# taz.de -- Kolumne Wutbürger: Der Mief der fünfziger Jahre | |
> Wo war noch mal die Emanzipation? Bestimmt nicht in deutschen | |
> Kinderzimmern. Dort glitzern rosa Nagellack, Schminke und Schmuck. | |
Bild: Rosa, rosa, ist alles was ich hab – im Barbie Dreamhouse in Berlin. | |
Wer sich für den aktuellen Stand der Genderdebatte interessiert, sollte es | |
mit Sigmar Gabriel halten: raus ins Leben; dahin, wo es brodelt, wo es | |
manchmal riecht, gelegentlich auch stinkt. | |
Und es riecht gewaltig in Deutschlands Kinderzimmern. Gelegentlich stinkt | |
es geradezu nach dem Mief der fünfziger Jahre. Penetrant wurde der Gestank, | |
als ich auf der Suche nach einer Geschenkidee für meine vierjährige Nichte | |
war. Dafür musste ich nicht mal raus, jedenfalls nicht im Gabriel’schen | |
Sinne. | |
Ich las in ein paar Foren im Internet und stieß dabei auf eine Art | |
Parallelgesellschaft, die ihre Kinder unbeirrt mit einem überkommenen | |
Rollenverständnis aufzieht. Alle Geschenkvorschläge sind in den Foren | |
streng nach Geschlecht getrennt. Jungskategorien sind Sportler, Tüftler, | |
Schelm. Die passenden Geschenke: Fußball, Roboter, Dinosaurier. Mädchen | |
wird nur die Weiterentwicklung zu „Mädchen-Mädchen“ zugestanden. | |
Die Eltern sind sich sicher, dass ihre Töchter noch vor der Einschulung | |
ganz dringend Nagellack, Schminke und Schmuck brauchen. Besonders gut sei | |
es, wenn alles rosa glitzert. Eine Mutter schreibt, ihre Tochter spiele | |
gern Hausfrau mit kleinem Herd und Staubsauger. Dazu noch ein paar Puppen, | |
und schon sei sie wie die Mama. „Ich weiß, ich weiß“, schreibt die | |
Foren-Mutter, „die Emanzipation! Aber kleine Mädchen mögen halt | |
Mädchensachen.“ | |
Nach der Lektüre fragte ich mich, was die ganzen Diskussionen über | |
Gleichstellung, Frauenquote und Unisextoiletten bringen. Wer sich über das | |
mangelnde Interesse von jungen Frauen an technischen Berufen wundert oder | |
darüber rätselt, warum sich Mütter so schnell in die Hausfrauenrolle | |
drängen lassen, der sollte sich einen Nachmittag in den Foren umtun. | |
Die Mädchen landen nach der Gehirnwäsche – je nach Schicht – im | |
Friseursalon oder bei den Kunsthistorikern. Ist ja auch niedlich. Und | |
schlecht bezahlt. Meiner Nichte habe ich ein Buch über Kaulquappen | |
geschenkt. Die wirken geschlechtslos. | |
16 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
ISABEL LOTT | |
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