Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geheimdienstexperte über Abhöraffäre: „Guter Zeitpunkt zur Geg…
> Für Erich Schmidt-Eenboom ist die Überwachung von Merkels Telefon nicht
> überraschend. Die Enthüllungen erzeugen aber Handlungsdruck.
Bild: Ganz öffentliches Telefon: Abhören hat schon Tradition.
taz: Herr Schmidt-Eenboom, hat Sie die Nachricht überrascht, dass das Handy
von Frau Merkel von den USA-amerikanischen Geheimdiensten abgehört wurde?
Erich Schmidt-Eenboom: Nein, in keiner Weise. Denn schon zu Beginn der
Snowden-Enthüllungen gab es erste Hinweise darauf, die von der
Bundesregierung abgebügelt wurden. Diese Beschwichtigungspolitik fällt
Merkel jetzt auf die Füße und zeigt, dass man den Politikern einfach nur
vorgegaukelt hat, sie könnten sicher kommunizieren. Merkel muss aber nun
indirekt eingestehen, dass alle geheime Regierungskommunikation - also auch
die aller Kabinettskollegen - von der NSA erfasst und aufgezeichnet werden
kann.
Warum empört sich die Kanzlerin nur, wenn sie unmittelbar selbst betroffen
ist?
Das ist eine ganz deutliche politische Strategie. Sie wollte das Thema aus
dem Wahlkampf heraus halten und hat Kanzleramtsminister Pofalla
instrumentalisiert, um das Thema totzumachen, was natürlich angesichts der
ständig neuen Enthüllungen ganz unmöglich ist. Deshalb ist der Zeitpunkt
jetzt eigentlich gut, in die Gegenwehr zu gehen, da es ja auch in
Frankreich große politische Empörung gibt.
Wie könnte denn eine solche Gegenwehr aussehen?
Bereits vor drei Jahren hatten die Amerikaner ja ein No-Spy-Abkommen
angeboten, für das der französische Geheimdienst einen Entwurf
ausgearbeitet hatte. Zwar ist dieser konkrete Vorstoß damals noch direkt an
Präsident Obama gescheitert. Aber er zeigt, dass Vereinbarungen
grundsätzlich möglich sind.
Inwieweit spioniert Deutschland eigentlich selbst?
Spionage gegenüber Verbündeten mit funkelektronischer Aufklärung findet so
gut wie nicht statt. Der BND konzentriert sich sehr stark auf seine
Kernaufgaben. Das heißt militärische Aufklärung in Einsatzgebieten der
Bundeswehr, die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der
organisierten Kriminalität. Er hat die Verbündeten weitestgehend durch eine
offene Aufklärung und den Austausch von Informationen mit Partnerdiensten
Auge. Auch deshalb hat der BND natürlich ein Lagebild über die Kapazitäten
der NSA und das Bundeskanzleramt ist längst gewarnt.
Also ist diese Form der Spionage seitens der Amerikaner nichts wirklich
Neues?
Nein. Schon der erste Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, stand im
Visier der Nachrichtendienste. Und wir wissen aus den freigegebenen
Dokumenten im amerikanischen Nationalarchiv, dass schon in den 50er Jahren
abgehört wurde und die CIA Spione im Kanzleramt platziert hat. Dass dieses
Vorgehen der USA so lange verschwiegen wurde ist das Ergebnis
bündnispolitischer Erwägungen. Erst durch die Snowden-Enthüllungen ist hier
nun ein neuer Handlungsdruck erzeugt worden.
Die einsehbaren Archivunterlagen beziehen sich auf die Frühphase der
Bundesrepublik. Welche aktuelleren Belege gibt es?
Beispielsweise die Aufregung, die Bernd Schmidbauer 92/93 als
Kanzleramtsminister verursacht hat, als er öffentlich forderte, nach der
Wiedervereinigung endlich eine nachrichtendienstliche Rundumverteidigung
aufzubauen, weil eben ganz klar war, was die Amerikaner auf diesem Felde
tun. Unter ihm ist zum ersten und bisher einzigen Mal ein CIA-Mann aus der
Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und zur Persona non grata erklärt
worden, weil er versucht hat, Leute im Wirtschaftsministerium anzubaggern.
Auch Edmund Stoiber hat den Amerikaner als damaliger Ministerpräsident ganz
explizit vorgeworfen, Industriespionage aus Bad Aibling zu betreiben. Auch
das beruhte natürlich auf nachrichtendienstlichen Hinweisen.
Aber, wie Regierungssprecher Steffen Seibert es formulierte, wir sind doch
nicht mehr im Kalten Krieg?
Nein, aber das Ende des Kalten Krieges hat zwar die Prioritäten der
Nachrichtendienste nachhaltig verschoben. Das Interesse an Deutschland ist
aber nicht verschwunden. Denn gerade die Verbündeten sind für die
Vereinigten Staaten in ihrem Handeln sehr politikrelevant.
Wieso?
Wir haben eine Menge an wirtschaftlichen und kulturellen Sonderbeziehungen
zu China, die den Amerikanern durchaus ein Dorn im Auge sind. Sie wollen
genau wissen, was hinter den Kulissen abläuft. Auch hatten wir über Jahre
hinweg sehr enge Beziehungen zu Russland, enger als die meisten anderen
europäische Staaten. Und besonders der energiepolitische Bereich
interessiert natürlich die USA.
Es geht also um wirtschaftspolitische Interessen?
Ja, der aktuell wichtigste Grund ist die herausragende Rolle, die
Deutschland in der Bewältigung der internationalen Finanzkrise spielt. Da
wollen die Amerikaner schon im Vorfeld wissen, was Frau Merkel und Herr
Schäuble da aushecken.
Haben wir eigentlich Erkenntnisse darüber, welche Informationen von Frau
Merkels Handy abgehört wurden?
Ich gehen davon aus, dass es um die Inhalte geht. Denn Kontaktdaten, also
die Metadateien, die braucht man für Profile nach dem alten nachrichtlichen
Prinzip. Also um zu wissen, wer kennt wen, wer kommuniziert mit wem. Das
weiß man bei Frau Merkel. Bei ihr geht es ganz ganz eindeutig um die
Gesprächsinhalte.
24 Oct 2013
## AUTOREN
Ines Pohl
## TAGS
NSA-Affäre
Abhören
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Überwachung
Edward Snowden
Schwerpunkt Angela Merkel
Handygate
Abhören
NSA
Schwerpunkt Angela Merkel
NSA-Affäre
Handygate
Barack Obama
USA
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar US-Spionage in China: NSA-Vorlage für Handelskrieg
Der US-amerikanische Geheimdienst betreibt in China auch im großen Stil
Wirtschaftsspionage. Das könnte einen Handelskrieg nach sich ziehen.
Kommentar US-Überwachung: Bürgerrechte gelten für alle
Die Möglichkeiten deutscher und europäischer Politiker, die USA zu
Wohlverhalten zu zwingen, sind begrenzt. Dennoch gilt: Man muss schon
wollen.
Kommentar Handygate und Staatsanwalt: Mehr als eine Juristenshow
Die Bundesstaatsanwaltschaft hat zur Handyaffäre einen Prüfvorgang
eingeleitet. Das ist klug, angemessen und erhöht den Druck auf die Politik.
Abhöraffäre und Handytechnik: Sicher ist nicht sicher
Nach Beginn der NSA-Affäre rüstete die Bundesregierung ihren Handybestand
um. Doch nicht die Technik ist das Problem, sondern der Umgang damit.
Ausspähung von Regierungschefs: Merkel und Hollande sollen aufklären
Nicht nur Merkels Handy war Zielscheibe der NSA, offenbar wurden 35 weitere
internationale Spitzenpolitiker abgehört. Bis zum EU-Gipfel im Dezember
soll Aufklärung her.
Abhöraffäre um die Kanzlerin: Merkel spricht Handy Vertrauen aus
Krisendiplomatie und ein flüchtender Kanzleramts-Chef: Die NSA-Affäre
trifft Berlin mit voller Wucht und blamiert die Kanzlerin.
Überwachungsdebatte in den USA: Das Problem der Anderen
Dass Politiker und Bürger im Ausland abgehört werden, stört in den
Vereinigten Staaten kaum jemanden. Konsequenzen könnte es trotzdem geben.
Kommentar Abhöraffäre um Merkel: Geheimdienstaffäre beendet? Putzig
Die Affäre um das Kanzlerinnen-Handy bringt nicht nur die US-Regierung in
Erklärungsnot. Angela Merkel und ihre Innenpolitiker-Riege stehen blamiert
da.
Überwachung von Merkels Handy: Allgemeine Empörung
Nach Berichten über eine mögliche Überwachung von Angela Merkels Handy
durch den US-Geheimdienst wird parteiübergreifend Kritik laut. Die USA
bleiben cool.
Mögliche NSA-Überwachung der Kanzlerin: Warum nicht auch Merkels Handy
Das private Handy der Kanzlerin soll durch Geheimdienste abgehört worden
sein. Die USA bestreiten das. Eine Belastungsprobe für das transatlantische
Verhältnis.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.