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# taz.de -- Debütalbum der R&B-Sängerin Fatima: Stehen am Rande der Schönheit
> Heiterer Sound mit einem Hauch unterdrückter Schwermut: Das Album „Yellow
> Memories“ der 28-jährigen Musikerin Fatima ist eine Entdeckung.
Bild: Experimentiert virtuos mit Musikstilen: R&B-Sängerin Fatima.
„Standing on the edge of something beautiful,“ singt Fatima im Walzertakt,
während sie an einem New Yorker Bahnsteig auf die U-Bahn wartet. Sie trägt
eine Jacke in Übergröße und einen kleinen Rucksack, streift allein durch
die Nacht. Man hört von der Ratlosigkeit, die jede schöne Erfahrung mit
sich bringt, das Wagnis, diese Schönheit zu empfangen, wissend, dass sie
einem ja doch wieder entgleitet.
Und man hört von Freiheit: „I can do whatever I want to“ heißt es nämlich
später, wenn im Refrain desselben Songs der träge Walzer sich in einen
Uptempo-R&B-Beat im Stil der neunziger Jahre verwandelt. Das Video schaltet
von Nacht auf Tag. Fatima tanzt selbstbestimmt im weißen Jogginganzug vor
einer lilafarbenen Garage, die, so singt sie, genauso gut auch blau sein
kann.
In dem Song „La Neta“ konzentriert die schwedisch-senegalesische
R&B-Sängerin, die derzeit zwischen London und New York pendelt, die große
Stärke ihres Debütalbums „Yellow Memories“: das Spiel mit den Kontrasten.
Es dominiert ein heiterer Sound und Fatima gibt optimistische Botschaften
von sich, plädiert für eine neue Leichtigkeit.
## Die glücklichsten Erinnerungen
Und doch ist da, wie schon der Albumtitel andeutet, stets eine unterdrückte
Schwermut zu erahnen in Fatimas wandlungsfähigem und sehr markanten Gesang.
„Yellow Memories“, das sind die konservierungswürdigen Momente im Leben,
die glücklichsten Erinnerungen. Doch sind sie eben auch schon so weit in
die Ferne gerückt, dass sie bereits vergilben.
In diesem Sinne setzt die 28-jährige Sängerin mit dem Stück „Do Better“
auch einen wunderbar nostalgischen Auftakt. Mit feierlichem Chorgesang und
pompösen Bläsersets träumt sie sich in eine glorreiche Zukunft, während der
heimtückische Bass in den Leerpausen einsam umherschleicht.
Produziert wurde der Song sowie eine gute Hälfte des Albums von Sam
Shepherd alias Floating Points. Der Londoner DJ und Produzent steht
eigentlich für jazzige Clubbeats, ist aber auch Kopf eines 16-teiligen
Ensembles und Mitbegründer des Indie-Labels Eglo Records, über das „Yellow
Memories“ sowie Fatimas Debüt EP „Mindtravelin“ erschienen sind. Mit Eglo
Records fahren die Label-Betreiber Sam Sherpherd und Alexander Nut die Idee
von Broken Beat weiter, einer im London der Neunziger entstandenen
Bewegung, die elektronische Musik aus Perspektiven von Soul, Funk, House,
R&B und Jazz begreift.
## Sie experimentiert virtuos
FunkinEven, mit dem Fatima 2013 die großartige EP „Phone Line“
veröffentlichte, ist nur einer der zahlreichen Underground-Größen (Dego &
Kaidi, Mizz Beats, ARP 101), die sich unter dem Dach von Eglo versammelt
haben, um unkonventionelle Tanzmusik mit eindeutigen Referenzen an die
schwarze Musiktradition zu machen.
Vor diesem Background wird umso deutlicher, dass Fatima nicht nur ein
weiteres R&B-Produkt mit hübschem Gesicht ist. Man mag kaum glauben, dass
es sich bei „Yellow Memories“ um ihre erste Veröffentlichung in Albumlänge
handelt, so virtuos experimentiert die Sängerin mit unterschiedlichen
Stilen. Auf „Technology“ etwa groovt Fatimas Kopfstimme extrem sanft über
das subtil und dumpf vor sich hin knallende Instrumental, das vom
kalifornischen Stones-Throw-Beat-Genie Oh No produziert wurde. Das ist
Understatement im besten Sinne und hat soundtechnisch den Zauber von
D’Angelos Neo-Soul-Klassiker „Voodoo“ aus 2000.
## Heterophone Stimmgewalt
„Ridin Round (Sky High)“ ist dagegen eine recht clubtaugliche und in ihrer
Effekthascherei schon subversive Hip-Hop-Nummer. Der Beat stammt von Scoop
DeVille, der eigentlich mit US-Mainstream-Instanzen wie Dr. Dre, Drake und
Busta Rhymes zusammenarbeitet. Entsprechend breitschultrige Präsenz zeigt
Fatima, indem sie der bösartig stampfenden Bassline die Dominanz ihrer
heterophonen Stimmgewalt entgegensetzt.
Fast antithetisch klingt da „Family“, eine postkartenhafte Ode an die
Freundschaft. Zu dem entrückten Salsa-Rhythmus und einer Spieluhrmelodie
singt Fatima für einen offenen Familienbegriff. Es geht um selbstgewählte
Lebensgemeinschaften und der zwischenmenschlichen Abhängigkeit als
Freiheitsoption statt als Zwang. Da ist sie wieder, die Leichtigkeit, die
aber keinen stumpfen Werbeoptimismus, sondern eher eine Art Ansingen gegen
die Verzweiflung verkörpert. Die ist nämlich unter anderem auch deshalb da,
damit das Glück leichter zu erkennen ist.
13 Jun 2014
## AUTOREN
Fatma Aydemir
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