der nun auch noch die bundesweite Verantwortung | |
dafür übernehmen solle, dass die Zahl der Organspenden gesunken sei. Das | |
Gegenteil sei der Fall, so Stern. O. gehöre zu den Ärzten, die in den | |
Transplantationszentren „um das Leben von Patienten ringen“. Als leitender | |
Oberarzt habe er weder selbst manipuliert noch Manipulationen veranlasst. | |
Doch selbst wenn es unzutreffende Angaben gegenüber Eurotransplant gegeben | |
habe sollte, so Stern, seien diese „kein Fall für den Strafrichter“, | |
sondern bestenfalls als Ordnungswidrigkeit zu behandeln. Es fehle an einer | |
Rechtsgrundlage für einen Tatvorwurf. Der Vorsitzende Richter Ralf Günther | |
räumte ein, man betrete mit diesem Prozess „juristisches Neuland“. Der | |
Prozess wird am Freitag fortgesetzt. | |
19 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
## TAGS | |
Organspende-Skandal | |
Transplantationsskandal | |
Lebertransplantation | |
Manipulation | |
Prozessauftakt | |
Organspende-Skandal | |
Organspende | |
Organspende | |
Transplantation | |
Transplantation | |
Transplantationsskandal | |
Transplantationsskandal | |
Organspende | |
Organspende | |
Organspende | |
Organtransplantation | |
Transplantation | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar zu Organvergabe-Urteil: Schluss mit dem feigen Wegschauen | |
In der Transplantationsmedizin gibt es zu wenig demokratisch legitimierte | |
Regeln. Die Politik muss für Transparenz bei der Vergabe sorgen. | |
Mit Herz & Verstand: Übertriebene Panikmache | |
Wegen Dokumentationsfehlern in einem Bremerhavener Klinikum wurde eine | |
Organentnahme gestoppt. Fest steht aber: Die Patientin war hirntot | |
Weniger Organspenden in Deutschland: Kein Herz für den Nachbarn | |
Die Zahl derjenigen, die ein Organ für einen bedürftigen Patienten abgeben, | |
ist auf ein Rekordtief gefallen. Ursache könnten die jüngsten | |
Transplantationsskandale sein. | |
Künstliches Herz als Organersatz: Kunstherz eingepflanzt | |
Ein neu entwickeltes Kunstherz ist in Paris erstmals einem Patienten | |
eingesetzt worden. Es soll für mehrere Jahre das Original ersetzen. | |
Kommentar Organspendeskandal: Der Wert der Solidarität | |
Das Vertrauen in die Transplantationsmedizin ist futsch. Schuld daran ist | |
aber nicht das Fehlverhalten einzelner Ärzte. Sondern das Versagen des | |
Gesetzgebers. | |
Prozess gegen Mediziner aus Göttingen: Nur wenige Zeugen für die Anklage | |
Beim Prozess in Göttingen wird deutlich: Der Oberarzt Aiman O. soll Daten | |
gefälscht haben, um häufiger Lebern transplantieren zu können. | |
Transplantantionsskandal: Manipulationen auch in Münster | |
Der Abschlussbericht zur Überprüfung aller deutschen | |
Lebertransplantationszentren zeigt: Auch an der Uniklinik Münster wurde | |
getrickst. | |
Prozess um Organspende-Skandal: Verteidigung nennt Vorwürfe absurd | |
Im Prozess in Göttingen beteuert der angeklagte Arzt seine Unschuld. | |
Vorgeworfen wird ihm in mehreren Fällen versuchter Totschlag und | |
Körperverletzung mit Todesfolge. | |
Interview Organspende: „Ein furchtbarer Moment“ | |
Sybille Neubert hat ihrer Tochter Lara eine Niere gespendet. Eine schwere | |
Entscheidung, die die beiden aber noch enger zusammengebracht hat. | |
Organspendeskandal in München: Vom Chefarzt zum Praktikanten | |
Das Klinikum Rechts der Isar kommt nicht zur Ruhe: ein zunächst geschasster | |
Chefarzt soll demnächst wieder operieren dürfen. | |
Neue Kampagne für Organspende: Es gilt nun das Sechs-Augen-Prinzip | |
Nach den Manipulationsvorwürfen bei Transplantationen: Gesundheitsminister | |
Bahr will Vertrauen der Bürger zurückgewinnen. | |
Parteien zu Transplantationswartelisten: Manipulation künftig strafbar | |
Der Bundestag will das Transplantationsgesetz erneut ändern: Ärzte, die | |
bewusst gegen die Regeln der Organ-Warteliste verstoßen, werden bald | |
strenger verfolgt. | |
Lebertransplantation bei Alkoholkranken: Hilfe als Regelverstoß | |
Der Umgang mit Suchtkranken steht exemplarisch für den Reformbedarf des | |
Transplantationssystems. Die Kriterien bedürfen dringend einer Überprüfung. |