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# taz.de -- Koalitionssuche nach Bundestagswahl: Union lässt Lockmittel stecken
> Die SPD ist für eine große Koalition nicht leicht zu haben.
> Steuererhöhungen könnten sie weichklopfen. Genau die will aber der
> CDU-Wirtschaftsflügel auf keinen Fall zulassen.
Bild: Generalsekretär Hermann Gröhe flüstert es seiner Chefin lieblich ins O…
BERLIN/HANNOVER afp/dpa/rtr | Die SPD bereitet sich auf erste Gespräche zu
einer möglichen Koalition vor, das sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß am
Donnerstag dem RBB-Sender Radio Eins. Die Partei hat erste Bedingungen für
das Zusammengehen mit der Union formuliert – unter anderem die Anhebung des
Spitzensteuersatzes.
Doch Unionspolitiker dementierten mit großer Vehemenz, dass
Steuererhöhungen zum Gegenstand von Verhandlungen mit den Sozialdemokraten
oder den Grünen werden könnten. Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte noch
am Mittwoch signalisiert, dass mit den anderen Parteien über einen solchen
Schritt geredet werden könnte.
Währenddessen bereiten FDP-Spitzenleute wie Generalsekretär Patrick Döring
ihren Abschied aus der Politik vor. Der engste Vertraute des scheidenden
Parteivorsitzenden Philipp Rösler wird in die Versicherungswirtschaft
zurückkehren.
## 150 Jahre staatspolitische Verantwortung
Ungeachtet des SPD-Parteikonvents am Freitag rechnet SPD-Fraktionsvize
Joachim Poß mit ersten Gesprächen zu einer möglichen großen Koalition nach
dem Wochenende. „Natürlich wird es erste Kontaktgespräche Anfang nächster
Woche geben“, sagte dem RBB-Sender Radio Eins. „Das ist doch ganz
selbstverständlich.“
Es werde darum gehen, sich in Gesprächen „auch über Prioritäten zu
unterhalten“, sagte Poß. „Aber wir sind da nicht am Zuge.“ Es sei
keineswegs der Fall, dass die SPD jetzt liefern müsse. „Es muss die
Kanzlerin liefern.“
Zurückhaltend äußerte sich Poß über einen Mitgliederentscheid zu möglichen
Koalitionen. Natürlich ist auch dies eine Möglichkeit. „Aber wir sind noch
lange nicht so weit, um hier Schlussfolgerungen zu ziehen.“ Ein
Mitgliederentscheid könne auch nicht die inhaltliche Diskussion ersetzen.
Poß sagte, Kanzlerin Merkel (CDU) sei nicht auf die SPD angewiesen. Es
solle niemand auf die Idee kommen, die SPD an ihre staatspolitische
Verantwortung zu erinnern. „Die haben wir 150 Jahre lang gezeigt“, sagte
Poß. „Jetzt sind mit der staatspolitischen Verantwortung andere dran.“ Im
neuen Bundestag stellen CDU und CSU 311 Parlamentarier, SPD, Linke und
Grüne zusammen 319. Damit fehlen der Union nur fünf Stimmen zur absoluten
Mehrheit.
Die SPD will auf dem Parteikonvent am Freitag in Berlin über die mögliche
Bildung einer großen Koalition beraten. Inwieweit dabei schon konkrete
Entscheidungen getroffen werden, ist aber noch offen.
## Kahrs: Verhandlungen auf Augenhöhe
Schon werden in der SPD erste Bedingungen für die Bildung einer
schwarz-roten Bundesregierung formuliert. „Eine große Koalition müsste auch
Großes leisten, sonst hat sie keine Rechtfertigung“, sagte der
baden-württembergische Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD) in
Stuttgart. Kommunen und Länder müssten mehr Einnahmen bekommen – der Punkt
sei nicht verhandelbar. Zudem kämpfe die SPD für eine Bürgerversicherung,
die Energiewende und eine Neuausrichtung der Europapolitik.
„Wir werden uns Gesprächen mit der CDU nicht verweigern. Aber es gibt
keinen Automatismus hin zu einer großen Koalition. Wir müssen das Maximum
auf den Tisch legen, Mindestlohn und Abschaffung Betreuungsgeld reichen da
nicht“, sagte Friedrich. In der SPD gibt es erhebliche Vorbehalte gegen
eine große Koalition.
Der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, verlangte im Fall eines
schwarz-roten Bündnisses die Hälfte der Ministerposten für die SPD. „Wir
wollen keine große Koalition. Wir empfehlen die Grünen als
Koalitionspartner“, sagte Kahrs der Passauer Neuen Presse. „Wenn die Union
dennoch mit uns etwas anfangen möchte, muss sie zur Kenntnis nehmen: Es
geht nur mit Verhandlungen auf Augenhöhe.“
SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil sagte dagegen der Neuen Osnabrücker
Zeitung: „Der SPD geht es um inhaltliche Überzeugungen und nicht in erster
Linie um Ministersessel.“
Als zentrale Forderungen nannte Kahrs die Einführung eines Mindestlohns,
Maßnahmen gegen Missbrauch bei Leih- und Zeitarbeit, die Gleichstellung
Homosexueller, eine Mietpreisbremse, die doppelte Staatsbürgerschaft und
eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes.
## CDU-Spitze rudert zurück
Derweil versucht die CDU-Spitze jedoch, die parteiinterne Debatte über
mögliche Steuererhöhungen wieder zu beenden. CDU-Generalsekretär Hermann
Gröhe dementierte Medienberichte, dass er sich für Steuererhöhungen
ausgesprochen habe. „Die Berichterstattung ist falsch. Es gilt
uneingeschränkt unser Wahlprogramm: Steuererhöhungen lehnen wir ab“, sagte
Gröhe am Donnerstag. „Das sehr gute Wahlergebnis gibt uns ein starkes
Mandat, für diese Position zu kämpfen.“
Die Debatte war bereits am Mittwoch ausgebrochen, weil Finanzminister
Wolfgang Schäuble Steuererhöhungen nicht ausgeschlossen und der
nordrhein-westfälische Parteivize Armin Laschet von „nötigen Kompromissen
in allen Bereichen“ gesprochen hatte.
Die Bild-Zeitung hatte zudem gemeldet, Gröhe habe Unionspolitiker bereits
darauf eingestimmt, dass bei Koalitionsverhandlungen mit der SPD eine
Anhebung des Spitzensteuersatzes im Gegenzug für Reformen bei der Kalten
Progression erwogen werden könne. Unterstützung kam nicht nur von dem
CDU-Haushälter Norbert Barthle, sondern auch von dem Bundestagsabgeordneten
Matthias Middelberg. „Der Spitzensteuersatz ist kein Tabu, wenn wir am Ende
mehr Gerechtigkeit und Vereinfachung erreichen“, sagte er. SPD und Grüne
hatten im Wahlkampf Steuererhöhungen gefordert. Die Union hatte sie
abgelehnt.
## CDU-Wirtschaftsflügel macht mobil
Allerdings stieß genau dieses angedeutete Zugehen auf SPD und Grüne am
Donnerstag auf eine breite Ablehnung in der CDU: „Angesichts des
diesjährigen Rekordsteueraufkommens in Deutschland von knapp 700 Milliarden
Euro gibt es aus Sicht der Union keine Notwendigkeit für irgendwelche
Steuererhöhungen“, betonte der Parlamentarische Geschäftsführer der
Unions-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer.
Die Partei-Vizechefin Klöckner twitterte: „Wähler haben die Union nicht
umsonst mit über 40 Prozent ausgestattet.“ Der baden-württembergische
Landesvorsitzende Strobl sagte im Deutschlandfunk, seine Partei werde sich
gegen entsprechende Forderungen von SPD und Grünen wehren.
Besonders heftig war die Reaktion auf dem Wirtschaftsflügel der CDU.
Spitzenvertreter wie der stellvertretende Fraktionsvize Michael Fuchs, der
Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand (PKM), Christian von Stetten,
und der wirtschaftspolitische Sprecher Joachim Pfeiffer hatten
Steuererhöhungen bereits am Mittwoch zurückgewiesen.
Am Donnerstag warnte von Stetten vor einem Glaubwürdigkeitsverlust der
Union. „Wir haben im Wahlkampf Steuererhöhungen abgelehnt. Was wir im
Wahlkampf gesagt haben, gilt auch nach der Wahl“, betonte er am Donnerstag.
„Der Parlamentskreis Mittelstand wird in Koalitionsverhandlungen alles
daran setzen, Steuererhöhungen zu verhindern“, kündigte er an. Dem PKM
gehören rund 170 der 311 Mitglieder der neuen CDU/CSU-Fraktion an.
## Döring hat Lindner Rücktritt angeboten
FDP-Generalsekretär Patrick Döring hat seinen Rückzug aus der Bundespolitik
angekündigt und sein Amt zur Verfügung gestellt. Döring bezeichnete das
Wahldebakel der Liberalen im Gespräch mit der „Hannoverschen Allgemeinen
Zeitung“ als tiefe Zäsur: „Es tut weh, dass ich meiner Verantwortung an
dieser herausgehobenen Position nicht gerecht werden konnte. Niemand könnte
verstehen, wenn ich jetzt einfach weitermachen würde.“
Er habe dem wahrscheinlichen neuen Parteivorsitzenden Christian Lindner
seinen Rücktritt angeboten, und der habe zu erkennen gegeben, dass er einen
neuen Generalsekretär berufen wolle, sagte Döring. So lange wolle er im Amt
bleiben. Der 40-jährige Niedersachse galt in der FDP-Führung als engster
Vertrauter von Philipp Rösler, der am Montag nach dem Rauswurf der
Liberalen aus dem Bundestag mit der gesamten Parteispitze zurückgetreten
war.
In einer E-Mail an Parteifreunde erklärte Döring dem Bericht zufolge, dass
er zu seiner Arbeit in einer hannoverschen Versicherung zurückkehren werde.
„Dass ich selbst jetzt die Möglichkeit habe, nach Rücksprache mit meinen
Mitaktionären und Aufsichtsräten wieder voll in die Verantwortung für ein
mittelständisches Versicherungsunternehmen mit mehr als 350 Beschäftigten
treten zu können, ist eine Perspektive, die ich vielen Kolleginnen und
Kollegen wünschen würde und macht vieles leichter“, zitiert das Blatt aus
dem Schreiben.
Rösler hatte Döring im Dezember 2011 zum Generalsekretär berufen, nachdem
Lindner überraschend von dem Posten zurückgetreten war. Offiziell gewählt
wurde er auf einem Parteitag im April 2012. Als Parteimanager war er auch
für die umstrittene Zweitstimmenkampagne der FDP verantwortlich, an deren
Ende der Rauswurf der FDP aus dem Bundestag stand.
26 Sep 2013
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