# taz.de -- Die Energiewende kommt noch: Was der Kohlekumpel wählen sollte | |
> Mit der Wahl am Sonntag entscheidet sich, wem die Stromerzeugung gehören | |
> wird. Wo das Kreuz machen? Eine Übersicht. | |
Bild: Und am Ende der Energiewende ein Topf voll Gold? | |
Dürfte am Sonntag das Volk über die Energiewende abstimmen, es gäbe | |
realsozialistische Werte der Zustimmung. Laut einer im Auftrag des | |
Bundesverbands Erneuerbare Energien durchgeführten Emnid-Umfrage finden 93 | |
Prozent der Deutschen einen stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien | |
wichtig, zwei Drittel sogar außerordentlich wichtig. Wie die Grafiken | |
zeigen, befindet sich das Land damit auch ökonomisch auf dem richtigen Weg: | |
Dass der alte Kohle- und Atomstrom billiger ist, offenbart sich, bei Lichte | |
betrachtet, als falsch. | |
Rhetorisch begrüßen alle Parteien die Energiewende. Aber handeln sie | |
entsprechend? Die taz hat sich in verschiedene Rollen versetzt und zeigt, | |
welche Partei zu wem am besten passt: | |
Als Ökostromproduzent | |
■ Situation: Für alle, die die Energiewende selbst machen wollen, ein paar | |
Zahlen: Energiegenossenschaften schießen in Deutschland wie Windmühlen aus | |
dem Boden, Ende 2012 waren es 754, eine Verzehnfachung binnen einer Dekade. | |
Bei Solarpanelen, Biogasanlagen und Windmühlen an Land bekommen die großen | |
vier Stromkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW bisher kaum einen Fuß auf | |
den Boden. Grundlage ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG. Es | |
verspricht, dass jede Kilowattstunde Strom über 20 Jahre zu einem | |
garantierten Festpreis verkauft werden kann. Nur diese Garantie ermöglicht | |
es Privatleuten oder Genossenschaften ohne große finanziellen Polster, | |
überhaupt in Stromerzeugung zu investieren. Fällt das weg, warnt die | |
Kampagne „Die Wende – Energie in Bürgerhand“, ist es Aus mit dem Traum v… | |
Bürgerstrom. | |
■ Wählen: Das Original, die Grünen, sie wollen das EEG im Kern erhalten. | |
Oder die Linke, sie hat die Idee aufgegriffen. | |
■ Auf keinen Fall: FDP. Fordert bis auf Weiteres einen sofortigen | |
Ausbaustopp für erneuerbare Energien und meint, eine Konkurrenzsituation | |
zwischen einem 100-Milliarden-Konzern und Landwirt Müller mit seiner | |
Biogasanlage sei ein fairer Markt. Vorsicht bei der CDU, die redet nur über | |
Kosten. | |
Als Kohlekumpel | |
■ Situation: Noch werden 40 Prozent des Strombedarfs in Deutschland mit | |
Kohle gedeckt. Große Energiekonzerne sagen, dass sich die bestehenden | |
fossilen Kraftwerke nicht mehr rechnen, neue erst recht nicht. Momentan | |
sind in Deutschland acht Steinkohlekraftwerke im Bau, fünf weitere in | |
Planung. Sie sollen auch alte, ineffiziente Anlagen ersetzen. Braucht man | |
die noch? Ja, sagt die Deutsche Energie Agentur. Die erwartet, dass im Jahr | |
2050 noch 60 Prozent der heutigen fossilen Kraftwerke als Reserve gebraucht | |
werden, darunter auch Gaskraftwerke. | |
■ Wählen: SPD. Die Sozialdemokraten haben sich den Begriff | |
„Brückentechnologie“ von der Union geklaut und bezeichnen damit Kohlestrom. | |
Setzen sich vor allem für Braunkohle ein. Union und FDP geht auch. | |
■ Auf keinen Fall: Grüne, wollen bis 2030 auch aus der Kohle raus. | |
Als Stromkunde | |
■ Situation: Die Strompreise für Privathaushalte sind in den letzten fünf | |
Jahren um 30 Prozent gestiegen. Praktisch alle Parteien versprechen, etwas | |
dagegen zu tun. Woher das Geld stattdessen kommen soll, ist umstritten. | |
■ Wählen: Die SPD setzt (wie übrigens auch FDP und Linke) vor allem auf | |
eine Senkung der Stromsteuer – was den Nachteil hat, dass das Geld dann im | |
Haushalt fehlt. Die Grünen wollen zur Entlastung vor allem die Ausnahmen | |
für die Industrie bei der Ökostromumlage radikal kürzen. Am meisten | |
verspricht die Linke: Sie will sowohl Stromsteuer als auch bei | |
Industrieausnahmen drastisch kürzen. | |
■ Auf keinen Fall: Obwohl CDU-Minister Peter Altmaier den Begriff | |
„Strompreisbremse“ erfunden hat, verspricht seine Partei am wenigsten: Die | |
Stromsteuer soll bleiben, bei den Industrieausnahmen soll nur gering | |
gekürzt werden. Und die geforderten Einschnitte bei neuen Ökostromanlagen | |
bringen den Kunden kaum etwas. | |
Als Atomkraftgegner | |
■ Situation: Bei der Atomkraft, die vor der letzten Bundestagswahl noch | |
eins der wichtigsten Konfliktthemen war, haben sich die Unterschiede | |
inzwischen ziemlich nivelliert. Der stufenweise Ausstieg bis zum Jahr 2022 | |
wurde von Union, SPD, FDP und Grünen im Bundestag gemeinsam beschlossen. | |
Egal ist die Wahlentscheidung bei diesem Thema trotzdem nicht. | |
■ Wählen: Wenn es nach den Parteiprogrammen geht: Die Linke (will AKWs | |
„sofort“ abschalten) oder die Piraten (wollen kompletten Ausstieg innerhalb | |
von drei Jahren). Die Grünen stellen den beschlossenen Zeitplan – zur | |
Enttäuschung der Anti-Atom-Bewegung – hingegen nicht grundsätzlich in | |
Frage, sondern wollen nur versuchen, das Abschalten der AKWs durch erhöhte | |
Sicherheitsanforderungen etwas zu beschleunigen. Dafür haben sie im | |
Gegensatz zu Linken und Piraten zumindest eine kleine Chance auf eine | |
Regierungsbeteiligung. | |
■ Eher nicht: Union und FDP. Sie stehen zwar öffentlich zum beschlossenen | |
Ausstieg, doch in beiden Parteien gibt es einen Flügel, der ihn in Frage | |
stellt. Und in Europa kämpft CDU-Kommissar Günther Oettinger weiter für | |
eine atomare Zukunft. | |
20 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
Malte Kreutzfeldt | |
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