# taz.de -- Konzertkritik Kid Simius: Hyperaktives Hängertum | |
> In seinen Tracks mischt Kid Simius Big-Beat-Soundwände mit Surfmusik und | |
> Cutgewittern. Mit seinem Albumdebüt „Wet Sounds“ geht er jetzt auf Tour. | |
Bild: Bad-Ass mit Knopfaugen: Kid Simius. | |
Die Bad-Ass-Rocker-Attitüde legt Kid Simius schon nach dem ersten Song ab, | |
konkret: die E-Gitarre und eine zerfetzte Bundeswehrjacke mit | |
Fellbeschlägen und zahllosen Badges auf der Brust. Darunter erscheint ein | |
schwarzes Muskelshirt mit Katzenmotiv, und das passt auch viel besser zu | |
diesem großen, sehr begabten Jungen aus Granada mit seinen Knopfaugen, | |
seinen Wuschelhaaren und seiner schieren Begeisterung am Musik- und | |
Partymachen. | |
Außerdem wäre das mit der Jacke viel zu heiß geworden in der restlos | |
ausverkauften Berghain-Kantine, wo am Donnerstagabend von der letzten Reihe | |
bis ganz vorne getanzt wird, selbst die Lampen wippen im Takt. Und auf der | |
Bühne, da tanzt Kid Simius mit, mit den Händen, dem Gesicht, den Armen, dem | |
ganzen Körper, bewegt er sich unaufhörlich und bedient alle zwei Sekunden | |
irgendwelche Regler und Tasten an seinen diversen elektrischen Geräten. | |
Jede Gelegenheit dazwischen nutzt Kid Simius zur Interaktion mit den | |
Zuschauern, schneidet Grimassen, macht „Ich kann euch nicht hören“-Gesten, | |
animiert zum Mitklatschen, wobei anfangs – dankenswerterweise – nur ein | |
Viertel der knapp 250 Zuschauer mitmacht. | |
Kid Simius, das ist José Antonio Garcia Soler, 26 Jahre alt, aus Granada | |
kam er 2009 nach Berlin. Nicht, wie viele junge Spanier, wegen der | |
Perspektivlosigkeit im eigenen Land, sondern gezielt, weil Berlin eben noch | |
immer eines der Zentren elektronischer Musik ist, mit mehr Gleichgesinnten | |
und Möglichkeiten als in Andalusien. Sein Sound-Studies-Studium an der | |
Universität der Künste brach er dann aber wieder ab, es hatte da eh schon | |
eine bessere Perspektive: Eine Zusammenarbeit mit Marteria – genau, dem | |
Mann aus Rostock, der gerade den deutschen HipHop retten soll. | |
## Von Berlin bis Austin | |
Seit mehreren Jahren begleitet er Marteria bei Live-Auftritten, in diversen | |
seiner Videos wackelt er irgendwo im Hintergrund herum und arbeitete als | |
Produzent mit an „Grüner Samt“, dem 2012 erschienenen Album von Marterias | |
Alter Ego Marsimoto, das überdies in der Nähe von Granada aufgenommen | |
wurde. Währenddessen trat Kid Simius aber auch alleine auf, vom Berlin | |
Festival bis zum SXSW in Austin, Texas. Er brachte zwei EPs und Anfang März | |
mit „Wet Sounds“ sein erstes Album heraus, das gleich mal auf Platz 61 der | |
deutschen Albencharts eingestiegen ist. | |
Die Stücke darauf tragen Namen wie „Matador“, „El Pastor“, „Recorded… | |
Hawaii“ und „Surf‘n‘Bass“, Surf‘n‘Bass nennt Kid Simus auch das | |
Album-Genre, eine Mischung aus Sixties-Surf-Beats – man kennt diese | |
Instrumentals vom „Pulp Fiction“-Soundtrack – und treibenden Elektronika, | |
die allerdings nicht in allen zehn Tracks des Albums durchgehalten wird. | |
Und tatsächlich hat die Surfmusik mit ihrem Gitarrentremolo und den | |
Akkordfolgen ja deutliche Anleihen beim Flamenco, und schon ist man wieder | |
in Andalusien. | |
In der Berghain-Kantine läuft zwar vorab alter Surf, beim Konzert selbst | |
aber spielt das Album keine große Rolle mehr, es geht unter im | |
umfangreichen Song- und Remixmaterial von Kid Simius. Das sind vor allem | |
instrumentale Tracks, in denen sich abgefucktes Hängertum mit hyperaktiven | |
Cutgewittern paart, immer wieder werden Vocals und Samples eingestreut und | |
diverse Woot-woot-, Bleep-bleep- und Bschwwwwt-Effekte, eins zu eins | |
übernommen aus der Soundbibliothek dieser kleinen Laserphaser mit den | |
Blinkeffekten, die neunjährige Jungs im Mittelmeerurlaub von ihrem | |
Taschengeld kaufen. | |
Auf Visuals verzichtet Kid Simius, der 26-Jährige bietet ja auch genug | |
Schauwert, an einigen Stellen spielt er kleine Parts auf der E-Ukulele oder | |
der Melodika. Nur in der Mitte des Konzerts macht er mal den Mund auf, mit | |
„Berlin wie geht’s euch? Wo sind die Ladys?“ läutet er die | |
Downtempo-Cumbia-Nummer „Hola Chica“ ein, zu der gerade erst auch ein | |
hinreißendes Musikvideo im Telenovela-Stil erschienen ist. | |
Big-Beat-hafte Soundwände, die dann aber immer wieder gebrochen werden, | |
lassen die Berghain-Kantine zittern. Spätestens beim vierten Song, Simius‘ | |
Remix von Marterias Überhit „Kids“ – Peng! Peng! Peng! Peng! – explodi… | |
der Saal. Für einige Stücke kommen Gast-MCs auf die Bühne, und je länger | |
das Konzert dauert, desto mehr wird aus der DJ-Set-Atmosphäre eine | |
Block-Party. Am Ende, als Kid Simius seinen Auftritt mit dem hymnischen | |
[1][//www.youtube.com/watch?v=t1LOglE8bPc:„King of Rock‘n‘Roll“] nach 90 | |
Minuten beendet, sind dann auch fast alle Hände oben. | |
21 Mar 2014 | |
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## AUTOREN | |
Michael Brake | |
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