| # taz.de -- Kolumne Macht: Bloß kein „Stichwort Philippinen“! | |
| > Zweckgebundene Spenden helfen niemandem. Sie können Menschenleben kosten. | |
| > Denn sie kommen oft nicht an, wo sie gebraucht werden. | |
| Bild: Zwei Geschwister warten seit Tagen auf dem Flughafen Tacloban auf Hilfe. | |
| Spendenaufruf in den RTL-Nachrichten für die Stiftung des Senders: „Und | |
| bitte vergessen Sie das Stichwort ’Philippinen‘ nicht.“ Doch, bitte | |
| vergessen Sie dieses Stichwort – egal, welcher Organisation Sie Geld geben | |
| wollen, und unabhängig davon, wie tief das Leid in den | |
| [1][Katastrophengebieten] Sie berührt. Die Zweckgebundenheit von Spenden | |
| nutzt nämlich niemandem. Aber sie kann Menschenleben kosten. | |
| Wer einer Organisation nicht vertraut, wäre gut beraten, ihr überhaupt kein | |
| Geld zu geben. Wer jedoch meint, dass Leute redlich und professionell sind, | |
| sollte ihnen auch die Entscheidung darüber überlassen, wie sie Spenden | |
| verwenden. | |
| Es steht außer Frage, dass die Opfer des Taifuns dringend Hilfe brauchen | |
| und dafür [2][viel Geld] gebraucht wird. Aber gerade Nothilfe ist eine | |
| Aufgabe, die hohe Fachkenntnisse erfordert. Und Spezialwissen. Es reicht | |
| nicht, einfach einen Lastwagen mit Energiekeksen und etwas Wasser | |
| loszuschicken. | |
| Entscheidend ist die Frage: Wer weiß, wie nach dem Zusammenbruch einer | |
| Infrastruktur möglichst vielen Opfern möglichst dauerhaft geholfen werden | |
| kann? | |
| ## Zweckgebunden für Tsunami-Opfer | |
| Organisationen haben verschiedene Aufgaben, und deshalb gibt es für sie | |
| auch unterschiedliche Zeitfenster, innerhalb derer sie Sinnvolles leisten | |
| können. Die deutsche Abteilung von „[3][Ärzte ohne Grenzen]“ hat 2005 | |
| öffentlich erklärt, sie wolle keine zweckgebundenen Spenden für die Opfer | |
| des Tsunami in Asien mehr annehmen. Ihre Aufgabe dort sei beendet. | |
| Ein Sturm der Entrüstung brach über sie herein, besonders beleidigt zeigten | |
| sich Kolleginnen und Kollegen anderer Organisationen. Die weiter Geld für | |
| die Region sammelten, ob das nun sinnvoll war oder nicht. | |
| Nur wenige Monate später wurde deutlich, was die Ärzte gemeint hatten. In | |
| Pakistan fand eines der schlimmsten Erdbeben der Geschichte statt. Mittel | |
| in beträchtlicher Höhe, die ungenutzt herumlagen, konnten dafür nicht | |
| verwendet werden. Sie waren zweckgebunden für Tsunami-Opfer gespendet | |
| worden. Und viele Mitfühlende in anderen Teilen der Welt hatten kein Geld | |
| mehr übrig, das sie hätten spenden können. Ihr Budget für derlei Ausgaben | |
| war aufgebraucht. | |
| Hinzu kam: Die Leidenden in Pakistan waren Moslems. Schlecht für | |
| Spendensammler. Es gibt – im Westen – eine unveröffentlichte Hitparade von | |
| Opfern: Naturkatastrophen laufen besser als Flüchtlingselend, für Kinder | |
| wird lieber gespendet als für alte Leute, für Christen lieber als für | |
| Angehörige anderer Religionsgemeinschaften. | |
| ## Ruanda brauchte Gefängnisse | |
| Nach dem [4][Völkermord in Ruanda] wurde nichts dringender gebraucht als | |
| neue Gefängnisse. 800.000 Menschen waren getötet worden – es gab viele | |
| Mörder. Darauf waren die Haftanstalten nicht vorbereitet. Mehrfach | |
| erstickten Verdächtige in ihren engen, überfüllten Zellen. | |
| Ob ich mir vorstellen könne, was im Klingelbeutel landen würde, wenn der | |
| Pastor von der Kanzel herab um den Bau neuer Gefängnisse bäte, wurde ich | |
| damals gefragt. Ja, das konnte ich mir vorstellen. Deshalb war ich auch | |
| nicht überrascht, als ich Organisationen dabei beobachtete, wie sie | |
| Nahrungsmittel an Kinder verteilten. Die in dem Land seinerzeit gar nicht | |
| benötigt wurden. Das Internationale Rote Kreuz erbarmte sich schließlich. | |
| Und baute. | |
| „Ärzte ohne Grenzen“ setzt inzwischen so weit wie möglich auf Spender mit | |
| Dauerauftrag. Vorteil: Die Organisation verschafft sich größere | |
| Unabhängigkeit von akuten Krisen und Medienberichterstattung. Nachteil: Sie | |
| kann von akuten Krisen und Medienberichterstattung kaum profitieren. | |
| „[5][Medico international]“ sammelt gezielt für Geld für Notleidende auf | |
| den Philippinen. Weil die Organisation seit langem mit Partnern vor Ort an | |
| langfristigen Projekten arbeitet, befürchtet ihre Sprecherin nicht, dass | |
| Geld irgendwann nutzlos herumliegt. | |
| ## Bürgerkrieg vs. Naturkatastrophe | |
| Aber: „Wir bekommen viel zu wenig Spenden für Syrien“, sagt Katja Maurer. | |
| „Dabei ist das eine humanitäre Katastrophe von ähnlichen Ausmaßen wie der | |
| auf den Philippinen.“ Genau so sieht das auch Ulrike von Pilar von „Ärzte | |
| ohne Grenzen“. | |
| So ist das eben. Ein Bürgerkrieg ist für Außenstehende verwirrender als | |
| eine Naturkatastrophe, häufig schwingen Ängste mit, wider Willen die | |
| „Falschen“ zu unterstützen. Deshalb ist es so wichtig, dass | |
| Hilfsorganisationen vertrauenswürdig sind. Denen sollte man dann aber auch | |
| überlassen, wofür sie Geld ausgeben. | |
| 15 Nov 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Naturkatastrophe-auf-den-Philippinen/!127306/ | |
| [2] /Spenden-fuer-Haiyan-Opfer/!127510/ | |
| [3] http://www.aerzte-ohne-grenzen.at/spenden/fragen-antworten/ | |
| [4] /!t27/ | |
| [5] http://www.medico.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Bettina Gaus | |
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