# taz.de -- Jan Delay über sein neues Album: „CDU-Wähler dürfen auch tanze… | |
> Der Hamburger HipHop-Star Jan Delay über sein neues Album „Hammer & | |
> Michel“, seinen US-Kollegen 50 Cent und Sehnsucht nach dem alten St. | |
> Pauli. | |
Bild: Jan Delay bei der Echo-Verleihung im März 2014. | |
taz: Jan Delay, Sie haben schon einige musikalische Wandlungen hinter sich. | |
Mit Rap, Reggae, Soul, Disco und Funk hatten Sie sich in ihrer bisherigen | |
Karriere immer der Black-Music-Tradition verpflichtet. Mit „Hammer & | |
Michel“ liefern Sie jetzt ein klassisches Rock-Album. Wie kommt’s? | |
Jan Delay: Guns N’ Roses und Nirvana fand ich schon immer geil, auch zu | |
meinen krassen HipHop-Nerd-Zeiten. Aber eigentlich ist Rock ja immer der | |
Feind gewesen, weil, für jemanden, der in den 80er und 90er Jahren in | |
Deutschland aufgewachsen ist, bedeutet Rockmusik Bryan Adams und Bon Jovi. | |
Und so was habe ich gehasst. | |
Doch Mitte der nuller Jahre kamen plötzlich ganz viele geile Rock-Alben | |
raus, von Queens of the Stone Age, Rage Against the Machine, Wolf Mother, | |
Kaiserchiefs … Die hatten so einen energischen Sound, den ich sehr mochte. | |
Und wenn ich mich in etwas reinsteigere, dann habe ich Bock, das selbst | |
auszuprobieren. Ich wusste ja auch, wenn ich das mit meiner Band Disko No. | |
1 mache, dann wird das nicht so jungsmäßig, sondern automatisch funky und | |
tanzbar. | |
Glauben Sie, Ihre Fans kommen bei dem ständigen Stilwandel noch mit? Oder | |
geht es nur noch um Radio-Airplay und darum, die Masse zu erreichen? | |
Ne, also ich habe das Glück, dass die beim Radio den neuen Song „St. Pauli“ | |
gut finden und spielen wollen, aber ich habe den Song ja nicht dafür | |
geschrieben. Wenn ich das alles für Kohle und Airplay machen würde, dann | |
müsste ich da ja viel kalkulierender rangehen. | |
Allein wie viel Zeit und Geld ich investiert habe, um ein Rock-Album zu | |
machen, als jemand, der gar keine Ahnung von Rock hat … Das wäre vollkommen | |
dumm, das aus rein wirtschaftlichen Gründen zu machen. Ich konnte mir das | |
nur leisten, weil die beiden Alben davor so gut liefen. | |
Und ob die Leute jetzt mitkommen oder nicht, kann ich nicht wissen. Aber | |
ich will halt, dass es aufregend bleibt. Sonst bin ich irgendwann so ein | |
Jamiroquai, bei dem es keinen interessiert, wenn er sein 15. Album | |
rausbringt, weil die genauso klingen wird wie alle Alben davor. | |
Aber Jamiroquai zieht ja eine sehr breite Masse an. Das kann man auch von | |
Ihnen behaupten. Gibt es denn noch Leute, von denen Sie nicht möchten, dass | |
sie Ihre Lieder singen? | |
Ja, klar. Volker Kauder zum Beispiel. Im Ernst, als die CDU den Wahlsieg | |
hatte und plötzlich zu dem Toten-Hosen-Song rauskam und gefeiert hat – das | |
war schon schlimm. Hoffentlich gewinnt die CDU nie in St. Pauli irgendeine | |
Wahl. | |
Okay, CDU-Wähler dürfen natürlich auch tanzen. Aber dafür sind ja meine | |
Texte da, um unmissverständlich klarzumachen: Ich seh das so. Wenn ihr | |
jetzt dazu tanzen wollt, dann ist das cool und tolerant von euch, aber | |
kommt mir bitte nicht mit euren komischen Weisheiten. | |
Um diese Vermischung der Fronten geht es auch in der „Scorpions-Ballade“ | |
auf Ihrem neuen Album. Darin singen Sie, dass es Sie verwirrt, dass die CSU | |
Kernkraftgegner ist und FDPler mit Iro und tätowiert herumlaufen. Ist Ihnen | |
der Graben zwischen links und rechts nicht mehr tief genug? | |
Nein, das würde ich nicht sagen. Nur ist er manchmal nicht mehr so gut zu | |
erkennen. Es gibt da eine Art Grauzone, die ist ganz komisch. Horst Mahler | |
gehört dazu, der Anwalt der RAF, der dann plötzlich ein Nazi-Anwalt war. | |
Vielleicht ist es die Grauzone der Radikalität, in der sich Menschen | |
befinden, die außerparlamentarisch agieren wollen. Aber in dem Song geht es | |
eher darum, dass es keine Haltung mehr gibt, keine Ideale, an denen man | |
sich festhalten kann. Das vermisse ich echt ein bisschen. | |
War das vor 13 Jahren anders, als Ihr Reggae-Album „Searching for the Jan | |
Soul Rebels“ herauskam? | |
Ja, da war das noch anders. Da sahen die Nazis auf der Demo noch nicht aus | |
wie der schwarze Block. Da gab es auch noch kein Nazi-Fanzine, bei dem 50 | |
Cent auf dem Cover war. Dieses Fanzine-Cover gibt es tatsächlich und es hat | |
mich so erschüttert. Und einmal habe ich Bullen gesehen, die Gentleman | |
gehört haben. Irre. Die beste Art, das alles zu verarbeiten, war es, | |
einfach zu sagen: So weit ist es schon gekommen, dass ich eine | |
Scorpions-Ballade singe. | |
Ein anderer Song, „Dicke Kinder“, ist eine Art gesellschaftliches Kommentar | |
und ganz schön zynisch. Die Kinder heißen Sandy und Kevin und sitzen vor | |
der Glotze. Sie spielen quasi an, dass schlechte Ernährung ein | |
Milieuproblem ist. | |
Ich spiele damit, ja, aber so ist es eben nicht. Deshalb sage ich ja am | |
Ende: das ist eine Lüge. Eine Tüte Chips kostet 2 Euro. Du kannst ja auch | |
zum Scheißgemüseregal gehen und dir Kartoffeln holen und dazu einen Quark | |
oder sonst was. Ich finde das ätzend, wenn Geld als Argument für schlechte | |
Ernährung genommen wird. | |
Die Leute wissen’s halt nicht besser und sie sind faul. Es ist eben | |
einfacher, eine Pizza zu nehmen und sie in den Ofen zu schieben, als etwas | |
Frisches zuzubereiten. Aber deshalb sage ich bei den Konzerten auch immer, | |
dass es nicht ein Song über dicke Kinder ist, sondern einer über dumme | |
Eltern. | |
Dem Clubkonzert in Berlin am Montag merkte man schon an, dass Sie sich auf | |
die großen Festivalbühnen vorbereiten. Technisch war das alles sehr sauber, | |
aber es gab wenig Intimität und keinerlei Spielraum für Improvisationen. | |
War Ihnen die Bühne zu klein? | |
Auf keinen Fall. Aber was da eben beschrieben wurde, ist genau das, was ich | |
machen will. Ich bin Fan von guten Shows mit guten Musikern. Aber ich bin | |
kein Fan von so ausufernden Mucker-Parts. Das geht mir aufn Zeiger. Auch | |
lange Konzerte finde ich schrecklich. Es ist viel geiler, wenn man hundert | |
Prozent gibt, aber dafür nicht so lang spielt. | |
Die Reaktionen auf „Hammer & Michel“ fallen nicht gerade blendend aus. Wie | |
egal ist Ihnen das eigentlich? | |
Gar nicht egal. Ich differenziere natürlich zwischen den Instanzen. Irgend | |
so ein Typ, der für den Spiegel schreibt, ist für mich halt nur irgendein | |
Typ und nicht jemand, den ich kenne und dessen Meinung ich schätze. | |
Trotzdem nervt es, wenn jemand, der offensichtlich ein Problem mit mir hat, | |
das aufschreibt und alle lesen das. | |
Gibt es denn einen Vorwurf, der Ihnen besonders nahegeht? | |
Nein, weil ich kann die Vorwürfe auch gar nicht nachvollziehen. Den einen | |
stört es, dass ich plötzlich Rock mache. Auf die Art: Ist ja toll, wenn der | |
Typ dauernd neue Sachen macht, Rap, Reggae und so, gehört ja alles | |
zusammen. Aber Rock geht nicht, das ist unser Ding, unsere weiße Rockmusik | |
in Deutschland! | |
Sie haben auch St. Pauli ein Lied gewidmet. Es handelt vom anarchischen | |
Charakter des Stadtteils. Gibt es dieses St. Pauli denn noch, das Sie da | |
besingen? | |
Leider nicht, ich besinge das alte St. Pauli, wo wir früher an den | |
Wochenenden abgehangen sind, wo viele waren, weil sie es sich woanders | |
nicht leisten konnten zu leben oder ihre Ideen zu verwirklichen. | |
In Hamburg sagen die jetzt: „Ey, du hättest jetzt einen Song über | |
Gentrifizierung machen müssen!“ Aber ich denke, nee, warum muss ich das | |
denn? Warum kann man nicht schöne Lieder machen? In einem Liebeslied muss | |
man doch auch nicht unbedingt über Liebeskummer singen. | |
11 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Fatma Aydemir | |
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