| # taz.de -- Überwachung von Journalisten: Keine Daten, keine Probleme | |
| > Der niedersächsische Verfassungsschutz will die Journalistenüberwachung | |
| > aufklären. Rechtswidrig erhobene Daten würden dann gelöscht werden. | |
| Bild: Fühlen Sie sich etwa überwacht? Macht nichts, die Daten werden gelöscht | |
| BERLIN taz | Der Vorgang klingt zugleich empörend und beruhigend: Der | |
| niedersächsische Verfassungsschutz hat über Jahre hinweg rechtswidrig Akten | |
| über Journalisten geführt und diese auf Nachfrage rasch gelöscht. Immerhin: | |
| Das Amt selbst machte den Vorgang letzte Woche öffentlich und versprach | |
| Aufklärung. Alle personenbezogenen Datensätze – bis zu 9.000 – sollen auf | |
| ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. | |
| Es gibt allerdings einen großen Haken: Geht es nach dem niedersächsischen | |
| Verfassungsschutzgesetz, dann dürfte die vermeintliche Aufklärung nun einen | |
| gegenteiligen Effekt haben – und einen systematischen | |
| Datenvernichtungsprozess in Gang setzen. Denn im Gesetz ist festgehalten, | |
| dass rechtswidrig erhobene Daten umgehend zu löschen sind, sobald sie | |
| auffallen. | |
| Was sich zunächst plausibel anhört, kann aber leicht genutzt werden, um | |
| bespitzelten Personen ihren Rechtsschutz zu entziehen: In der vergangenen | |
| Woche war etwa bekannt geworden, dass illegal erhobene Daten der | |
| Journalistin Andrea Röpke gespeichert worden waren. Auf ihr | |
| Auskunftsersuchen 2012 hin wurden diese Daten gelöscht – anschließend wurde | |
| ihr mitgeteilt, es seien keine Daten über sie gespeichert. | |
| Röpke erstattete nun Anzeige wegen Urkundenvernichtung. Aber, Moment mal: | |
| Handelt es sich eindeutig um eine Straftat – oder hat der vorsorgliche | |
| Löscheifer nicht vielleicht sogar System? Landespolitiker von SPD und | |
| Grünen, die in Niedersachsen die Regierung stellen, kennen das Problem und | |
| wollen daher die rechtliche Grundlage möglichst bald ändern. | |
| ## Gelöschte Daten kann niemand verurteilen | |
| Denn die Löschung nimmt den bespitzelten Personen die Möglichkeit, sich | |
| zumindest im Nachhinein rechtlich zu wehren: Wer etwa einen Vorgang | |
| juristisch prüfen oder für illegal erklären lassen möchte, damit er sich | |
| nicht wiederholt, muss vorher zunächst wissen, ob und wie er überhaupt | |
| betroffen war. So wird es für Röpke nun schwieriger, ihre Überwachung im | |
| Nachhinein für unrechtmäßig erklären zu lassen, weil sie nicht einmal weiß, | |
| was über sie gespeichert wurde. | |
| Statt rechtswidrige Daten flugs zu löschen, hilft es betroffenen Personen | |
| also mehr, die Daten zunächst zu sperren und die Betroffenen über die | |
| rechtswidrige Beobachtung in Kenntnis zu setzen. Dann sind die Daten für | |
| das Amt nicht mehr nutzbar, können aber zur Auskunft der Betroffenen und | |
| zur rechtlichen Klärung genutzt werden. Das wäre in Niedersachsen auch | |
| möglich, denn im Gesetz steht ebenso: „Die Löschung unterbleibt, wenn Grund | |
| zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen von | |
| Betroffenen beeinträchtigt würden.“ | |
| Ein schutzwürdiges Interesse – kann das angesichts der Affäre nicht jeder | |
| Betroffene für sich beanspruchen? Nun: Was ein „Grund zur Annahme“ und was | |
| ein „schutzwürdiges Interesse“ ist, das interpretiert die Behördenleitung | |
| für sich. In Kurzform: Bei der bereits in Gang gesetzten „systematischen | |
| Datenaufarbeitung“ werden allein Journalisten Sonderrechte eingeräumt. | |
| ## Die „große Aufklärung“ | |
| In einer Verfügung, so sagt es ein Sprecher der Verfassungsschutzbehörde | |
| der taz, sei nun festgehalten, dass im Rahmen der Aufarbeitung | |
| grundsätzlich keine Daten von möglicherweise betroffenen Journalisten mehr | |
| vorschnell gelöscht, sondern zunächst nur gesperrt werden. | |
| Die entscheidende Frage aber: Wieso dürfen diesen Luxus nur Journalisten | |
| genießen? Andere Betroffene, die nicht publizieren, erfahren demnach also | |
| auch weiterhin nicht, ob und wie sie rechtswidrig überwacht worden sind. | |
| Stattdessen wird beim umfassenden Systemcheck, der bereits in Gang ist, nun | |
| also eine breit angelegte Bereinigung der Datensätze erfolgen. | |
| Bemerkenswert: Der niedersächsische Datenschutzbeauftragte hat dieses | |
| Vorgehen sogar abgesegnet. | |
| Pikant auch: Weil die Koalitionspolitiker bereits angekündigt haben, den | |
| fraglichen Gesetzespassus zu überarbeiten, kommt für die | |
| Verfassungsschützer die „große Aufklärung“ genau zur richtigen Zeit. Denn | |
| später könnte es wesentlich schwieriger werden, 9.000 Datensätze so elegant | |
| und folgenlos zu überholen. | |
| Aber wer erhält denn dann am Ende Einblick in das ganze Ausmaß der Affäre? | |
| Dass die Öffentlichkeit eine Bilanz der unrechtmäßigen Speicherung | |
| vorgelegt bekommt, will die Behörde bislang zumindest nicht zusagen. | |
| 26 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Kaul | |
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