| # taz.de -- Digitale Freiheitsrechte: Mit dem Völkerrecht gegen die NSA? | |
| > Nach dem NSA-Skandal will die Bundesregierung das internationale Recht | |
| > verschärfen – ohne Plan, ohne Nutzen und mit hohem Risiko. | |
| Bild: Um die illegale Schnüffellei in den Griff zu bekommen, muss der Zivilpak… | |
| FREIBURG taz | Die Bundesregierung will einen weltweiten Vertrag zum Schutz | |
| der digitalen Privatsphäre initiieren. Klingt gut. Aber vermutlich ist das | |
| nicht mehr als billige Symbolik. Der Völkerrechtler Markus Krajewski hält | |
| die Regierungspläne sogar für gefährlich. | |
| Wie die Enthüllungen der letzten Wochen zeigen, hat der US-Geheimdienst NSA | |
| Zugriff auf alle deutschen E-Mails, an deren Transport US-Provider wie | |
| Googlemail oder Hotmail beteiligt sind. Außerdem kann er die Profile von | |
| Deutschen, die in den USA bei Facebook oder Google+ gespeichert sind, | |
| ausspähen. | |
| Gegen die exzessiven Überwacher aus Übersee helfen naturgemäß weder | |
| deutsche Grundrechte noch europäische Konventionen. Erforderlich ist | |
| vielmehr globales Recht, das auch die USA bindet. Zentraler Vertrag zum | |
| weltweiten Schutz der Menschenrechte ist der 1966 geschlossene | |
| „Internationale Pakt über politische und bürgerliche Rechte“, auch | |
| UN-Zivilpakt genannt. | |
| In Artikel 17 dieses Vertrags heißt es: „Niemand darf willkürlichen oder | |
| rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben […] und seinen Schriftverkehr | |
| […] ausgesetzt werden.“ 167 Staaten haben diesen Pakt ratifiziert, | |
| inklusive der USA. | |
| Die Bundesregierung will nun ein Zusatzprotokoll zu Artikel 17 des | |
| Zivilpakts auf den Weg bringen. Schon Mitte Juli schrieben Außenminister | |
| Guido Westerwelle und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger | |
| (beide FDP) an ihre EU-Amtskollegen und baten um Beteiligung. Der | |
| Zusatzvertrag solle „den Schutz der Privatsphäre im digitalen Zeitalter“ | |
| sichern. | |
| Kanzlerin Angela Merkel unterstützte den Vorstoß in einem Interview. | |
| Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) betonte Mitte August, die | |
| Bundesregierung arbeite „mit Hochdruck“ an einer internationalen | |
| Verankerung „digitaler Freiheitsrechte“. | |
| ## Noch Abstimmungsbedarf | |
| Große Worte – wenig Substanz. Das federführende Außenministerium kann auf | |
| Nachfrage nicht einmal beschreiben, welchen Inhalt das geplante | |
| Zusatzprotokoll haben soll. Man befinde sich noch in der Abstimmung, heißt | |
| es. Auch die Kritik am bestehenden Artikel 17 ist mehr als wolkig. Dieser | |
| stamme „aus einer Zeit vor der Einführung des Internets“, erklärte die | |
| Sprecherin des Auswärtigen Amts. Das allein ist aber kein Mangel. | |
| Auch das Grundgesetz, das 1949 beschlossen wurde, enthält bis heute keine | |
| ausdrücklichen Aussagen zum Internet – und wurde vom | |
| Bundesverfassungsgericht trotzdem immer wieder zeitgemäß interpretiert. | |
| „Artikel 17 wird vom Menschenrechtsausschuss des Zivilpakts ebenfalls | |
| modern ausgelegt“, betont der Erlanger Völkerrechtler Markus Krajewski. Der | |
| Datenschutz werde schon seit 1988 als Teil des „Privatlebens“ angesehen. | |
| Und als „Schriftverkehr“ gälten alle Formen der Kommunikation über | |
| Distanzen, unabhängig vom Medium. | |
| ## Vorstoß ist kontraproduktiv | |
| Eine inhaltliche Modernisierung von Artikel 17 sei also überhaupt nicht | |
| erforderlich, findet der Völkerrechtler. Schon im März dieses Jahres habe | |
| der Menschenrechtsausschuss den USA kritische Fragen zur NSA-Überwachung | |
| gestellt. Möglicherweise sehe er den Zivilpakt verletzt. | |
| Krajewski hält den Vorstoß der Bundesregierung sogar für „äußerst | |
| kontraproduktiv“. Repressive Staaten könnten nun mit Verweis auf die | |
| deutsche Initiative behaupten, Artikel 17 gelte gar nicht für das Internet, | |
| da man sonst ja kein Zusatzprotokoll bräuchte. Und selbst wenn es am Ende | |
| tatsächlich ein Zusatzprotokoll gäbe, würden es Staaten wie die USA, Iran | |
| und Nordkorea wohl nicht unterzeichnen, sie wären also auch nicht daran | |
| gebunden. | |
| Gut einen Monat nach Lancierung des deutschen Vorschlags kann das | |
| Auswärtige Amt keinen einzigen Staat nennen, der die Initiative | |
| unterstützt. Das immerhin ist eine gute Nachricht. | |
| 25 Aug 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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