Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Bundesweite Volksentscheide: Die Angst vor dem Bürger
> Union und SPD diskutieren in ihren Koalitionsgesprächen über
> Volksentscheide – aber eher halbherzig. Dabei sind die WählerInnen mehr
> als reif dafür.
Bild: Die BürgerInnen sind schlauer als es ihnen die Politik erlaubt.
Erinnert sich noch jemand an den Bundestagswahlkampf? Inhaltsleer war der –
und am Ende lag jene Politikerin vorn, die sich vor allem durch ein klares
„Mal so, mal so“ auszeichnet. Angela Merkel hat nicht wegen des
CDU-Programms gewonnen, sondern weil sie am ehesten das Vertrauen der
Bürger genießt, schon irgendwie die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Genauer ging es nicht.
Schon immer konnten die Bürger durch Wahlen allenfalls grob über politische
Richtungen entscheiden. Da sich die Parteiprogramme aber mehr und mehr
überschneiden, kann ein Kreuz am Wahlsonntag kaum noch konkrete Politik
vorgeben.
Genau deshalb ist der nächste, wahrhaft große Schritt unausweichlich: die
Einführung eines bundesweiten Volksentscheids, über die Union und SPD jetzt
in ihren Koalitionsverhandlungen diskutieren.
Schon seit mehr als 60 Jahren steht im Grundgesetz: Alle Staatsgewalt geht
vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt. Doch
bisher misstrauen die Politiker ihrem Volk. Das könnte ja irgendeinen Mist
beschließen. Stimmt, könnte es. Tut es aber nicht.
Das zeigen die vielen Abstimmungen in Kommunen oder auf Länderebene. Egal
ob über Rauchverbote, Schulsysteme, Energieversorgung oder zuletzt über die
Olympia-Bewerbung Münchens. Die Bürger haben längst bewiesen, dass sie
schlauer sind, als die Politik es ihnen bisher erlaubt.
Klar ist: Volksentscheide können zu Entscheidungen führen, die einem nicht
passen. Aber das kann kein Argument gegen direkte Demokratie sein. Es käme
ja auch niemand auf die Idee, Bundestagswahlen abschaffen zu wollen, bloß
weil dauernd die CDU gewinnt. Wer etwas gegen unliebsame Ergebnisse tun
will, muss sich einbringen. Mitdiskutieren. Wahlkämpfen. Volksentscheide
repolitisieren die Republik. Besser geht’s nicht.
Besser als der Entwurf, der bei den Koalitionären jetzt über den Tisch
flatterte, geht es aber allemal. Der sieht nämlich nur ein passives
Abstimmungsrecht für die Bürger vor. Sie sollen sich ausschließlich zu
bereits beschlossenen Gesetze äußern dürfen. Oder zu Europafragen – und
selbst das nur, falls der Bundestag es so will. Eigeninitiative von unten
bleibt ausgeschlossen.
Der Entwurf von CSU und SPD ist ein winziger Schritt in die richtige
Richtung. Vor allem aber zeigt er eins: Die Politiker haben immer noch
Angst vor ihrem Volk.
12 Nov 2013
## AUTOREN
Gereon Asmuth
## TAGS
Volksentscheid
Direkte Demokratie
Koalitionsverhandlungen
Wahlen
CDU
CSU
SPD
SPD
Schwarz-rote Koalition
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Volksentscheid
Schwerpunkt Stuttgart 21
Senat
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verhandlungen über große Koalition: Streit? Welcher Streit?
Union und SPD üben sich in professioneller Harmonie. Sie einigen sich, die
Linie in Europa fortzuführen. Es bleiben aber noch immer dicke Brocken.
Schwarz-rote Koalitionsrunde: Für bundesweite Volksabstimmungen
Einem Medienbericht zufolge wollen Union und SPD Plebiszite auf Bundesebene
ermöglichen. Etwa bei „europapolitischen Entscheidungen“.
Volksentscheid gegen Olympia: Aus für Münchens Olympia-Pläne
Die bayerische Landeshauptstadt wird sich nicht für die Winterspiele 2022
bewerben. In allen vier Abstimmungen votierte eine Mehrheit gegen die
Kandidatur.
Volksentscheid: Antidepressiva an der Pinnwand
In der Hoffnung auf ein erfolgreiches Quorum klammert sich die Initiative
für den Erhalt des Tempelhofer Felds an eine Excel-Tabelle. Euphorie
versprüht sie nicht.
Direkte Demokratie im Ländle: 20 Prozent reichen
Baden-Württemberg senkt das Quorum für Volksentscheide. Auch
Volksinitiativen sollen künftig in der Landesverfassung verankert werden.
Mehr direkte Demokratie im Ländle: Die Lehren aus Stuttgart 21
In Baden-Württemberg dürfen die Bürger bei Großprojekten künftig von Beginn
an mitreden. Der Haken: Einklagen können sie dieses Recht nicht.
Energie-Volksentscheid: Berlinern geht kein Licht auf
Der Volksentscheid scheitert, obwohl knapp 600.000 Berliner für das
Öko-Stadtwerk und den Rückkauf des Stromnetzes stimmen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.