# taz.de -- Verfahren wegen Industrierabatten: Schluss mit Billigstrom | |
> Die EU-Kommission geht gegen Ausnahmen bei der deutschen | |
> Ökostrom-Förderung vor. Strafen für die Industrie lassen sich dennoch | |
> abwenden. | |
Bild: Stromfresser: Geschmolzenes Aluminium in einer Hamburger Fabrik | |
BRÜSSEL taz | Große Aufregung in Berlin, demonstrative Gelassenheit in | |
Brüssel: EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia kündigte am Mittwoch | |
nicht, wie erwartete und befürchtet, ein Beihilfeverfahren gegen das | |
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) an – sondern gegen darin enthaltenen | |
Rabatte für die Industrie. | |
„Wir haben viele Beschwerden erhalten, und wir haben ernste Zweifel“ sagte | |
der Spanier in genuscheltem Englisch. Vor allem die „selektive Behandlung“ | |
bei der EEG-Umlage gebe ihm zu denken: 2013 zahlten noch rund 1.720 | |
Unternehmen eine deutlich niedrigere EEG-Umlage. Sie sparten so vier | |
Milliarden Euro. Den Ausgleich dafür müssen die privaten Haushalte und der | |
Rest der Industrie aufbringen. Die Ausnahmen könnten gegen EU-Recht | |
verstoßen und den Wettbewerb verzerren, meint Almunia. | |
Zuvor hatte Kanzlerin Angela Merkel in Berlin gedroht: „Wir werden der | |
Kommission sehr deutlich machen: Deutschland möchte ein starker | |
Industriestandort bleiben.“ Zusammen mit Sigmar Gabriel (SPD) werde sie | |
Brüssel die Stirn bieten. | |
Danach gefragt, zuckte Almunia mit den Schultern. „Wir haben länglich mit | |
der alten Regierung über das EEG-Gesetz gesprochen“, sagte er. Auch die | |
Verhandlungsführer der Großen Koalition habe er bereits getroffen. Zu | |
Gabriel habe er zwar „keinen persönlichen Kontakt“, er sei aber in Brüssel | |
willkommen. | |
## Weg vom Gießkannenprinzip | |
Der versöhnliche Ton kommt nicht von ungefähr. Zum einen hat | |
Energiekommissar Günther Oettinger hinter den Kulissen längst zwischen | |
Brüssel und Berlin vermittelt. „Es wird nicht dazu kommen, dass alle | |
Ausnahmen komplett gestrichen werden“, sagte Merkels Mann in Brüssel. „Wir | |
müssen nur weg vom Gießkannenprinzip.“ | |
Zum anderen drohen zunächst keine Strafen. Berlin hat einen Monat Zeit, um | |
sich zu den EU-Bedenken zu äußern. Danach beginnt die so genannte | |
„eingehende Prüfung“, die bis zu einem Jahr dauern kann. Mit Sanktionen, | |
etwa der Rückzahlung der milliardenschweren EEG-Rabatte, wäre erst dann zu | |
rechnen, wenn Brüssel Rechtsverstöße feststellt und Berlin mauert. | |
Doch damit scheint Almunia nicht zu rechnen, ganz im Gegenteil: Er versucht | |
Merkel und Gabriel eine goldene Brücke zu bauen. Er habe im | |
Koalitionsvertrag gelesen, dass eine EEG-Novelle geplant sei, so der | |
EU-Kommissar. Man werde daher nicht nur rückwärts gewandt ermitteln, | |
sondern nach vorne schauen. | |
Außerdem plant Almunia selbst neue Beihilfe-Regeln zu den Themen Energie | |
und Umwelt. Sie sollen stärker auf die Energie- und Klimaschutzziele der EU | |
ausgerichtet werden, sich aber auch mehr am Markt orientieren. Die neuen | |
Leitlinien sollen bis Ende Juni 2014 vorliegen – im Einklang mit EU-Staaten | |
und Unternehmen. | |
## Aufregung um mögliche Auswirkungen | |
Wenn es Brüssel und Berlin schlau anstellen, können sie sich also | |
verständigen. Damit wäre das Verfahren hinfällig, bevor es Schaden | |
anrichtet. Doch in Berlin überwog gestern erst einmal die Aufregung. | |
Der Bund der Deutschen Industrie (BDI) warnte vor drastischen Auswirkungen: | |
„Ein Wegfall der Entlastungen für energieintensive Unternehmen wäre für | |
viele Unternehmen und Tausende Arbeitsplätze das sofortige Aus“, erklärte | |
BDI-Chef Ulrich Grillo in Berlin. | |
Die neue Bundesregierung hält die Befreiungen für rechtmäßig, so eine | |
Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Zugleich bekräftigte sie, | |
dass bei der Überarbeitung des EEGs Bedenken der EU-Kommission aufgegriffen | |
werden sollen. | |
Die Grünen im Bundestag kritisierten, die Eröffnung des Beihilfeverfahrens | |
sei „ein Desaster für die Energiewende und die Industrie“. Die neue | |
Regierung müsse sich in Brüssel für das EEG stark machen, verlangte der | |
Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer. Sie dürfe in Zukunft aber nur noch | |
„wirklich energieintensive Unternehmen begünstigen“. | |
18 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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