# taz.de -- Sookees Album „Lila Samt“: Cool, relaxt, kollektiv | |
> Die linke Rapperin Sookee will auf ihrem neuen Album nicht nur | |
> moralisieren. Politisch bleibt sie dennoch – und überrascht mit neuen | |
> Klängen. | |
Bild: Sookee in lila – auch das ein politisches Statement. | |
„Und ticke Kokain an die Juden von der Börse“ – von diesen Zeilen des | |
umstrittenen Frankfurter Rappers Haftbefehl war oft die Rede im | |
HipHop-Deutschland der letzten Wochen. Das Genre scheint auf fatale Weise | |
gleichbedeutend mit seinen Provo-Reimen oder den Ausfällen von Bushido. | |
Höchste Zeit, den Fokus mal auf andere zu stellen: Sookee mag im Mainstream | |
eine Unbekannte sein, obwohl die Berliner Rapperin nun mit „Lila Samt“ | |
bereits ihr sechstes Album veröffentlicht. | |
Sookee, die in der linken Szene aktiv ist und viele Fans hat, geht es als | |
Künstlerin vor allem um den Umgang mit Minderheiten in der Gesellschaft – | |
für manche reicht das schon, um abzuschalten. Keinesfalls sollte man „Lass | |
mich mal machen“ verpassen, eine Kollaboration mit dem Rapper Form, einem | |
Label-Kollegen. Man muss sofort mit dem Kopf nicken: Der Beat ist straight | |
und wuchtig, effektiv werden Breaks eingesetzt. Die Samples sind eingängig, | |
wobei sie nicht einfach nur als Loop abgespielt werden. Unterlegt wird | |
dieses Gerüst von einem dröhnenden Synthesizer-Bass, wie es ihn auch im | |
Dubstep gibt. | |
„Nun, es ist ja so / Ich weiß, ihr findet mich komisch / Eine Zecke am | |
Mikro erhält bestimmt euer Lob nicht“, rappt Sookee dazu. Diese coole | |
Selbstreflexion zieht sich fast durch das ganze Album. Dabei offenbart | |
Sookee auch eine gewisse Verletzlichkeit, jedoch keine Resignation – | |
trotzig ergreift sie Partei für Außenseiter: „Ihr findet krumm und schief | |
eher dumm und weak / Ich hab mich in krumm und schief mitunter verliebt.“ | |
Eher durchwachsen ist der Song „If I had a“, in dem Sookee erzählt, was sie | |
täte, wenn sie einen Penis hätte. Die Intention, damit ein Zeichen gegen | |
sexuelle Gewalt und Stereotype zu setzen, ist lobenswert, doch vermag die | |
musikalische Umsetzung nicht zu überzeugen. Der Text würde nicht mal Nonnen | |
zum Erröten bringen: „If I had a dick / ich würd ihn lustig benennen / | |
versuchen zu schützen vor all dem Druck und Zwängen.“ Der Funke will nicht | |
überspringen. | |
## Kein Mainstream-HipHop | |
Die Klangsignatur von „Lila Samt“ ist hörbar von Dubstep und Grime gepräg… | |
was sich angenehm von dem Möchtegern-G-Funk-Sound des deutschen | |
HipHop-Mainstream absetzt. Geschmack beweist Sookee auch in der Wahl ihrer | |
Partner: Bestes Beispiel, „Wenngleich Zuweilen“ mit Amewu. Auch bei diesem | |
Track zeigt sich, wie sehr sie vom Dancefloor inspiriert ist. Der Beat | |
wechselt zwischen ruhigeren und dynamischeren Parts. Beide Rapper setzen | |
Akzente, wobei Amewu in reimtechnischer Hinsicht sogar eine Spur besser | |
rüberkommt. Dies schafft einen gewissen Kontrast zwischen den Parts. | |
Sookees Text befasst sich mit Erwartungshaltungen in politischen Szenen, | |
was wieder zeigt, dass es zu kurz greift, wenn man sie als „typische Linke“ | |
bezeichnet. | |
Auch der Track „Emoshit & Hippietum“ ist eingängig. Sookee rappt dazu | |
melodisch und gelassen über den gesellschaftlichen Umgang mit | |
Verletzlichkeit: „Liebe für das Zugeständnis, dass Pathos albern ist / | |
Liebe dafür, dass ihr zwischen den Zeilen lest.“ Musikalisch ist dies ihr | |
Lied, das klassischem HipHop am nächsten kommt. Der Beat animiert zum | |
Kopfnicken, und die eingesetzten Samples schaffen eine | |
Oldschool-Atmosphäre. | |
Mit „Lila Samt“ stellt Sookee unter Beweis, dass sie sich als Rapperin | |
weiterentwickelt hat. Sie experimentiert mit ihrer Technik, ohne in | |
Effekthascherei zu verfallen. Zudem verfügt sie über ein gutes Gespür für | |
eingängige Hooks und zugängliche Bilder. Sie wirkt auf eine angenehme Art | |
musikalisch und gehört somit zu den interessantesten Rappern dieses Landes. | |
Außerdem zeigt Sookee offen, dass sie des ewigen Moralisierens zuweilen | |
müde wird: „Wenngleich, zuweilen, falls, jedoch – hört endlich auf zu | |
labern! / Und das Coole daran ist, mit ’euch‘ mein ich auch mich. Und die | |
Antwort auf die Frage, wie’s besser geht / Weiß ich nicht.“ | |
11 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Jan Rebuschat | |
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