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# taz.de -- Aufarbeitung der NSU-Mordserie: Das Zwickau-Projekt
> Der NSU-Prozess als Film: Die „Süddeutsche Zeitung“ lässt die Protokolle
> von Schauspielern lesen. Dabei entstanden ist ein multiperspektivisches
> Sittenbild.
Bild: Zeugin Semiya Simsek, Tochter des Nürnberger Blumenhändlers Enver Simse…
BERLIN taz | Welche Form ist angemessen, um an die beispiellose Mordserie
des Nationalsozialistischen Untergrunds zu erinnern und um vor der Gefahr
eines tödlichen Rassismus zu warnen? Diese Frage stellt sich schon lange.
Erst kürzlich, zum Jahreswechsel, hat sich die Oberbürgermeisterin der
sächsischen Kleinstadt Zwickau, Pia Findeiß, in diese Debatte
eingeschaltet. Denn an vielen Tatorten der Rechtsterroristen verweisen
inzwischen Gedenktafeln auf die Opfer.
Doch eine Gedenkstätte an jenem Ort, an denen das rechtsextreme Terrortrio
zuletzt unter falschem Namen gelebt hat, lehnt die Bürgermeisterin ab, weil
sie fürchtet, dass das auch Rechtsextreme anzieht. Ein generelles Denkmal
für die Opfer rechtsextremer Gewalt könne sie sich aber ganz gut
vorstellen, sagte die SPD-Politikerin.
In gewisser Weise hat die Süddeutsche Zeitung jetzt [1][im Netz einen
solchen Erinnerungsort geschaffen.] Gemeinsam mit der Filmakademie
Baden-Württemberg hat sie den NSU-Prozess in Auszügen als Film dokumentiert
und auf ihre Webseite gestellt. Von Schauspielern gelesen, wurden die
Wortlautprotokolle aus dem seit Mai 2013 laufenden Verfahren gegen Beate
Zschäpe und vier ihrer Gesinnungsgenossen dadurch zu einem packenden, knapp
zweistündigen Quasi-Hörspiel verdichtet.
## Dokumentarische Schwarz-Weiß-Ästhetik
Die Bilder sind dabei eher nebensächlich, und dass sie mit einer leise und
bedrohlich wabernden Krimimusik unterlegt wurden, ist der einzige Effekt,
den man sich gestattet hat. Der wahre Schrecken liegt, wenn man so will, im
Inhalt des Gesagten.
In seiner dokumentarischen Schwarz-Weiß-Ästhetik erinnert der Film damit
nicht von ungefähr an Romuald Karmakar, der in seinem „Himmler-Projekt“ die
berüchtigte Posener Rede des SS-Anführers und später, 2006, eine Predigt
des Hamburger Imams Mohammed Fazazi, der die Attentäter des 11. September
inspiriert haben soll, von Schauspielern ablesen lies.
Das ist etwas für Hartgesottene, die sich zu Hause auch Spiegel-DVDs zum
ersten Weltkrieg anschauen. Es bietet andererseits aber auch einen guten
Einstieg für alle, die den NSU-Prozess nicht so intensiv verfolgen können
wie professionelle Beobachter, oder die sich nicht erst durch Dutzende von
Artikeln lesen wollen.
Allerdings kommt man beim Betrachten des Films ohne zusätzliche
Nachschlagequellen trotzdem nicht aus: Zu oft wechseln in dem Verfahren die
Personen, deren Hintergründe oft unklar bleiben, und die Zeitsprünge sind
verwirrend, weil in München von Tag zu Tag ein anderer Aspekt im Fokus
steht: ein Glossar wäre da nicht schlecht gewesen.
## Eindrucksvolles Sittenbild
Ein gutes halbes Dutzend Bücher sind über die NSU-Affäre inzwischen
geschrieben worden, mehrere Untersuchungsausschüsse haben getagt, doch noch
immer ist der Fall nicht abgeschlossen. Der Prozess und auch der Film kann
da nicht alle Fragen beantworten.
Aber er zeichnet ein eindrucksvolles Sittenbild, weil er die Mordserie aus
verschiedenen Perspektiven betrachtet: aus der Sicht der Angehörigen der
Opfer, deren Leben durch die Morde zerstört wurde, und aus der Sicht der
Ermittler, die mit den Morden befasst waren, die im Dunkeln tappten und
deshalb oft genug die Angehörigen verdächtigten.
Die Umstände, die zu den Taten geführt haben, spiegeln sich aber auch in
den Aussagen der Eltern und Verwandten der Täter sowie ihrer biederen
Nachbarn in Zwickau, von denen auffällig viele ein rechtes und
rassistisches Weltbild aufweisen. In diesem kleinstädtischen
Nachwende-Milieu von Zwickau konnten sich die untergetauchten
Rechtsterroristen aus dem benachbarten Thüringen unerkannt wie Fische im
Wasser bewegen.
Erkennbar wird auch die Brutalität der Morde, welche die beiden Uwes,
Mundlos und Böhnhardt, über Jahre hinweg begangen haben; ihren Opfern
schossen sie meist mehrere Male ins Gesicht und in den Kopf. Einige ihrer
einstigen Unterstützer, die sich aus der rechten Szene gelöst haben, zeigen
deswegen heute Reue und Entsetzen, andere aber bleiben ungerührt.
## Ein deutsches Drama
Es ist ein deutsches Drama im 71 Akten, das noch längst nicht zu Ende ist.
Am Mittwoch, den 8. Januar, werden die Verhandlungen in München wieder
aufgenommen, bis Ende des Jahres 2014 soll der NSU-Prozess abgeschlossen
sein. Am Ende wird ein Urteil stehen, über Beate Zschäpe und ihre Freunde
aus der rechten Szene, die der Unterstützung einer terroristischen
Vereinigung angeklagt sind.
Die Frage ist, ob solche gut gemeinten – und zweifellos gut gemachten –
Filme dazu beitragen können, etwas an der grundlegenden Wahrnehmung dieser
Verbrechen zu ändern. Als Romuald Karmakar [2][seine „Hamburger Lektionen“
drehte], war die Erschütterung über die Anschläge vom 11. September 2001
noch frisch. Viele wollten mehr über die ideologischen Hintergründe
erfahren, die zu solchen Taten führen können.
Was die NSU-Mordserie betrifft, hat es in der breiten Öffentlichkeit keine
vergleichbare Erschütterung gegeben, der Schock blieb weitgehend auf die
Politik, die Sicherheitsbehörden und die Migranten beschränkt. Auch wenn
sich einige Medien viel Mühe geben, das Interesse wachzuhalten, dürften
viele Deutsche inzwischen der Meinung sei, dass es mit der Aufarbeitung nun
mal gut sei.
Nicht wenige halten die NSU-Affäre bis heute für eine Angelegenheit
zwischen ein paar durchgeknallten Ostdeutschen und ein paar „Ausländern“ �…
jedenfalls für nichts, was die breite Allgemeinheit oder sie selbst
betrifft. Ein Denkmal oder ein noch so eindrucksvoller Dokumentarfilm kann
daran nur wenig ändern.
3 Jan 2014
## LINKS
[1] http://gfx.sueddeutsche.de/pages/nsu-prozess/
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Hamburger_Lektionen
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
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