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# taz.de -- Whistleblower-Preis für Edward Snowden: Nur ein leerer Stuhl
> Edward Snowden bekommt in Berlin eine Auszeichnung als Würdigung seiner
> Enthüllungen. Doch Jury und Gäste können nur einem Pappschild
> applaudieren.
Bild: Im Zentrum: Abwesenheit.
BERLIN taz | Es ist an diesem Abend nur ein Spiel vor offener Kulisse.
Vorne, im hellen Scheinwerferlicht, steht kein Preisträger. Kein Geehrter,
der seine Ehrung entgegennehmen könnte. Oder das Preisgeld, 3.000 Euro.
Dort vorne steht nur ein leerer Stuhl. Ein blaues Pappschild lehnt an der
Rückenlehne. Darauf zu sehen: Das Gesicht von Edward Snowden.
Und doch: Der Andrang hier in diesem repräsentativen Salon am Berliner
Gendarmenmarkt ist gewaltig, als die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler
(VDW) sowie der IALANA und – erstmals in diesem Jahr – Transparency
Deutschland Snwoden in Abwesenheit den [1][Whistleblower-Preis 2013]
verleiht. Es gibt nicht genug Platz für alle jene, die heute eigentlich
hier sein wollen, die kommen wollten, um ihr Gesicht zu zeigen, um
solidarisch zu sein. Es gibt sogar Gerangel am Eingang.
Viele neue Freunde Edward Snowdens sind gekommen und diejenigen, die im
Geiste seine Freunde sind. Menschen wie die Filmemacherin Laura Poitras und
der Internetaktivist Jacob Appelbaum, die zu den wenigen Menschen gehören,
die in Kontakt mit Edward Snowden stehen. Es sind Leute wie der
Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), der
frühere FDP-Innenminister Gerhart Baum, der einstige Wikileaks-Aktivist
Daniel Domscheit-Berg. Und es sind viele, viele andere.
Sogar der Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald ist zugeschaltet, per
Video-Botschaft. Er spricht über den Helden Edward Snowden und über die
Kraft, die jeder einzelne Mensch hat, wenn es darum geht, große Dinge zu
bewegen.
Es könnte ein Abend sein, der wie gemacht wäre, um eine neue Ära zu feiern.
Vielleicht eine neue Bürgerrechtsära oder eine neue Menschenrechtsära. Eine
Ära vielleicht, die Schutzräume liefert für Menschen, die die digitalen
Revolution radikal aufklärerisch leben. Doch Edward Snowden sitzt gefangen
im russischen Exil und es wird ein Abend bleiben mit einem leeren Stuhl in
einem Raum in einer Stadt in einem Land, das keinen Platz für Whistleblower
wie ihn hat und auch nicht haben möchte. Da nützen auch die wohlmeinendsten
Lieder nichts.
## „Aus Überzeugung, aber auch aus Dankbarkeit“
„Gute Menschen“, kommentiert ein Journalist den Abend, „haben viele
Lieder.“ Wir werden darauf zurückkommen.
„Der US-Bürger Edward Snowden“, heißt es in der Würdigung der Jury, „h…
mit seinem Whistleblowing Deutschland und den anderen EU-Mitgliedstaaten
einen großen Dienst erwiesen. Deshalb sollten EU-Staaten wie Deutschland
und andere darum wetteifern, ihn aufzunehmen und zu schützen“, so die Jury
weiter. „Aus Überzeugung, aber auch aus Dankbarkeit.“
Das sind Sätze, die vernünftig klingen und verloren. Denn gerade in
Deutschland ist die gesetzliche Lage von Whistleblowern ungeklärt. Noch
immer gibt es kein Gesetz, das solche Informanten schützt, etwa wenn sie
bedenkliche Betriebsinterna oder Staatsgeheimnisse bekanntmachen, die von
öffentlichem Interesse sind. Immer wieder scheiterten Gesetzesvorstöße mit
der gleichen Regelmäßigkeit an Union und FDP, mit der eine gesetzliche
Regelung zur Abgeordnetenbestechung zurückgewiesen wurde.
## „Es braucht ein Zeugenschutzprogramm“
„Um den Schutz von Whistleblowern in Deutschland ist es schlecht bestellt“,
sagt die Vorsitzende von Transparency Deutschland, Edda Müller. Dann
fordert sie die Einrichtung von Untersuchungsausschüssen zum NSA-Skandal,
im Bundestag und im Europäischem Parlament. Später gibt es donnernden
Applaus als jemand fordert: „Es braucht ein Zeugenschutzprogramm für Edward
Snowden.“
Bereits seit 1999 vergibt die Vereinigung deutscher Wissenschaftler
gemeinsam mit der IALANA, der Internationalen Vereinigung von
Rechtsanwälten gegen Atomwaffen, den deutschen Whistleblower-Preis. In
diesem Jahr zum ersten mal gemeinsam mit Transparency Deutschland.
Immer wieder hatte die Jury in der Vergangenheit wichtige Zeichen gesetzt –
oft in Zeiten harter Unterdrückung von Whistleblowern. Auch der erste
Preisträger, Alexander Nikitin, konnte 1999 seinen Preis nicht persönlich
entgegennehmen. Der frühere sowjetische Marinekapitän hatte auf unsichere
russische Atommüllager aufmerksam gemacht – und wurde dafür von der Jury
ausgezeichnet. Das ist nun fast 15 Jahre her. Wichtige Informanten aus dem
In- und Ausland erhielten seither im Zwei-Jahres-Rhythmus die Auszeichnung,
die mit der Verleihung an Snowden auch über die Landesgrenzen hinaus
registriert werden wird.
## Viele lange Lieder
Es ist also gar nicht nötig, dass diese Veranstaltung immer wieder so
ergreifend wirkt wie ein ökumenischer Gottesdienst vor dem Abendmahl. Diese
Aufsteh-Akrobatik, dieses nicht endende Mitmachmusikantentum. Das erste
Lied, extra komponiert sogar, heißt „Edward Snowden“. Das zweite Lied hei�…
„Moskauer Nächte“. Bitte jetzt aufstehen und mitsingen und mitklatschen und
bitte jetzt ein bisschen mit dem Po wackeln.
Danach gibt es noch viele lange Lieder.
Der Preis geht schließlich an ein Pappschild. Es gibt eine würdige Rede und
dann stehen dutzende Menschen auf und klatschen lange für einen leeren
Stuhl. Zu recht.
31 Aug 2013
## LINKS
[1] http://www.whistleblower-net.de/
## AUTOREN
Martin Kaul
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