| # taz.de -- Debatte Überwachung: Gläsernes Wohnen | |
| > Das Internet der Dinge vergrößert nicht nur die Datensammlungen von | |
| > Konzernen. Vor allem raubt es den Nutzern ihre Autonomie. | |
| Bild: Hingehen nicht nötig: Die Waschmaschine kann auch per Tablet bedient wer… | |
| Es soll dafür sorgen, dass der Kühlschrank immer voll ist. Den Verkehr | |
| sicherer machen. Es kann Wohnungsbrände früh erkennen und so größere | |
| Katastrophen verhindern. Und für alle, die immer noch nicht überzeugt sind: | |
| Es soll auch dabei helfen, Energie zu sparen. | |
| Die immer stärkere Vernetzung aller Geräte, das Internet der Dinge, ist im | |
| Kommen, in einigen Bereichen schon da und bereit, unseren Alltag zu | |
| übernehmen. Den Haushalt, den Verkehr, die Freizeit. | |
| Dabei hat das Internet der Dinge in der öffentlichen Wahrnehmung meist noch | |
| das Image einer netten, aber irgendwie nicht ganz ernst zu nehmenden Idee. | |
| Der Kühlschrank bestellt selbständig Waren nach, wenn der Inhalt zur Neige | |
| geht, der Lieferdienst bringt sie nach Hause, nur noch das Einräumen bleibt | |
| am Wohnungsbesitzer oder seinem Personal hängen. | |
| Spätestens die Nachricht vom Januar, dass ein derart vernetzter Kühlschrank | |
| zum Versand von Spam missbraucht wurde, machte das Thema zur Lachnummer. | |
| Dabei sind der mögliche Missbrauch als Spam-Bot oder Attacken von außen, | |
| mit denen Dritte sensible Daten über Lebensgewohnheiten abgreifen können, | |
| weder lächerlich noch die einzigen Probleme. Sie sind nur die sichtbarsten. | |
| ## Übergreifendes Wissen | |
| [1][Das zeigt auch die Übernahme des 2011 gegründeten Unternehmens Nest | |
| durch Google]. Nest ist eine kleine Firma, die zwei Produkte im Angebot | |
| hat: einen Thermostat und einen Rauchmelder. Beide im | |
| Apple-look-alike-Design, beide mit Anbindung ans Internet. Natürlich sind | |
| solche Geräte eine wunderbare Datenquelle für einen Konzern, der bislang | |
| nur bevorzugte Webseiten (Analytics), Vorlieben und Gedanken (Suchmaschine, | |
| Google+, YouTube), den Standort (Android) und Kontakte und | |
| E-Mail-Konversationen (G-Mail) seiner Nutzer kennt. | |
| In Zeiten, in denen etwa Google und in der Konsequenz die NSA wissen, wo | |
| wir uns mit wem befinden, welche Varianten wir gerade für unsere | |
| Abendplanung durchspielen und dabei schon prognostizieren können, dass doch | |
| alles ins Wasser fallen wird, weil wir am Vortag eindeutige Grippesymptome | |
| gegoogelt haben –, nimmt die Zahl der unerfassten Bereiche stetig ab. | |
| Die Datensammelei, die nicht nur den Inhalt des Kühlschranks, sondern auch | |
| das Fahrverhalten von Autofahrern oder den detaillierten Stromverbrauch | |
| preisgibt, ist der erste Teil der Entwicklung. Der zweite ist die daraus | |
| folgende Konsequenz der Vernetzung: So hat ein Hersteller von | |
| Fitnessarmbändern, die unter anderem Schlafqualität, Aktivität und | |
| Essverhalten messen sollen, kürzlich angekündigt, das Gerät mit mehr als | |
| nur dem Smartphone zu vernetzen. | |
| ## Das bequeme Leben | |
| Stellt das Armband fest, dass dem Träger kalt ist, wird die Heizung | |
| hochgeregelt, ist er müde, bekommt er eine Runde Schlaf verordnet, bevor er | |
| ins Auto steigt, und hat er sich lange nicht bewegt, spielt die Musikanlage | |
| den persönlichen Mix zum Tanzen. Das ist die Idee. Der Mensch wird | |
| reduziert auf eine Quelle für Daten, die sich erheben, verarbeiten und | |
| weitersenden lassen, damit andere Geräte darauf reagieren. So macht das | |
| Internet der Dinge den Menschen selbst zum Ding. | |
| Google-Chef Eric Schmidt hat es in einem Interview mit dem Wall Street | |
| Journal auf den Punkt gebracht: „Ich glaube, dass die meisten Menschen | |
| eigentlich nicht wollen, dass Google ihre Fragen beantwortet. Sie wollen, | |
| dass Google ihnen sagt, was sie als Nächstes tun sollen.“ Hier beginnt der | |
| Prozess, der Menschen, die in Verbindung mit der komplett vernetzten | |
| Umgebung stehen, zum Objekt macht: der Punkt, ab dem er nicht einfach die | |
| Information entgegennimmt, dass auf dem Arbeitsweg Stau ist, und selbst | |
| entscheidet, was er mit dieser Information anfängt. Es ist der Moment, in | |
| dem die Information automatisch an den Wecker, die Kaffeemaschine und die | |
| Standheizung im Auto weitergegeben wird, die entsprechend reagieren. | |
| Jedes Gerät kann mit jedem kommunizieren. Damit wird die Präferenz für die | |
| Richtung der Kommunikation – vom Mensch zum Gerät, maximal vielleicht | |
| mittels eines anderen Gerätes – aufgehoben. Die Geräte kommunizieren | |
| miteinander, nehmen dem Besitzer Entscheidungen ab. Die Hersteller heben | |
| den daraus resultierenden Gewinn an Komfort für den Nutzer hervor. Das | |
| Leben wird bequemer. Doch wo Programme das Leben vorplanen, steigt auch der | |
| Rechtfertigungsdruck bei einer Entscheidung gegen das System, die sich | |
| später als falsch erweist. Einfacher ist es, sich den Algorithmen zu | |
| beugen. | |
| ## Das Problem Filter-Bubble | |
| Genauso wie sich derzeit schon Google- oder Facebook-Nutzer in einer | |
| Filter-Bubble befinden – einer Blase, in der etwa durch die Reihenfolge der | |
| Ergebnisse einer Google-Suche immer die eigenen Ansichten bestärkt werden | |
| –, schafft so auch das Internet der Dinge eine Blase. Eine Welt, in der | |
| einmal angewandtes Verhalten bestärkt wird. Zum Beispiel das Thermostat des | |
| Google-Zukaufs Nest: Nach knapp zwei Wochen hat es das übliche Verhalten | |
| seiner Besitzer gelernt. Der Hersteller schreibt dazu etwa: „22:35 Uhr, es | |
| ist fast Schlafenszeit. Nest folgt seinem Plan und senkt die Temperatur | |
| ab.“ Natürlich lässt sich die Temperatur wieder hochregeln. Das ist in etwa | |
| so kompliziert, wie seine Suchmaschine zu wechseln und so der Filter-Bubble | |
| zu entgehen. Der Marktanteil von Googles Suchmaschine liegt trotzdem seit | |
| Jahren weltweit bei um die 90 Prozent. In Deutschland sogar darüber. | |
| Das Trügerische der Filter-Bubble, wie sie Google erzeugt: Wir fühlen uns | |
| informiert, sind es aber nicht. Denn die Informationen, die wir präsentiert | |
| bekommen, zeigen nur noch einen – vermeintlich auf die Zielperson | |
| zugeschnittenen – Teil der Realität. Für den mutmaßlichen Umweltschützer | |
| gibt es beim Suchwort „BP“ Berichte über die Ölkatastrophe, für den | |
| mutmaßlichen Anleger über Investitionsmöglichkeiten. | |
| Wahrnehmen, wie die Ergebnisse aussähen, wenn der Algorithmus keine | |
| Informationen über die eigene Person hätte, können Nutzer höchstens mit | |
| einem Anonymisierungsdienst. Ansonsten bleiben sie in der manipulierenden | |
| Blase. Mit dem Internet der Dinge wird dann aus dem goldenen Käfig der | |
| Informationen ein goldener Käfig der Handlungen. | |
| 18 Feb 2014 | |
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| [1] /Uebernahme-von-Thermostat-Hersteller/!130971/ | |
| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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