# taz.de -- Berliner Breakdance-Crew Flying Steps: Tanz nach oben | |
> B-Boying im Bundestag: Wie eine Berliner Breakdance-Crew sich in ein | |
> internationales, erfolgreiches Unternehmen verwandelt hat. | |
Bild: Das sieht doch schon sehr nach Las Vegas aus: Die Flying Steps wollen es … | |
BERLIN taz | Vartan Bassil nimmt einen Schluck Wasser, überlegt kurz und | |
legt los. „Mein Traum ist es, irgendwann eine Las-Vegas-Show zu machen, so | |
wie Cirque du Soleil,“ sagt der Berliner Choreograf. „Die Leute sollen | |
sagen: ’Ey wenn du da rein gehst, machst du nichts falsch. Da kriegst du | |
die weltbesten Tänzer und eine richtig gute Show geboten‘.“ Man glaubt | |
Bassil aufs Wort, wenn er das sagt, sieht man ihn schon hinter den Kulissen | |
der Showbühne des MGM Grand Hotels Anweisungen erteilen. | |
Noch sitzt er aber auf einem Stuhl in seiner Tanzschule in | |
Berlin-Kreuzberg. Er trägt ein weißes Paar Sneakers und ein Baseball-Cap | |
mit dem Logo des Energy-Drink-Herstellers Red Bull. Er lacht viel und | |
spricht schnell, sehr schnell, als würde ihm die Zeit davonrennen. | |
[1][Bassil], der 1975 im Libanon geboren wurde und mit acht Jahren nach | |
Deutschland kam, fing als Jugendlicher mit dem B-Boying an – ein | |
szeneinternenes Synonym für „Breakdance“. Irgendwann gründete er gemeinsam | |
mit Freund Kadir Memis die Breakdance-Crew Flying Steps. Als sie das erste | |
Battle of the Year gewannen, eine Art Breakdance-Weltmeisterschaft, wurden | |
sie über Nacht zu Stars der Szene. Das war 1994. | |
Inzwischen sind die Flying Steps keine Breakdance-Crew mehr, sondern ein | |
Unternehmen. 15 Büroangestellte und 30 Tänzer stehen hinter dem Namen. | |
Letztes Jahr wurde die großräumige Flying Steps Academy am Berliner | |
Moritzplatz eröffnet, wo Menschen ab sechs Jahren Kurse in diversen | |
Tanzstilen wie Breakdance, Hip Hop, New Style, Popping oder Dance Hall | |
besuchen können – und auch Ballettkurse. | |
Mit dem klassischen Tanz kam Bassil erstmals 2010 in Berührung, als die | |
Vorbereitungen für die Tanzshow [2][„Flying Bach“] begannen, für die auch | |
eine Balletttänzerin gecastet wurde. Unter der künstlerischen Leitung von | |
Opernregisseur Christoph Hagel choreografierte Bassil eine 70-minütige | |
Breakdance-Performance zu Johann Sebastian Bachs „Wohltemperiertem | |
Klavier“. Jeder Tänzer stellte eine Stimme dar. Die Show war ein großer | |
Erfolg und tourt noch immer um die Welt. | |
## In der Mitte der Gesellschaft | |
„Unser Anspruch war es, einem älteren Publikum und der sogenannten | |
Hochkultur zu zeigen, wie kunstvoll Breakdance sein kann. Bach war für uns | |
so eine Art Brücke, um verschiedene Generationen zusammenzubringen,“ sagt | |
Bassil im Konferenzraum der Tanzschule. Sein Blick wandert immer wieder zu | |
den jungen Tänzern, die sich hinter der Glaswand aufwärmen. Ein Tänzer | |
umarmt eine junge Frau. Es sieht aus, als würde er ihr Mut zusprechen. | |
Früher habe sich Bassil bei Elternabenden seiner Tochter ein bisschen | |
geschämt, wenn andere Eltern nach seinem Beruf fragten: „Da wurde ich immer | |
schräg angeguckt, wenn ich gesagt habe, ich mache Breakdance.“ Nachdem die | |
Flying Steps nicht nur zur besten Sendezeit im Privatfernsehen, sondern | |
auch in der Neuen Nationalgalerie und im Bundestag aufgetreten sind, hat | |
Bassil endlich das Gefühl, dass Breakdance in der Mitte der Gesellschaft | |
angekommen ist. | |
Heute kommen auch die Klassenkameraden seiner Tochter in die Academy, um | |
Breakdance zu lernen. Es sind viele Kinder aus besser situierten Familien | |
dabei, immerhin kosten die Kurse zehn Euro pro Stunde. Als Bassil vor über | |
zwanzig Jahren mit dem tanzen anfing, gab es derlei Angebote nicht. Damals | |
trainierte man in Jugendclubs im Berliner Arbeiterviertel Wedding und | |
schaute sich Moves aus Tanzfilmen wie „Beat Street“ ab, auf VHS- oder | |
Betamax-Kassetten. | |
Aus der Subkultur haben die Flying Steps ein durchkommerzialisiertes | |
Konzept für Familienunterhaltung entwickelt. Die Vorbereitungen für die | |
nächste große Bühnenshow „Flying Illusion“ laufen auf Hochtouren. Mit da… | |
ist wieder der Hauptsponsor Red Bull. „Ohne so einen Großkonzern im Rücken, | |
wäre diese Show nicht realisierbar gewesen,“ sagt Bassil und schätzt sich | |
glücklich, dass seine Visionen unterstützt und ihm kaum reingequatscht | |
werde. | |
## Großkonzern im Rücken | |
Okay, hier und da müsse das Logo präsent sein, etwa auf den Kostümen der | |
TänzerInnen oder auf dem Showplakat. „Das gehört halt dazu,“ meint Bassil | |
und zuckt mit den Schultern. Immerhin liegen die Produktionskosten im | |
Millionenbereich. Damals bei „Flying Bach“ waren es gerade mal 30.000 Euro. | |
In einer Halle im weniger besiedelten Norden der Hauptstadt laden die | |
Flying Steps zu einer Preview von „Flying Illusion“. Der Raum wird | |
verdunkelt, ein finsterer Beat erklingt. Die wuchtigen | |
Hip-Hop-Instrumentals mit orchestralem Sound haben die Brüder Vevan und | |
Ketan Bhatti produziert. Ein würfelförmiger Käfig landet auf der Bühne. | |
Einzelne TänzerInnen in schwarzen Outfits, samt Cape und Hut, steigen aus. | |
Sie haben jeweils einen kurzen Soloauftritt, um zu zeigen, was sie | |
draufhaben. Diese Hälfte der Besetzung nennt sich Dark Illusions. Sie | |
repräsentieren das Böse, das nach zehntausend Jahren wieder aus der | |
Unterwelt zurückkehrt. Die Flying Heroes, also die Guten, tragen blau und | |
müssen bis Sonnenaufgang die bösen Mächte von der Erde vertreiben. Auf dem | |
Spiel steht nichts weniger als das Schicksal der Menschheit. | |
„Ich bin ein großer Fan von Star Wars und den Marvel-Filmen. Liebe, Verrat, | |
Hass, Kampf – diese ganze Sache um Gut und Böse gehört bei jeder guten | |
Story dazu,“ sagt Bassil, der die Geschichte konzipiert hat und diesmal die | |
künstlerische Leitung allein übernimmt. Mithilfe des Illusionisten Florian | |
Zimmer und hochwertigen technischen Spezialeffekten wird Magie erzeugt, | |
sozusagen als Leitmotiv der Show. | |
## Trainer und Bruder | |
In einer Szene kämpft ein Tänzer der Flying Heroes gegen seinen eigenen | |
Schatten, weil der vom Bösen übernommen wurde. In einer anderen schweben | |
eine böse Tänzerin und ein guter Tänzer, die sich in einander verliebt | |
haben, in der Luft, ohne das man eine Befestigung an ihren Körpern bemerken | |
würde. | |
Nach der Preview dirigiert Bassil seine Crew für die Pressefotos, gibt | |
ihnen genaue Anweisungen, wer wo stehen soll. Etwas unbeholfen schauen die | |
TänzerInnen ihn auch immer wieder fragend an. Für sie scheint er beides zu | |
sein: der knallharte Trainer, der unbedingt seine Visionen umsetzen möchte. | |
Und zugleich der große Bruder, der mit ihnen scherzt und stets um Rat weiß. | |
Die TänzerInnen, die zwischen 21 und 33 Jahre alt sind, kommen aus der | |
Schweiz, aus Frankreich, Portugal, Griechenland, Kongo und Deutschland. | |
Viele von ihnen haben einen Migrationshintergund. | |
Stilistisch stammen sie nicht nur aus dem B-Boying, sondern auch aus den | |
Bereichen Popping, Locking und House. Augewählt habe Bassil nur | |
TänzerInnen, die ihn persönlich überzeugt hätten, Die Szene sei ja | |
überschaubar. Dass unter den zehn Leuten nur zwei Frauen sind, findet er | |
persönlich problematisch, doch sei die Urban-Dance-Szene eben immer noch | |
eindeutig ein Jungsverein. | |
## Klare Sache Welttournee | |
Für die Choreografie von „Flying Illusion“ sind die beiden B-Boys Benny und | |
Lil Rock verantwortlich, Bassil kümmert sich eher ums große Ganze. „Am | |
wichtigsten ist uns aber, dass jeder Tänzer seinen eigenen Style mit | |
reinbringt, die selbstkreierten Moves zeigt. Davon lebt Hip-Hop nun mal.“ | |
Sechs Monate lang, also für die Dauer der Proben und die ersten | |
Deutschlandshows, seien die TänzerInnen gebucht. Sie bekommen eine Wohnung | |
gestellt, Verpflegungskosten, sowie extra Proben- und Showhonorar. „Je | |
nachdem wie die Show läuft, wird ihr Engagement in diesem Projekt | |
weitergehen. | |
Teil der Flying Steps Company werden sie aber auf jeden Fall bleiben,“ | |
erklärt Bassil. Nach dem Erfolg von „Flying Bach“ dürfte eine Welttournee | |
klare Sache sein. Doch Bassil bleibt auf dem Boden: „Ich bin da kritisch. | |
Man kann die beste Werbung der Welt schalten, doch am Ende entscheidet nur | |
das Publikum darüber, ob die Show gut ist, oder nicht.“ | |
Am Empfang der Tanzschule warten zwei Mitarbeiter von Red Bull. Sie sind | |
zum ersten Mal da. Bassil begrüßt sie mit einem Klaps auf die Schulter und | |
beginnt mit großen Gesten vom Fortschritt der Proben zu erzählen. | |
21 Mar 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=pstT7ZzjAFY | |
[2] http://www.youtube.com/watch?v=qwMw5gYncGE | |
## AUTOREN | |
Fatma Aydemir | |
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