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# taz.de -- Intrigantenstadl in Kiel: Geld, Verrat und Intrige
> Susanne Gaschke, Kieler Oberbürgermeisterin, erließ einem Arzt Millionen
> Steuerschulden. Die SPD-Politikerin wittert Intrigen der eigenen
> Parteifreunde.
Bild: Susanne Gaschke fühlt sich als Opfer von Intrigen.
KIEL taz | Mit zitternder Stimme, immer kurz vor den Tränen, sprach Susanne
Gaschke Mitte August vor der Kieler Ratsversammlung. Bitter klagte die
Oberbürgermeisterin der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt über die
Angriffe auf sie, die „an Schäbigkeit nicht zu überbieten“ seien, über
einen Politikstil, den „alle normalen Menschen abgrundtief verabscheuen“.
Der Streit, der die Gemüter im ehrwürdiger Rathaus erhitzte, begann mit dem
Kieler Augenarzt Detlef Uthoff, der mit Immobiliengeschäften Millionen
umsetzte. Die dafür fälligen Steuern hat er nicht bezahlt. Seit Jahren
streitet die Stadtverwaltung um die Summe, die sich mit Zulagen und Strafen
auf über sieben Millionen Euro beläuft.
Susanne Gaschke, gelernte Journalistin und erst seit vergangenem Dezember
Verwaltungschefin, entschied im Sommer kurzerhand und ohne Zustimmung des
Rats, dem säumigen Mediziner 3,7 Millionen zu erlassen, wenn er die
restlichen 4,1 Millionen Euro zahlt.
Doch um die Sache gehe es nicht mehr, rief die Bürgermeisterin der
CDU-Opposition entgegen, „sondern nur darum, mich persönlich zu treffen,
und das enttäuscht mich furchtbar“. Sogar den Vater eines CDU-Abgeordneten
rief sie als unsichtbaren Zeugen: Ob dem wohl gefallen könne, wie der Sohn
mit ihr umspringe?
## Parteiinternes Krisengespräch
In den folgenden sechs Wochen geriet die SPD-Politikerin, die mit so hohen
moralischen Ansprüchen angetreten war, immer tiefer in eine politische
Schlammschlacht. Und der Feind sind nicht mehr die Mitglieder der
Opposition, sondern die eigenen Parteifreunde.
Ein parteiinternes Krisengespräch am Montag – bei dem Gaschke selbst fehlte
– entschärfte die Lage ein wenig: Gaschke zog ihre Vorwürfe gegen
Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) zurück. SPD-Landeschef Ralf Stegner
erklärte, die Beteiligten strebten an, „die Auseinandersetzungen so weit
möglich zu beenden und darauf bezogene Missverständnisse als gegenstandslos
zu erklären“.
Die Bundesanwaltschaft hatte gegen Gaschke und ihren Mann, den
sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels, ermittelt,
da sie Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner (SPD)
„rechtswidrig durch Drohung genötigt“ hätten, wie es im Juristendeutsch
heißt.
Doch am Dienstag erließ das Landgericht Hamburg eine einstweilige
Verfügung, die es Breitner verbietet zu behaupten, Bartels habe ihm
gedroht. Um dem vermeintlichen Erpressungsversuch zuvorzukommen, hatte
Ministerpräsident Torsten Albig private SMS-Nachrichten veröffentlicht.
Denn als der Druck auf Gaschke zu steigen begann, hatte sie versucht, ihrem
Amtsvorgänger Albig eine Mitschuld an dem Fall zu geben – zur Freude der
Opposition in Stadt und Land und zum ebenso großen Entsetzen der SPD und
ihrer Koalitionspartner, die zuletzt nur noch hofften, Gaschke würde die
politischen Konsequenzen ziehen.
## Von Rücktritt ist nicht die Rede
Am Montag erklärte sie immerhin, sie trage allein die Verantwortung für den
Deal mit dem säumigen Steuerzahler. Von Rücktritt war erneut nicht die Rede
– über ein Abwahlverfahren wird die Kieler Ratsversammlung entscheiden.
Gaschke hat sich bis auf Weiteres krank gemeldet.
So hatte sich die 46-jährige Kielerin den Job im Rathaus sicher nicht
vorgestellt, als sie noch in der Redaktion der Zeit über Politik schrieb.
Eigentlich sollte sie wissen, wie das Spiel läuft. Aber in den vergangenen
Wochen beschuldigte Gaschke nicht nur Politiker, sei es von der CDU oder
der SPD, „Kampagnen“ gegen sie zu fahren, sondern sah sich auch als Opfer
der Medien. Vor allem von den Kieler Nachrichten, in deren Redaktion sie
nach ihrem Studium das journalistische Handwerk lernte, fühlt sie sich
schlecht behandelt.
Dabei steht die Bewertung noch aus, ob sie in der Sache richtig entschieden
hatte, als sie Detlef Uthoff, Leiter einer Privatklinik, Hobbymusiker und
Immobilienbesitzer, einen Teil seiner Steuerschuld erließ: Die
Kommunalaufsicht des Landes stellte bisher nur fest, dass Gaschke formal
falsch handelte, als sie ohne Ratsbeschluss entschied. Die Prüfung der
Sache läuft noch.
Dass der Fall schwierig ist, erkannte bereits Torsten Albig, der sich als
Kieler Oberbürgermeister im Jahr 2011 mit der Frage beschäftigen musste. Er
hatte der Kämmerei damals gesagt, sie sollten versuchen, ein Ergebnis von
„50 plus, also zwischen 50 und 100 Prozent“, für den Fiskus herauszuholen.
## Auf dem ganzen Minus sitzengeblieben
Diese Zielmarke hat Gaschke erreicht und argumentiert, die Sache eile,
Uthoff drohe die Insolvenz, die Stadt könnte auf dem ganzen Minus
sitzenbleiben. Das bezweifelte der CDU-Ratsherr Stefan Kruber: „Wenn einer
sagt, er könne nicht zahlen, muss man fragen: Ist das Portemonnaie wirklich
leer?“ Dies sei aber nicht geprüft worden. Inzwischen weisen
Medienrecherchen darauf hin, dass Uthoff sich künstlich arm gerechnet haben
könnte, indem er Unternehmensteile an seine Frau abtrat. Auch die Schulden
soll er vor allem bei Familienmitgliedern haben.
Gaschke versuchte, den Fall unter Verweis auf das Steuergeheimnis hinter
verschlossenen Türen zu verhandeln, die Rathausopposition lehnte ab: „Es
geht um unsere Verwaltung“, so Kruber. Die CDU wirft der Quereinsteigerin
seit Längerem mangelnde Sachkenntnis vor. Inzwischen dankte Gaschke der
Opposition sogar für deren „urdemokratisches Handeln“.
Dafür witterte sie die Feinde und Intriganten im eigenen Lager: So
konkurrierte die Leiterin der Kommunalaufsicht mit Gaschke beim
parteiinternen Rennen um die Bürgermeisterkandidatur. Von „Retourkutsche“
sprach auch Gaschke-Ehemann Bartels.
Er – so berichtet es Innenminister Breitner – soll darauf gedrungen haben,
die Ergebnisse der Kommunalaufsicht zurückzuhalten, sonst werde Torsten
Albigs SMS bekannt. In der Nachricht hatte der Ministerpräsident Gaschke
Ratschläge gegeben, wie sie vorgehen solle – Gaschke sah darin einen
Beweis, dass Albig sich in die kommunalaufsichtliche Prüfung eingemischt
habe.
Albig erklärt, es sei freundschaftlich und fürsorglich gemeint gewesen:
„Ich kann mir nicht vorstellen, warum sie denkt, ich wolle ihr schaden.“
Parteichef Ralf Stegner sieht Neuwahlen eher mit Sorge: Wenn Gaschke doch
zurücktritt, ein Abwahlverfahren gegen sie Erfolg hat oder ihr
Fehlverhalten nachgewiesen wird, hätte die CDU gute Chancen, den nächsten
Bürgermeister zu stellen.
8 Oct 2013
## AUTOREN
Esther Geißlinger
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