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# taz.de -- Hintergründe der Revolutionären Zellen: Revolution der Feierabend…
> Die Revolutionären Zellen galten in der linksalternativen Szene als die
> Guten, die umsetzten, was man sich selbst nicht traute.
Bild: Freiheit für Sonja Suder? Nein, sie wurde am Dienstag wegen Beteiligung …
BERLIN taz | Die Revolutionären Zellen (RZ) waren im Verlauf ihrer
Geschichte nicht nur für die Sicherheitsdienste schwer zu fassen. Auch
manchem Beobachter fiel es nicht leicht, sich ein Bild von den militanten
Gruppen zu machen, die unter dem Kürzel RZ in der Zeit nach 1973 Anschläge
gegen sehr unterschiedliche Ziele machten.
Erstmals aktiv in Erscheinung getreten sind die RZ am 16. November 1973 mit
einem Anschlag gegen den amerikanischen Konzern ITT in Westberlin, um auf
die Beteiligung des Unternehmens am Putsch gegen die Regierung von Salvador
Allende in Chile hinzuweisen.
Die Anschläge der Revolutionären Zellen waren – in Abgrenzung zu den
Attentaten der [1][Roten Armee Fraktion] (RAF) – in den 1980er Jahren in
manchen Kreisen so populär wie später ein Sieg des FC St. Pauli gegen
Bayern München. Das RZ-Logo wurde zeitweise zum Markenzeichen
linksradikaler Protestkultur. Ob die so genannten Feierabendterroristen das
wollten oder nicht. „Jedes Herz ist eine revolutionäre Zelle“ war der Sound
jener Jahre.
„We don’t want just one cake, we want the whole fucking bakery – Wir woll…
nicht nur ein Stück Kuchen, wir wollen die ganze verdammte Bäckerei“,
lautete die Metapher für den unversöhnlichen Gestus der radikalen Linken,
der von den Revolutionären Zellen weit in die deutsche Alternativszene
reichte.
Als im September 1987 die Meldung vom RZ-Anschlag auf den Vorsitzenden des
Bundesverwaltungsgerichts in Berlin, [2][Günter Korbmacher], im Radio lief,
knallten in nicht wenigen Wohngemeinschaften die Sektkorken. Als Gründe
wurden Korbmachers Urteile in Asylverfahren genannt. Auf linken Demos in
Westberlin wurde skandiert: „Schüsse in die Beine – für die
Richterschweine!“
Aus heutiger Sicht befremdet das. Warum hatte man zu Schüssen in die Beine
Beifall geklatscht, wo doch die Grenze zwischen der Gewalt gegen Sachen und
der Gewalt gegen Personen immer eine Rolle gespielt hatte? Und was war mit
dem Anschlag auf den hessischen Wirtschaftsminister Heinz-Herbert Karry?
Ein „Versehen“, wie es in den Veröffentlichungen der RZ immer hieß? Oder
war es doch eine billigend in Kauf genommene Tötung oder sogar ein
kaltblütiger Mord?
Solche Fragen waren damals nicht en vogue. Bis zum Fall der Mauer genossen
die Revolutionären Zellen den Ruf der populären Guerilla, ganz im Gegensatz
zur Roten Armee Fraktion und auch zur damals schon in Rente gegangenen
Bewegung 2. Juni. Entsprechend gering war die Distanz zu tatsächlich von
den Revolutionären Zellen und ihrem Frauenpendant Rote Zora verübten
Anschlägen.
Das galt vor allem für die Brandanschläge auf die Bekleidungsfirma Adler im
Herbst 1987. Nach einem Streik der Adler-Arbeiterinnen in Südkorea hatte
die Firma zunächst alle Mitarbeiterinnen entlassen. Nachdem Frauengruppen
eine Kampagne gegen Adler organisiert hatten und die Rote Zora einige
Brandanschläge auf Adler-Filialen verübt hatte, waren zumindest Teilerfolge
in diesem Arbeitskampf erzielt worden.
## Selbstdemontage der Guerilla
Der Mythos RZ würde vermutlich heute noch fortleben, hätten ihn nicht die
Revolutionären Zellen selbst gründlich demontiert. Eine Gruppe aus den RZ
veröffentlichte im Dezember 1991 ein mehrseitiges Papier mit dem schlichten
Titel „Gerd Albartus ist tot“. Sie schilderte darin nicht nur die
mysteriöse Ermordung des RZ-Mitglieds Albartus durch militante
Palästinenser, sondern auch die Zäsur, die die Entführung eines Flugzeuges
im ugandischen Entebbe 1976 für die RZ bedeutet hatte.
Der Nachruf auf den Freund, der wegen angeblichen Verrats hingerichtet
worden sein soll, kam einer schonungslosen Selbstkritik am militanten
Internationalismus der RZ gleich. Zumindest diese Fraktion der RZ erklärte
nun öffentlich, was Insider bereits seit längerem wussten: Anders als die
RAF hatten sich die RZ nach der blutig gescheiterten Flugzeugentführung aus
der direkten Zusammenarbeit mit den palästinensischen Gruppen weitgehend
zurückgezogen und sich für die Unterstützung des „sozialen Widerstandes“…
eigenen Land entschieden.
Das Papier markierte allerdings auch den Anfang vom Ende der RZ: „Gerade
weil revolutionäre Politik in einem Land wie der BRD so isoliert ist, muss
sie sich immer wieder eines sozialen Orts versichern“, hieß es. Und: „Wie
schnell all die schönen Worte und besten Absichten zu bloßer Makulatur
werden, (…) davon zeugt nicht zuletzt dieses Kapitel unserer Geschichte.“
12 Nov 2013
## LINKS
[1] http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/geschichte-der-raf/
[2] /1/archiv/digitaz/artikel/
## AUTOREN
Wolfgang Gast
Uwe Rada
## TAGS
Revolution
Protestkultur
Rote Armee Fraktion / RAF
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