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# taz.de -- Begriff der Emanzipation: Lieber ein Mädchen sein
> Was heißt das eigentlich, sich zu emanzipieren? Überlegungen zu einem
> Begriff, der im normalen Leben keine Rolle spielt.
Bild: Mädchen sein ist cool.
Im antiken Rom war die Emanzipation ein einmaliger, durch den Höher- dem
Niedrigergestellten erwiesener Erweis eines Rechts. „Wir müssen uns selbst
emancipieren, ehe wir andere emancipieren können“, heißt es bei Marx. „Und
vor dem ersten Kinderschrein / muss ich mich erstmal selbst befrein“, sang
Nina Hagen 1979.
In dieser Zeit ungefähr, ich war Teenager, begegnete mir der Begriff
„Emanzipation“ zum ersten Mal. Im Philosophieunterricht meiner großen
Schwester (vielleicht war es auch eine Philosophie-AG) war es um
„Emanzipation“ gegangen. Sie probten ein emanzipatorisches Theaterstück, in
dem auf einfache Art aufgezeigt wurde, wie sich Macht- und
Vorurteilsverhältnisse in der Alltagssprache eingeschrieben haben.
Jemand sagte also „Herr“ und ein Chor antwortete „herrlich“; eine Stimme
sagte „Dame“ und ein Chor antwortete „dämlich“. Das war nicht unkomisc…
auch weil man niemanden kannte, der ernsthaft, ohne zu lachen, von „Damen“
oder „Herren“ gesprochen hätte.
Meine Schwester hatte die Zeitschrift Emma abonniert, in der der Aufsatz
„Vom Mythos des vaginalen Orgasmus“ von Alice Schwarzer über die
Geheimnisse der weiblichen Sexualität informierte. Es ging darum, dass
Penetration keine Lust bereitet, Ausdruck der herr-schenden
Machtverhältnisse ist und nur Lecken und Reiben sinnvoll sind. Ein paar
Jahre später demonstrierte Nina Hagen in einer Talkshow des
österreichischen Fernsehens, wie man als Frau richtig masturbiert. Wir
fanden das ziemlich gut. Zuvor war das unbekannt gewesen. Viele Männer
meiner Generation wurden später dann lesbisch.
## David Bowie passte auch
Der Feminismus fügte sich gut ein in meine Vorstellungen vom sinnvollen
Leben. Von David Bowie gab es ja auch dies Lied „Suffragette City“, das
irgendwie feministisch konnotiert war. In der Schule wählte ich Handarbeit
und Hauswirtschaft und wäre eigentlich lieber ein Mädchen gewesen.
Zur gleichen Zeit, als Nina Hagen in dieser österreichischen Talkshow
gewesen war, war ich bei dieser Platzbesetzung in Gorleben und empfand die
Unisexklos, die es dort gab, als progressiv und befreiend.
Außerhalb des Gleichberechtigungsdiskurses begegnete mir der Begriff
„Emanzipation“ eigentlich erst bei Rudi Dutschke. Meine Aufgabe zu Hause
war Abwaschen, und zum Abwaschen hatte es immer die Sendung „Musik für
junge Leute“ gegeben, und in dieser Sendung wurde manchmal auch was von
Rudi Dutschke gespielt, und bei Rudi Dutschke ging es, glaube ich, auch oft
um Emanzipation. Aber seine Reden kamen aus einer anderen Zeit, die man
bedauerte verpasst zu haben.
Später spielte das dann keine Rolle mehr. Emanzipation war ein Begriff, der
eher bei den Politikwissenschaftlern an der Uni gebraucht wurde oder im
Umfeld von 68ern auftauchte. Und im normalen Leben, wie so vieles, keine
Rolle spielte.
Mit Entfremdung konnte ich was anfangen, entfremdet hab ich mich ständig
gefühlt. Emanzipation war mir aber eher fremd, obgleich mir andererseits
schon klar ist, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter das wichtigste
Erfolgsprojekt der jüngeren Geschichte ist. Wenn mich jemand fragte, ob ich
emanzipiert sei, blickte ich ihn nur blöde an und wusste nicht, was damit
gemeint ist.
1 Jan 2014
## AUTOREN
Detlef Kuhlbrodt
## TAGS
Emanzipation
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