# taz.de -- Kommentar Linke Wahlentäuschung: Wachsen mit Angela | |
> Nur wer vage bleibt, nur wer vor allem sich selbst als Lösung verkauft, | |
> gewinnt eine Wahl. Angela Merkel ist die Meisterin dieser Disziplin. | |
Bild: Zuviel Inhalt, zuwenig Geschmeidigkeit: Wahlkampf der Grünen. | |
Spätestens seit letztem Sonntag scheint klar zu sein: Nur wer vage bleibt | |
und Probleme bestenfalls andeutet, nur wer vor allem sich selbst als Lösung | |
verkauft, gewinnt eine Wahl. Angela Merkel ist die Meisterin dieser | |
Disziplin. | |
Ohne viel Aufhebens um ihre Person nutzt sie den radikalen Promikult, den | |
fast alle Medien gemeinsam mit ihrem Publikum pflegen, und lanciert die | |
Botschaft: Ich mach das schon. Weil ich ich – und vor allem, weil ich an | |
der Macht bin. Merkels gigantischer Erfolg ist der jüngste Beweis dafür, | |
wie sehr die allgemeine Personenfixiertheit den Konservativen nutzt. | |
Und was bedeutet das jetzt für ein linkes Selbstverständnis oder, altbacken | |
formuliert, was lernen wir aus der Niederlage? Wir lernen, dass es massiv | |
an Selbstvertrauen fehlt. Weshalb die Selbstverliebtheit ausufert. Ein | |
Widerspruch? Eben nicht. | |
Zunächst gilt es, sich einzugestehen, dass die Konservativen die kulturelle | |
Hegemonie zurückerobert haben – und zwar nicht erst seit gestern. Promikult | |
und Themenfeindlichkeit sind Ausdruck davon. Das haben die linken Parteien | |
genauso wie ihre AnhängerInnen peinlich unterschätzt. Hier dachte man | |
gerne, sobald die SPD-Granden der Dämonisierung der Linkspartei müde | |
würden, spiegele sich die mehrheitlich linke Denkhaltung im Land schon auch | |
im Parlament. Falsch. Denn auch im Anti-Unions-Milieu scheut man die | |
Auseinandersetzung mit Sachverhalten. Wie bürokratisch, wie langweilig, wie | |
kompliziert. | |
## Gesteigertes Selbstwertgefühl | |
Die Grünen haben das zu spüren bekommen. Sie haben im Wahlkampf auf Themen | |
gesetzt, auf Steuern, Energiewende, Ernährung. An kam: Die wollen, dass wir | |
mehr Steuern zahlen, der Strom teurer wird und zum Dank dürfen wir kein | |
Fleisch mehr essen. Die Grünen, die Verbotspartei. Nichts davon stimmt. | |
Doch warum reagiert auch die ökologisch trainierte Mittelschicht so | |
allergisch? | |
Weil sie immer alles auf sich bezieht. Weil sie die Vorstellung vom | |
Anderen, vom Gegenüber, von Oben und Unten, kurzum von Macht verloren hat. | |
Stattdessen: Immer bin ich gemeint, immer muss ich zahlen. Das erzeugt | |
natürlich Stress und totale Überforderung. An dieser Stelle muss dann der | |
Wohlfühlpromi ran. | |
In einer narzisstischen Gesellschaft gilt, dass sich alles um mich drehen | |
soll. Selbst in einer anderen Person will ich vor allem mich wieder | |
erkennen – nur eben „in groß“. Daher müssen mächtige Menschen banal se… | |
das ist das Erfolgsgeheimnis der Promis und von Angela Merkel. Gleichzeitig | |
weiß man natürlich, dass eine Kanzlerin mehr Einfluss hat als man selbst. | |
Hey, und unserer Kanzlerin gelingt es, ganz Europa in die Knie zu zwingen! | |
Kann ich mich dennoch in ihr spiegeln, dann steigert das mein | |
Selbstwertgefühl. | |
Aber warum müssen sich so viele mit Hilfe von Promis ihrer selbst | |
versichern? Weil es offenbar zu schwierig ist, sich allein zu verorten. | |
Hier könnte linkes Denken ein Angebot machen. Wer versteht, wie er im | |
eigenen Umfeld funktioniert, sei es im Büro, im Verein, in der Kommune, der | |
kann sich mit Fragen der Steuerpolitik beschäftigen, die über sein | |
individuelles Interesse hinausweisen. Der kann sich in einem größeren | |
Ganzen situieren, ohne sich zu verlieren, ohne sich bevormundet zu fühlen. | |
Der muss nicht auf seine deutsche Identität pochen, wenn von Europa die | |
Rede ist. | |
Die Entpersonalisierung von Politik, sie steht an. Nächstes Jahr wird das | |
Europaparlament gewählt. Dann ist Orientierung nicht mehr über Köpfe zu | |
gewinnen, sondern über Inhalte. Diesen Kulturbruch, weg vom bekannten | |
Gesicht, hin zum Thema und zur Zielsetzung, das ist die Chance für linkes | |
Denken, es ist der Umweg, der sie wieder ins Spiel bringen kann. Die | |
deutsche Mitte halten ja vorerst die Konservativen besetzt. Anstatt | |
vergebens in sie drängeln zu wollen, sollten die Linken sich ab sofort mit | |
Europa beschäftigen und eine Erzählung erarbeiten, die den Einzelnen mit | |
dem Größeren in Verbindung bringt, ohne ihn total zu überfordern. | |
27 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Ines Kappert | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Grüne | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
SPD | |
CDU/CSU | |
Realos | |
Wahl 2013 - Meinung | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Trittin | |
SPD | |
SPD | |
Grüne | |
Interview | |
Grüne | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kontroverse beim Grünen-Länderrat: Kursfahrt ins Ungefähre | |
Kretschmann suchte die Wahlkampffehler beim linken Flügel. Aber auch die | |
Realos sprachen nicht einstimmig, wie das Rededuell zwischen Andrae und | |
Göring-Eckardt zeigte. | |
Essay zur Großen Koalition: Der Schlaf der Demokratie? | |
Eine Große Koalition kann erfahrungsgemäß ganz agil sein – wenn die | |
Opposition ihre Chancen ergreift. Die Not- sollte aber keine Dauerlösung | |
werden. | |
Der sonntaz-Streit: „Wir werden die FDP vermissen“ | |
„Satire ohne FDP ist wie Brüderle ohne Riesling“: Wie Satiriker die | |
unterschiedlichen Ergebnisse der Bundestagswahl beurteilen. | |
Kolumne Die eine Frage: Wird Jürgen Trittin Vizekanzler? | |
Wahldesaster hin oder her: Falls es zu einer Schwarz-Grünen Koalition | |
kommt, wird Jürgen Trittin Minister im Kabinett Merkel. | |
SPD-Parteikonvent hat entschieden: Sozis werden mit Union verhandeln | |
Steinbrück ist Geschichte und Gespräche mit der CDU sind die Zukunft. So | |
will es die SPD. Ein Koalitionsvertrag soll von der Basis abgesegnet | |
werden. Seehofer findet das blöd. | |
SPD-Chef Gabriel für Basisvotum: Mitglieder sollen entscheiden | |
Die SPD will den Preis für Schwarz-Rot hochtreiben – und wird daher die | |
Basis über einen Koalitionsvertrag abstimmen lassen. Das ist riskant. | |
Kommentar Grüne Wahlkampffehler: Das Richtige falsch verkauft | |
Die Grünen traten mit dem ehrlichsten Programm an und wurden bestraft. Ihr | |
Problem: Sie hatten keine schlüssige Erzählung für das breite Publikum. | |
Ökonom über Koalitionsverhandlungen: „Merkel hat links überholt“ | |
Der Wirtschaftsflügel der CDU ist jetzt gefordert, damit die neue | |
Regierungskoalition nicht zu weit nach links abdriftet, meint Ökonom Thomas | |
Straubhaar. | |
Kommentar Konservative Grüne: Schluss mit der Weichspüler-Partei | |
Der grüne Schwenk zum Konservatismus ist Betrug am Wähler. Es sollte weiter | |
um Inhalte gehen und nicht nur ums Gewinnen. |