# taz.de -- SPD-Parteikonvent hat entschieden: Sozis werden mit Union verhandeln | |
> Steinbrück ist Geschichte und Gespräche mit der CDU sind die Zukunft. So | |
> will es die SPD. Ein Koalitionsvertrag soll von der Basis abgesegnet | |
> werden. Seehofer findet das blöd. | |
Bild: Parteichef nimmt die Genossen mit zu Verhandlungen mit der Union – aber… | |
BERLIN dpa/afp/rtr | Die SPD hat den Weg für Sondierungsgespräche mit der | |
Union über eine große Koalition freigemacht. Ein Parteikonvent billigte am | |
Freitagabend mit großer Mehrheit einen Verfahrensvorschlag des Vorstands, | |
der auch eine Entscheidung der 470.000 Mitglieder über einen möglichen | |
Koalitionsvertrag vorsieht. „Wir gehen selbstbewusst in die Gespräche“, | |
sagte Parteichef Sigmar Gabriel. Der unterlegene Kanzlerkandidat Peer | |
Steinbrück verkündete als Konsequenz aus dem Wahlergebnis seinen Rückzug | |
aus der ersten Reihe der Politik. | |
Von den 200 Delegierten stimmten nur fünf gegen Sondierungsgespräche, drei | |
enthielten sich. Teilnehmer sprachen von einer konstruktiven und sachlichen | |
Diskussion. Gabriel sagte, Ziel der Gespräche mit der Union sei ein | |
Politikwechsel. „Wir haben auch keine Angst vor Neuwahlen, wenn solche | |
Verhandlungen scheitern.“ Die Sondierungsgespräche sollen nun in der | |
kommenden Woche beginnen, an welchem Tag steht aber noch nicht fest. | |
Nach den Sondierungsgesprächen soll ein weiterer SPD-Konvent über die | |
Aufnahme von formellen Koalitionsverhandlungen entscheiden. Bei Abschluss | |
eines Koalitionsvertrags haben das letzte Wort die Mitglieder – ein Novum | |
in der SPD-Geschichte. Möglich wäre gemäß Satzung eine Abstimmung an einem | |
bestimmten Tag in den Ortsvereinen. Das Ergebnis soll politisch bindend | |
sein. Gabriel betonte, die genaue Ausgestaltung sei noch unklar. | |
Bei den Sondierungsgesprächen sollen Kompromisslinien ausgelotet werden. | |
Die SPD pocht etwa auf einen Mindestlohn, eine Mietenbremse, eine | |
Rentenreform und höhere Steuern für Wohlhabende, um mehr Geld für Kommunen, | |
Bildung und Infrastruktur zu haben. | |
Für die Sondierungskommission sind SPD-Chef Gabriel, Fraktionschef | |
Frank-Walter Steinmeier, der unterlegene Kanzlerkandidat Steinbrück, | |
Generalsekretärin Andrea Nahles, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin | |
Hannelore Kraft und Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz gesetzt. | |
## „Pickel im Gesicht“ | |
Steinbrück kündigte nach Teilnehmerangaben an, kein Amt in Partei oder | |
Bundestagsfraktion mehr übernehmen zu wollen. „Meine Karriere wird ein | |
geordnetes Ende finden“, wurde der 66-Jährige zitiert. Sein | |
Bundestagsmandat will er behalten. Die Delegierten applaudierten ihm | |
stehend. Immer wieder hatte er sich zuletzt für den Rückhalt der Partei im | |
Wahlkampf bedankt. Die SPD war am vergangenen Sonntag auf 25,7 Prozent | |
gekommen. Steinbrück verfehlte damit sein Wahlziel einer rot-grünen | |
Mehrheit. | |
SPD-Chef Gabriel hatte wegen der drohenden Zerreißprobe den Vorschlag | |
aufgegriffen, erstmals in der Parteigeschichte alle Mitglieder über den | |
Eintritt in eine große Koalition mitentscheiden lassen. Dies soll möglichst | |
vor dem Bundesparteitag am 14. November in Leipzig abgeschlossen sein. | |
Lehnt die Basis am Ende einen möglichen Koalitionsvertrag ab, dürfte die | |
SPD-Spitze um Gabriel kaum zu halten sein – die Partei müsste sich dann | |
völlig neu aufstellen. | |
Zugleich wurde aber auch auf die enorm beruhigende Wirkung eines positiven | |
Entscheids verwiesen – und auf die Aussicht von mehr Zugeständnissen der | |
Union in Anbetracht des SPD-Basisvotums. „Wir müssen das allergrößte | |
Interesse darauf richten, dass die Partei am Ende dieses überaus | |
schwierigen Willensbildungsprozesses geschlossen ist“, sagte Niedersachsens | |
Ministerpräsident Stephan Weil. | |
Viele SPD-Politiker sehen ein Bündnis mit der Union, der nur fünf Mandate | |
zur absoluten Mehrheit fehlen, skeptisch. „Uns geht es um die Sache, nicht | |
um Ministerposten“, betonte Vorstandsmitglied Hubertus Heil am Rande des | |
Konvents. Fraktionsvize Elke Ferner sagte: “Von uns kriegt eigentlich jeder | |
Pickel im Gesicht, wenn er daran denkt.“ Besonders NRW-Ministerpräsidentin | |
Kraft sieht ein solches Bündnis skeptisch. Es gibt Sorge um einen Erfolg | |
der SPD bei Kommunalwahlen in zehn Ländern am 25. Mai. | |
Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich hingegen eine große Koalition. 58 | |
Prozent befürworteten dies in einer Umfrage für das ZDF-"Politbarometer". | |
## Linkspartei-Chef kritisiert SPD-Entscheidung | |
Kritik am Ergebnis des SPD-Parteikonvents kam sowohl von linker wie von | |
konservativer Seite: Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, hat | |
die Entscheidung zur Aufnahme von Sondierungsgesprächen nur mit der CDU/CSU | |
scharf kritisiert. „Es wäre ein großer Fehler, wenn sich die SPD nur auf | |
Sondierungen mit der Union beschränken würde“, sagte Riexinger gegenüber | |
Handelsblatt Online. „Die Führung hat die Basis überrumpelt. Ein | |
Mitgliederentscheid ohne Alternativen ist eine Farce.“ | |
Indirekt bot Riexinger der SPD an, bei einer Kanzlerwahl im Bundestag einen | |
sozialdemokratischen Kandidaten zu unterstützen. Der Rückzug des bisherigen | |
SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück würde „vieles einfacher“ machen. �… | |
hätten wir niemals zum Kanzler gewählt“, sagte der Linksparteichef. Es gebe | |
„überhaupt keinen Grund“, Angela Merkel die Kanzlerschaft zu schenken, | |
fügte er hinzu. Denn mit der Union an der Macht bleibe der nötige | |
Politikwechsel aus. | |
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat die SPD davor gewarnt, die sich | |
anbahnenden Koalitionsverhandlungen mit der Union aus parteitaktischen | |
Gründen scheitern zu lassen. Die Bürger hätten bei der Bundestagswahl klar | |
zum Ausdruck gebracht, dass sie eine stabile Regierung unter Führung von | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel wünschten, sagte der bayerische | |
Ministerpräsident der Zeitung Bild am Sonntag. „Diesen Auftrag mit Tricks | |
und unter Vorwänden zu torpedieren, würde der ganzen Politik schweren | |
Schaden zufügen, vor allem aber der SPD selbst.“ | |
Seehofer kritisierte die Absicht der SPD, ihre Mitglieder nach Abschluss | |
einer Koalitionsvereinbarung zu befragen. „Die Vorsitzenden der beteiligten | |
Parteien haben alle ein Mandat und die Verantwortung, für stabile | |
Verhältnisse zu sorgen.“ Lobende Worte fand Seehofer für SPD-Chef Sigmar | |
Gabriel. Dieser sei ein seriöser und inhaltlich kompetenter | |
Gesprächspartner. | |
28 Sep 2013 | |
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