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# taz.de -- Kommentar Susanne Gaschke: Tränen in der Politik
> Wer in Deutschland öffentlich weint, hat schon verloren. Doch diese
> pauschale Abwertung von Gefühlsausbrüchen ist ein Problem.
Bild: Weinende Politiker sind ein sicherer Hinweis darauf, dass Politik nicht i…
Politiker, die weinen, sind ungewöhnlich. Noch. Wir werden uns an ihre
Tränen gewöhnen. Im Netz kursiert ein Video, auf dem die Kieler
Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke zu sehen ist. Sie hält da eine Rede im
Stadtrat von Kiel, einen hochemotionalen Appell an ihre Kolleginnen und
Kollegen. Sie fleht geradezu, den Umgang mit ihr, Gaschke, zu überdenken.
Die Angriffe in einer millionenschweren Steuerangelegenheit auf sie seien
„an Schäbigkeit nicht zu überbieten“, sie seien Ausdruck eines
Politikstils, den „alle normalen Menschen abgrundtief verabscheuen“.
Mag sein, dass Gaschke über diese Affäre stürzt. Ihre Tränen sind dennoch
gut. Bilder von weinenden, um Fassung ringenden Politikern sind schwer zu
ertragen. Man sieht nicht gern dabei zu, wenn Leute, die führen sollen, um
Worte ringen. Wenn sie sich, wie Gaschke, acht Minuten lang ans Rednerpult
klammern, das Gesicht hinter den Haaren verborgen, und mit brechender
Stimme um Anstand werben.
Und doch können wir froh sein, dass sie sich so zeigen. Denn weinende
Politiker sind ein sicherer Hinweis darauf, dass Politik nicht in jedem
Moment ein seelenloses Geschäft ist. Und dass jene Trolle unrecht haben,
die der festen Überzeugung sind, zynische Machtmaschinen in Menschengestalt
würden die politischen Geschäfte besser führen. Denn wer in Deutschland
öffentlich weint, verliert. Immer.
Auch Peer Steinbrück hat öffentlich geweint, als er gefragt wurde, warum er
sich den Tort der Kanzlerkandidatur überhaupt antue. Seine stillen,
gepressten Tränen waren ein kurzer, wahrhaftiger Moment in einem
hochtourigen, manipulativen Wahlkampf. Die Folge war, dass er entweder als
zu gefühlig für den Kanzlerjob geschmäht wurde. Oder dass ihm Heulen als
Wählermanipulation, als Mitleidsmasche ausgelegt wurde.
Auch über Susanne Gaschke brach Häme herein. Was das soll, wurde gemurrt,
Regieren und Opponieren seien nun mal die Geschäftsgrundlage in der
Politik. Will Frau Gaschke, die reingeschmeckte Journalistin, jetzt so tun,
als habe sie nicht gewusst, wie das läuft? Will sie gar ihre
innerparteilichen Gegner und außerfraktionellen Kritiker – auf Frauenart –
moralisch erpressen? Eher nicht.
Wer in diesem Land weint, wer seine Gefühle nicht im Griff hat und das auch
noch öffentlich zu zeigen bereit ist, macht in Deutschland eigentlich alles
falsch. Weinen, das dürfen doch nur wir. Zu Hause, im Büro oder auf der
Personaltoilette, wenn grad keiner guckt. Sichtbares Weinen gilt als
passive Aggression. Gaschkes Tränen machen nachdenklich. Sollte dieses
Urteil in seiner Pauschalität nicht endlich ad acta gelegt werden? Ja,
unbedingt.
9 Oct 2013
## AUTOREN
Anja Maier
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