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# taz.de -- Mit Herz & Verstand: Übertriebene Panikmache
> Wegen Dokumentationsfehlern in einem Bremerhavener Klinikum wurde eine
> Organentnahme gestoppt. Fest steht aber: Die Patientin war hirntot
Bild: Herz-OP mit einem ordnungsgemäß entnommenen Organ.
BREMERHAVEN taz | Bundesweit griffen Medien in den vergangenen Tagen einen
Fall auf, der sich Anfang Dezember im Klinikum Reinkenheide in Bremerhaven
zugetragen hat: Kurz bevor einer hirntoten Patientin dort die Organe
entnommen werden sollten, ließ ein Mitarbeiter der Deutschen Stiftung
Organtransplantation (DSO) den Eingriff stoppen. Die Diagnose „hirntod“
weise Fehler auf.
Sensationsheischend warfen manche Zeitungen die Frage auf: „Lebte der
Spender noch?“, ein Fernsehsender behauptete sogar, der operierende Arzt
habe kurz vor der Organentnahme bemerkt, dass die Patientin gar nicht tot
gewesen sei. Inzwischen bestätigt die Prüfungs- und Überwachungskommission
von Deutscher Krankenhausgesellschaft, Bundesärztekammer und den
Krankenkassen, dass es Fehler in der Dokumentation gegeben habe, die Frau
aber zweifelsfrei hirntot war.
Welche Fehler der DSO-Mitarbeiter entdeckt und der Überwachungskomission
gemeldet hat, ist unklar – das Krankenhaus hat aus seiner Sicht keinen
begangen, die DSO gibt keine Stellungnahme ab und auch bei der
Bundesärztekammer heißt es dazu, die Kommission könne „aus
rechtsstaatlichen Gründen keine Angaben zu laufenden Prüfungen machen“.
Auch die Staatsanwaltschaft Bremerhaven prüft derzeit den Fall.
Für Sonja Schäfer, Organspendenbeauftragte für das Land Bremen, wird der
Fall zu hoch gehängt: „Es ist gut, dass die DSO unklare Fälle zur
Überprüfung gibt, aber um einen Formfehler handelt es sich auch schon, wenn
der Durchschlag eines Dokumentes fehlt oder undeutlich ist.“ Für sie ist
das sogenannte „Hirntodprotokoll“ – zwingend vorgeschriebene Unterlagen,
die die gesetzestreue Durchführung vorausgegangener Untersuchungen durch
zwei voneinander unabhängige Ärzte dokumentieren – „idiotensicher“: „…
deutschen Richtlinien zur Organspende sind die strengsten in ganz Europa.“
Gleichwohl, sagt sie, dürfe es natürlich nicht zu Fehlern kommen: „Jede
kleinste Ungenauigkeit macht Angst.“ Laut einer DSO-Befragung im Jahr 2013
waren 68 Prozent der Befragten bereit, ihre Organe zu spenden, aber nur 28
Prozent davon hatten einen Spenderausweis. „Viele Menschen fürchten, mit
Spenderausweis eine schlechte Therapie zu bekommen“, sagt Schäfer.
Das zeugt von einem erschreckenden Misstrauen, das zuletzt durch den 2012
aufgedeckten Organspende-Skandal geschürt wurde: In Göttingen, Regensburg
und Hamburg sollen Mediziner jahrelang Krankenakten gefälscht haben, um
ausgewählte Patienten bevorzugt mit Spenderorganen zu versorgen. Seitdem
ist die Anzahl der Organspender bundesweit gesunken, 2013 im Vergleich zum
Vorjahr um über 16 Prozent.
Nicht nur der Fall aus Bremerhaven dürfte für einen weiteren Rückgang
sorgen: Die Überwachungskommission überprüft zurzeit deutschlandweit elf
Hirntod-Diagnosen in zehn Krankenhäusern. Details dazu will sie wegen der
laufenden Untersuchungen nicht nennen.
16 Jan 2015
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Organspende
Bremerhaven
Hirntod
Organspende-Skandal
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