Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ökonom über Koalitionsverhandlungen: „Merkel hat links überhol…
> Der Wirtschaftsflügel der CDU ist jetzt gefordert, damit die neue
> Regierungskoalition nicht zu weit nach links abdriftet, meint Ökonom
> Thomas Straubhaar.
Bild: Stimmt zumindest auf Plakaten: Merkel links von Steinbrück.
taz: Herr Straubhaar, erwarten Sie, dass die neue Bundesregierung eine
Große Koalition wird?
Thomas Straubhaar: Ja. Das entspricht auch dem Wunsch eines großen Teils
der Bevölkerung.
Angela Merkel muss auf jeden Fall mit einem linken Koalitionspartner
vorlieb nehmen. Werden sich dadurch die wirtschaftspolitischen Koordinaten
nach links verschieben?
Das vermute ich stark. Frau Merkel ist schon während der schwarz-gelben
Koalition von wirtschaftsnahen Positionen nach links abgerückt. Sie hat
aktiv und bewusst Positionen aufgenommen, die der Linken ganz wichtig sind.
Das ist eine der Gründe, warum sie so massiv im Wahlergebnis zugelegt hat.
Für Sozialdemokraten, aber auch Grüne ist es darum extrem schwer geworden,
dagegen zu halten. Merkel hat die Linken quasi links überholt: Klimawende,
Atomausstieg, Abschaffung der Wehrpflicht, Eurorettung, Lohnuntergrenzen,
Kindergarten-Ausbau.
Und der Wirtschaftsflügel in der CDU wird heimatlos.
Der Wirtschaftsflügel der CDU ist jetzt stärker denn je gefordert. Er wird
die Position der Liberalen und der FDP in die neue Koalition als
Gegengewicht einbringen müssen.
Also werden auch marktradikale Unternehmer und Manager, die bislang in der
FDP heimisch waren, den Wirtschaftsflügel der Union stärken?
Ja, damit das Koalitions-Pendel nicht zu stark nach links ausschlägt.
Im Forderungskatalog der Unternehmerverbände stehen drei Kernthemen: eine
Reform der Energiewende, der Anschub einer Investitionsoffensive sowie die
Vertiefung der Währungsunion.
Die Punkte zwei und drei scheinen in einer Großen Koalition schnell
mehrheitsfähig. Bei Infrastruktur und Bildung passt kaum ein Blatt Papier
zwischen die Beiden. Auch bei der Energiewende würden dank der leichteren
Zustimmung des Bundesrates die heutigen Mängel schnell korrigiert werden
können. Strittig ist nur das Ausmaß und wieweit Private beteiligt werden.
Dass ist auch eine Chance der Großen Koalition, dass in den Punkten
Infrastruktur und Bildung relativ viel passieren kann. Das gilt auch für
die Währungsunion. Eine Vertiefung ist nur mit einem größeren Engagement
Deutschlands möglich.
Erwarten Sie ein Ende des rigiden Merkel-Kurses in Europa?
Ich selber hoffe, dass Frau Merkel die verständliche und teilweise
berechtigte Kritik der „Alternative für Deutschland“ aufgreift, und einen
Konvent für Europa einberuft. Eine breite öffentliche Diskussion. Es muss
vor allem um eine Strategie für Europa im nächsten Jahrzehnt gehen. Und wir
Deutsche müssen uns fragen, sind wir bereit, die zusätzlichen Kosten zu
schultern, damit wir weiterhin einen Europäischen Binnenmarkt haben,
weiterhin die Vorteile des Euro nutzen können. Dazu müssten wir auch
potentielle Absatzmärkte stärken. Daraus leitet sich einen Strategie ab,
die eine Wachstumsperspektive ebenso wie eine Reformpolitik bietet.
Da kommen wir an Steuererhöhungen nicht vorbei.
Geld ist mehr als genug dar – die Staatseinnahmen sind auf Rekordhöhe. Es
geht darum, Prioritäten zu setzen, vor allem in Bildung. Ein Faktor, der
auch zu mehr Gerechtigkeit führen kann, zu Aufstiegsmöglichkeiten für
schwächere Bevölkerungskreise. Und in Infrastruktur - als Grundlage für
wirtschaftliches Wachstum. Wenn beides gut gemacht wird, wird sich auch die
Beschäftigung weiter gut entwickeln. Was automatisch dem Staat
Sozialausgaben einsparen hilft und Steuereinnahmen erhöht.
Das wird nicht reichen, um die soziale Spaltung aufzuheben. In der
Wirtschaft werden Stimmen laut, die vor einer Aushöhlung der Agenda 2010
warnen.
Das würde ich auch für einen großen Fehler halten. Kaum jemand will
ernsthaft in die Zeit vor 2005 zurück. Die letzten Jahre haben gezeigt,
dass die Spaltung der Gesellschaft am besten überwunden werden kann, wenn
möglichst viele Menschen große Chancen haben, durch ihre eigene Arbeit vom
Aufschwung zu partizipieren. Für die mit Abstand meisten Menschen ist ihre
Arbeit das größte Vermögen, welches sie haben.
Aber man muss davon auch ordentlich leben können.
Gerechtigkeit, Verteilungsfragen - die ich ebenfalls für unverzichtbar
halte - sollen durch direkte Transferzahlungen des Staates gelöst werden.
Etwa durch Grundsicherung und Kombilohnmodelle. Die neue Regierung sollte
nicht den Arbeitsmarkt als Vehikel für ihre Sozialpolitik missbrauchen.
Sie wünschen sich also keine Programme der neuen Regierung, um den
Binnenmarkt zu stützen?
In den Zahlen sehen wir, dass die lange, lange Zeit geübte Zurückhaltung
beim Konsum zuende ist, weil die frei verfügbaren Einkommen einer großen
Zahl der Haushalte zu steigen beginnen. Daran sollte man jede Regierung
messen, dass sie dies nicht abwürgt.
26 Sep 2013
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
## TAGS
Interview
CDU
Schwerpunkt Angela Merkel
Mutti
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Steuererhöhung
FDP
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Grüne
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wahlergebnis als Selbstentmachtung: Demokratie ist kein zu weites Feld
Hinter der Fassade einer boomenden Wirtschaft erodiert die politische
Kultur dieses Landes. Deswegen müssen die Bürger mehr Konflikte wagen.
Essay zur Großen Koalition: Der Schlaf der Demokratie?
Eine Große Koalition kann erfahrungsgemäß ganz agil sein – wenn die
Opposition ihre Chancen ergreift. Die Not- sollte aber keine Dauerlösung
werden.
Kommentar Linke Wahlentäuschung: Wachsen mit Angela
Nur wer vage bleibt, nur wer vor allem sich selbst als Lösung verkauft,
gewinnt eine Wahl. Angela Merkel ist die Meisterin dieser Disziplin.
Koalitionssuche nach Bundestagswahl: Union lässt Lockmittel stecken
Die SPD ist für eine große Koalition nicht leicht zu haben.
Steuererhöhungen könnten sie weichklopfen. Genau die will aber der
CDU-Wirtschaftsflügel auf keinen Fall zulassen.
Essay Liberalismus in Deutschland: Die wandelbare Idee der Freiheit
Die FDP war schon vieles: Umfallerpartei, Königsmacherin,
Bürgerrechtspartei. Jetzt muss sie sich neu erfinden und hat Luft für die
Frage: Was ist Freiheit?
Koalitionssuche nach Bundestagswahl: Das Pokern geht weiter
SPD und Grüne fehlt noch der Mut, in eine Regierung mit Kanzlerin Merkel zu
gehen. Jetzt empfehlen die rot-grünen Wunschpartner sich gegenseitig als
Koalitionsoption.
Grüne Personalpolitik: Die neuen Hoffnungsträger
Die alte Generation der Partei tritt ab. Welche Frauen und Männer sie
beerben könnten, wer bleiben will – und wer schon abwinkt: Wir stellen sie
vor.
Wahl: CDU will mit Grünen punkten
Kai Wegner, Berliner CDU-Generalsekretär, sieht im Bund „große Chancen“ m…
den Grünen. Von denen im Land kommt ein klares „Nein“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.