# taz.de -- Miss Platnums Album „Glück & Benzin“: Feministin wider Willen | |
> In ihrem vierten Album singt Miss Platnum erstmals auf Deutsch. Ihr | |
> Selbstbewusstsein als Frau vermittelt sie dabei ganz nebenbei. | |
Bild: Miss Platnum bei einem Auftritt mit Rapper Marteria. | |
Ältere Stücke von Miss Platnum enthielten schon im Titel Aufforderungen: | |
„Come Marry Me“ nannte sie etwa einen Song, in dem sie mit dem Klischee | |
spielte, Balkan-Frauen würden reiche Westler bei der Heirat bevorzugen. | |
Über ironisierte Klischees möchte sich Miss Platnum heute nicht mehr | |
definieren. | |
„Glück & Benzin“ ist ihr viertes Album, aber das erste, beim dem sie auf | |
Deutsch singt. „Das war für mich die größtmögliche Herausforderung“, sa… | |
sie. „Ich hatte das Gefühl, mit meinen vorigen Alben an gewisse Grenzen | |
gestoßen zu sein.“ Für die neue Ausrichtung spielte die Arbeit mit dem | |
Rapper Marteria und dem Sänger Yasha eine entscheidende Rolle. | |
Mit ihnen schrieb sie „Lila Wolken“, eine Ode an den Berliner | |
Raver-Lifestyle, die unerwartet zu einem Sommerhit 2012 wurde. Der Song | |
verkaufte sich über 300.000-mal. Doch Miss Platnum erntete dafür viel | |
Kritik. In der ersten Single zu ihrem neuen Album, einem Song namens „99 | |
Probleme“, nimmt sie Bezug darauf: „Kuck mal nach im Netz, was die Masse so | |
sagt / Sie finden ’Lila Wolken‘ gut, doch hassen meinen Part / Ich krieg | |
’nen guten Rat: ’Iss mal mehr Salat!‘ / Hör dir meine alten Platten an, … | |
alles schon gesagt.“ Gerade weil alles schon gesagt war, mussten neue | |
Themen her. Die Pläne, ein Chanson-Album im Stile der Knef aufzunehmen, | |
wurden zu den Akten gelegt. | |
Stattdessen stellte sie Dancefloor-Einflüsse stärker in den Vordergrund. | |
Sie habe ein emotionales Album machen wollen, sagt sie, aber keine | |
Mädchenmusik. Mit dem gesellschaftlich genormten Bild der zerbrechlichen, | |
hilfsbedürftigen Frau kann Miss Platnum nichts anfangen. „In der Schule war | |
ich eher der Kumpel. Ich fand es cool, mit Jungs abzuhängen. Irgendwann | |
wird das zum Problem. Die Typen verlieben sich in die anderen Mädchen, die | |
mit den Benetton-Pullis. Aber irgendwann dreht sich das wieder, und die | |
Typen checken, dass auch eine Frau wie ich begehrenswert ist.“ | |
Ein Benetton-Mädchen war Ruth Maria Renner nie. Sie verlebte ihre Kindheit | |
in den rumänischen Karpaten. Die Eltern arbeiteten auf einer Wetterstation, | |
flüchteten aber vor dem Ceausescu-Regime nach Berlin. | |
## Stimme, die Emotionenn transportiert | |
Renner war damals acht Jahre alt. Sie sang im Kirchenchor, nahm Klavier- | |
und Gesangsunterricht. Bei der HipHop-Crew Moabeat mischte sie als | |
Background-Sängerin mit, daneben erhielt sie erste Jobs für | |
Studioproduktionen. Ihr Debütalbum „Rock Me“ erschien 2005, mit den | |
Nachfolgern „Chefa“ und „The Sweetest Hangover“ schaffte sie zwischen 2… | |
und 2010 kleine Erfolge – indem sie ihre Vorliebe für R&B und HipHop mit | |
traditionellen Rhythmen und Sounds aus ihrer alten Heimat verband. Bei | |
allen musikalischen Experimenten, eines blieb immer gleich: Ihre | |
kraftvolle, warme Stimme, die eine enorme Reichweite an Emotionen | |
transportieren kann. | |
Heute ist Renner 33 Jahre alt und macht immer noch „keine Musik für kleine | |
Mädchen und Jungs“, wie sie in „99 Probleme“ singt. Für jede Ballade auf | |
dem neuen Album gibt es auch einen „Gläser an die Wand“-Moment. „Manchmal | |
bin ich schüchtern und menschenscheu, manchmal auch wütend oder aggressiv. | |
Das gehört zu mir und ich finde wichtig, das zu zeigen.“ | |
Im Gespräch wirkt Miss Platnum eher unsicher und zurückhaltend. „Viele | |
sagen, ich würde eine krasse Ruhe ausstrahlen. In einem Business, wo sich | |
alle permanent profilieren müssen, bleibe ich gelassen. Mich nervt es zum | |
Beispiel, wenn ich auf Partys nach neuen Projekten gefragt werde, noch | |
bevor ich erzählt habe, wie es mir geht.“ | |
Selbstbewusste, ermächtigende Texte auf geschmackvollen, energischen Beats | |
– Ruth Maria Renner ist so etwas wie eine Feministin wider Willen. Mit den | |
aktuell wieder entflammten Rollendebatten setzt sie sich bewusst nicht | |
auseinander. „Ich denke gar nicht darüber nach, dass ich als Frau in einem | |
Männer-Business arbeite. Sobald man es selbst zu sehr zum Thema macht, | |
machen es die anderen auch. Trotzdem finde ich es super, dass es Frauen | |
gibt, die sich einsetzen. Und natürlich gibt es immer noch viele Frauen, | |
die Hilfe brauchen. In meinem persönlichen Umfeld hilft es mir jedoch mehr, | |
wenn ich mich damit nicht befasse. Für mich war das immer der beste Weg, um | |
durchzusetzen, was ich wollte.“ | |
7 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Stephan Szillus | |
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