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# taz.de -- Karriere der Susanne Gaschke: Die Genese einer Kränkung
> Kiels Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke scheiterte nicht an ihren
> Feinden – sondern an sich selbst und ihrer Hybris. Zum Schluss sah sie
> nur noch Feinde.
Bild: Das Ende der Oberbürgermeisterin: Susanne Gaschke gibt ihren Rücktritt …
BERLIN taz | Am Ende sah die frühere Kieler Oberbürgermeisterin Susanne
Gaschke nur noch Feinde. Die Opposition, die Medien, die eigene Partei, die
SPD.
Aber nicht nur Missgünstige haben die kurze Politkarriere der
Ex-Zeit-Redakteurin beendet – sie ist dem politischen System und dessen
„kleinlichen Ritualen“ zum Opfer gefallen. Den Garaus haben ihr
„testosterongesteuerte Politik- und Medientypen gemacht“, so Gaschke in
ihrer Rücktrittsrede. Wenn sie schon geht, dann als eine, die recht hatte.
Viel Feind, viele Ehr.
Wir haben uns die Ex-Politikerin Gaschke als Opfer einer übelwilligen
Lokalpresse vorzustellen, eines erstarrten politischen Betriebes, der
Machtelite der schleswig-holsteinischen SPD, und eines von Männern
beherrschten Geschäfts, das eigenwillige Frauen erbarmungslos zur Strecke
bringt. Diese großformatige Erklärung steht in gewissem Gegensatz zu dem,
worum es ging: eine fragwürdige Entscheidung in einem Steuerstreit in einer
mittleren deutschen Großstadt. Das passiert jeden zweiten Tag.
Es geht keineswegs um einen Skandal. Gaschke hatte, angetrieben von dem
heißen Wunsch, Dinge voranzubringen, und ausgerüstet mit forschem
Selbstbewusstsein, entschieden, wie in dem Fall zu verfahren ist. Sie hätte
besser den Rat der Stadt befragt, die Kommunalaufsicht im Blick behalten
und das EU-Recht bedenken sollen. Schwungvoller Wille, etwas in Bewegung zu
bringen (den ihr anfangs auch die Opposition in Kiel bescheinigte), nutzt
in der institutionellen Politik nur bedingt.
## Inszenierte Kritik
Man muss das Prozedere einhalten. Es bildet den Kern der Demokratie:
ziemlich grau, nicht schön, aber nötig. Zur medialen Demokratie gehört
auch, dass Medien und Opposition der Regierung, nach Belieben, nur das
Mieseste unterstellen dürfen. Dieser inszenierte, oft rhetorisch überhöhte
Konflikt gehört zum Betriebssystem der Demokratie. Wer dieses Rollenspiel
persönlich nimmt, unterliegt nicht nur einem fundamentalen Missverständnis
– er oder sie geht auch alsbald unter. Gaschke ist nicht über die
Fehlentscheidung in dem Steuerdeal gestürzt, sondern über das, was danach
kam.
Dieser Fall zeigt lehrbuchhaft, was PolitikerInnen in Krisen auf keinen
Fall tun dürfen. Erstens: besser keine tränenreiche öffentliche Rede
halten, denn das macht die Sache erst recht spektakulär. Zweitens: lieber
nicht gegen die eigene Partei wüten, denn das wirkt, als wolle man die
Schuld anderen aufhalsen. Drittens: besser nicht die Presse beschimpfen.
Denn das ermuntert Journalisten erst recht, nachzulegen.
## Wenn Kränkungen schmerzhaft werden
Politiker repräsentieren die Macht, die Medien die Machtkontrolle. Wenn
Politiker diese notwendige Rollenverteilung durchbrechen und den Medien die
Schuld an ihrem Ungemach geben – dann ist ihr Ende meist nah. Wer keine
höhnischen Zeitungskommentare über sich lesen will, wird besser nicht
OberbürgermeisterIn.
Der Fall Gaschke zeigt, was passiert, wenn Politiker die eigene Kränkung
über alles stellen. Die Welt schnurrt zusammen auf das Gefühl, angegriffen
zu sein. Der Wahrnehmung verengt sich zum Tunnelblick. Die Welt verliert
das Vieldeutige, Widersprüchliche. Es zählt nur nur noch das eine: das
Unrecht, das einem widerfahren ist. Darin ist die Kieler
Ex-Oberbürgermeisterin eine Nachfahrin von Kleists Michael Kohlhaas, bei
dem das Gefühl, im Recht zu sein, in Maßlosigkeit endete.
Keine Häme mehr. Gaschke verzichtet mit ihrem Rücktritt auf 600.000 Euro.
Das ist ehrenwert. Und doch passt dieser Fall nicht ins Gender-Klischee
Mann böse, Frau Opfer. Dafür denken wir ganz kurz an Angela Merkel und
Ursula von der Leyen. Eben. In Kiel ist nicht weibliche Empfindsamkeit an
männlicher Ignoranz gescheitert. Sondern eine Journalistin an eigener
Hybris.
29 Oct 2013
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Kiel
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Rücktritt
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Steueraffäre
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