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# taz.de -- Taifun „Haiyan“ auf den Philippinen: Es bleibt nur noch die Flu…
> Der beschädigte Flughafen in Tacloban ist Nadelöhr zwischen
> Katastrophengebiet und Außenwelt. Eine persönliche Zeitreise ins Gebiet
> und zurück.
Bild: Vor der Katastrophe: Hubschrauber auf dem Weg Richtung Flughafen von Tacl…
Heiß, stickig und dunkel. So habe ich den Daniel-Z.-Romualdez-Flughafen der
philippinischen Provinzhauptstadt Tacloban in Erinnerung. Vor 25 Jahren, im
November 1988 musste ich dort länger auf einen Flug zur westlichen
Nachbarinsel Cebu warten. Immer wieder fiel in der tropischen Hitze der
Strom aus. Die blauen Lichter der Rollbahn leuchteten ohnehin kaum.
Betrunkene Soldaten hätten sie für Schießübungen genutzt, hatte ich in der
Zeitung gelesen.
Jetzt ist der vom Taifun beschädigte Romualdez-Flughafen das Nadelöhr
zwischen Katastrophengebiet und Außenwelt. Aus Manila oder Cebu kommen
erste Hilfsflüge. Am Rollfeld warten Tausende Verzweifelte. Selbst
Bürgermeister Alfred Romualdez fordert zum Verlassen der zerstörten Stadt
auf. Doch so groß die Verzweiflung unter Taclobans 220.000 Einwohnern ist,
die Not dürfte im Hinterland der Insel Leyte wie auf der östlichen
Nachbarinsel Samar vergleichbar sein. Noch fehlen gesicherte Informationen.
Vor 25 Jahren bedeutete Tacloban für mich Erholung von Samars Hinterland.
Es war Regenzeit. Das ärmliche Dorf am gefühlten Ende der Welt, wo sich
Maoisten und Milizen gute Nacht sagten, war in mehrstündigem Fußmarsch über
rutschige Pfade zu erreichen. Samar und Leyte liegen im Taifungürtel. Viele
der 20 Taifune, die vom Pazifik her jährlich die Philippinen treffen,
richten immer wieder große Zerstörungen an. Kahle Palmstämme, die Kronen
von Stürmen geköpft, prägen mein Bild. Die Menschen sind warmherzig, ruhig
und von stoischer Leidensfähigkeit.
Sie kämpfen nicht nur gegen die widrige Natur, sondern auch gegen die
Politik. Die gibt ihnen die Rolle von Underdogs oder treibt sie zur Flucht.
In Manilas ärmsten Slums wie auf der früheren Müllkippe „Smokey Mountain“
dominierte Waray-Waray, die Sprache von Samar und Ostleyte.
## Die Algenblüte
Die Inseln lebten von ihrer Substanz. Im Meer dazwischen grassierte die
giftige Algenblüte Red Tide. Die wird von Agrarchemikalien befördert und
machte den Verzehr lokalen Fischs zum Gesundheitsrisiko. Im Hinterland
wurde derweil gnadenlos abgeholzt. Bei meiner nächsten Philippinenreise
1991 kam es zu einer Katastrophe mit 6.000 Toten. Ein Taifun brachte in
Leyte, wo es kaum noch Regenwald gab, Hänge ins Rutschen. Baumstämme
formten einen Damm, der irgendwann barst. Schlammlawinen begruben bei Ormoc
Dörfer.
In Leyte war der auffälligste Bau die zwei Kilometer lange Brücke nach
Samar. Das nach dem früheren Diktator Marcos (heute: San Juanico) benannte
Bauwerk machte Tacloban mit seinem Romualdez-Flughafen zum Tor für Samar.
Die Namen von Airport und Brücke zeigten, wer die Macht hatte. Leyte ist
die Heimat der früheren Diktatorengattin Imelda Romualdez Marcos, Tochter
des Romualdez-Lopez-Klans, einer Leyte dominierenden
Großgrundbesitzerfamilie.
Hier gewann sie Schönheitswettbewerbe. Imeldas Onkel Daniel Z. Romualdez,
Namensgeber des Flughafens, war Sprecher des Repräsentantenhauses in
Manila. In Tacloban ist noch heute ein Romualdez Bürgermeister, dessen Frau
Stadträtin, ein anderes Klanmitglied Kongressabgeordneter in Manila.
Es verschärft die Katastrophen in den feudal geprägten Philippinen, dass
nicht die fähigsten Personen in öffentliche Ämter gewählt werden, sondern
die mit den Namen einflussreicher Klans. Imelda behauptete stets, dass
Leyte von ihr profitierte, wie die mit Auslandshilfe gebaute Brücke zeigen
sollte.
Berichten zufolge wird die kränkelnde 84-jährige Witwe von ihrer Entourage
von Nachrichten über die Zerstörung ihrer Heimat abgeschirmt. Sonst würde
die heutige Kongressabgeordnete sicher kommen, um öffentlichkeitswirksam
Hilfsgüter zu verteilen und um so dem Aquino-Cojuangco-Klan, der gerade das
Land führt, Paroli zu bieten.
Vor Imelda machte Leyte nur einmal Schlagzeilen: Im Zweiten Weltkrieg
gelang dem US-General Douglas MacArthur nach der Seeschlacht von Leyte bei
Tacloban die Landung auf den Philippinen. Von hier aus eroberte er die
US-Kolonie zurück. Daran erinnert ein Denkmal: Ein bronzener MacArthur
watet jesusgleich ans Ufer, der philippinische Präsident folgt ihm
gebührend.
## Amerika und China
Als die Japaner MacArthur zuvor vertrieben hatten, versprach er: „I shall
return.“ In Leyte sagte er dann: „I have returned.“ In den Philippinen
werden die USA so bewundert wie gehasst. Die von den Amerikanern „little
brown brothers“ getauften Filipinos litten lange unter Neokolonialimus. Sie
mussten den USA große Militärbasen geben, die sie erst 1991 kündigen
konnten.
Seitdem schielt Manila nach Washington, wenn es mit Peking um Inseln im
Südchinesischen Meer streitet. Doch 2012 machten sich die USA unbeliebt,
als ein US-Kriegsschiff bei der unbefugten Durchfahrt auf einem
naturgeschützen Riff strandete. Dafür kehrte die US-Navy („I shall return�…
gleich mit einem atomgetriebenen Flugzeugträger nach Leyte zurück – als
willkommener Retter.
Der Taifun bietet den USA die Chance, ihr Image aufzupolieren und China alt
aussehen zu lassen. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt erntete in den
Philippinen mit einer Hilfe von 100.000 US-Dollar nur Kopfschütteln – das
Hospitalschiff ließ China auch zu Hause. Peking vergab eine Chance, die es
auch nicht wiederbekam, als es auf 1,7 Millionen US-Dollar erhöhte.
Es ist Ironie, dass jetzt ausgerechnet die USA als Retter in einer
Katastrophe auftreten, bei der als eine der Ursachen der Klimawandel gilt.
Denn die USA sind die größten Klimasünder wie die größten Bremser beim
Klimaschutz. Ähnlich widersprüchlich ist die in den Philippinen mächtige
katholische Kirche. Sie spendet Trost und leistet wichtige soziale Dienste.
Doch verhindert sie sämtliche Versuche, das große Bevölkerungswachstum zu
begrenzen. Als ich 1988 in Tacloban war, gab es 68 Millionen Einwohner.
Heute sind es 98 Millionen. Und Taclobans Bevölkerung hat sich in 40 Jahren
verdreifachte.
Die Menschen haben gelernt, ihre Heimat wieder und wieder aufzubauen. Doch
angesichts der immer heftigeren Taifune werden sie sich fragen, ob das
überhaupt noch Sinn macht. Gilt für die Verzweifelten am Flughafen noch „I
shall return“? Oder gehen sie für immer?
16 Nov 2013
## AUTOREN
Sven Hansen
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