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# taz.de -- Geschenke vom Finanzamt: Milde nach Augenmaß
> Der Staat erlässt Steuern, wenn die Eintreibung aussichtslos scheint.
> Oder der Steuerzahler arm ist.
Bild: Entwarnung: Bei Steuerschulden muss die schnittige Yacht nicht verpfände…
BERLIN taz | Der Steuerstreit in Kiel wirft eine grundsätzliche Frage auf:
Wie oft kommt es eigentlich vor, dass der Staat Steuern erlässt oder sie
nicht mehr eintreibt? Die Antwort findet sich in den Monatsberichten des
Bundesfinanzministeriums, und die jüngsten Zahlen stammen aus dem Jahr
2011: Damals hat der Staat auf rund 6 Milliarden Euro verzichtet. Der
Kieler Augenarzt Detlef Uthoff ist also bei Weitem nicht der Einzige, der
seine Steuerschulden nicht begleichen kann.
Dies zeigen auch die Zahlen aus Schleswig-Holstein für das Jahr 2011:
Damals verzichtete das Land insgesamt auf Steuererträge in Höhe von rund
205 Millionen Euro. „In den Finanzämtern ist die Grundsituation in Kiel an
der Tagesordnung“, bestätigt Thomas Eigenthaler, der heute die
Steuergewerkschaft leitet und früher Chef eines Stuttgarter Finanzamts war.
Hinter den nackten Zahlen verbergen sich allerdings verschiedene Fälle.
Grundsätzlich unterscheiden die Finanzbehörden zwischen „Steuererlassen“
und „Niederschlagungen“. Bei „Erlassen“ verzichten die Steuerbehörden …
offiziell auf ihre Steuerforderung. Dies kann etwa geschehen, wenn es
„unbillig“ wäre, eine Steuer einzutreiben.
Ein Beispiel: Viele Häuser in Ostdeutschland haben dramatisch an Wert
verloren. In diesen Fällen wird gelegentlich die Grundsteuer erlassen, weil
die Finanzämter anerkennen, dass es eine Zumutung wäre, auf ein wertloses
Haus auch noch Grundsteuer zu zahlen.
## Aussichtslose Fälle
Ein „Erlass“ kann aber auch erfolgen, wenn – wie der Kieler Augenarzt –…
Steuerzahler seine Schulden beim Finanzamt nicht vollständig begleichen
kann.
Bei „Niederschlagungen“ hingegen verzichten die Finanzbehörden offiziell
nicht auf ihre Forderungen. Intern aber werden die Fälle als aussichtslos
eingestuft und die Steuerschulden „abgeschrieben“. Hier geht es schlicht um
die Effizienz der Verwaltung: Es lohnt sich nicht, hoffnungslose Fälle
immer wieder neu zu bearbeiten.
„Niederschlagungen“ sind der weitaus häufigste Fall. Von den etwa 6
Milliarden Euro an Steuereinnahmen, die dem Staat im Jahr 2011 entgingen,
stammten 5,2 Milliarden aus „Niederschlagungen“, während „Erlasse“ nur…
885 Millionen Euro zu Buche schlugen. Zum Vergleich: Dem Kieler Augenarzt
Uthoff waren 3,7 Millionen Euro erlassen worden.
Bei „Erlassen“ gilt das Vier-Augen-Prinzip, sobald es sich um höhere Summen
handelt. Es darf also keine Verwaltungsebene allein entscheiden, auf
Steuern einfach zu verzichten.
Der Augenarzt Detlef Uthoff hatte Schulden bei der Gewerbesteuer. Da dies
eine reine Kommunalsteuer ist, war dafür die Kieler Stadtverwaltung
zuständig. Dennoch hätte die Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke nicht
allein über den Steuererlass entscheiden dürfen, da es sich um eine hohe
Summe handelte. Sie hätte zuvor ein Votum der Ratsversammlung einholen
müssen.
8 Oct 2013
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Steuer
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