# taz.de -- Datenschutzaktivistin über IFA: „Der Feind der Freiheit“ | |
> Das „vernetzte Zuhause“ ist Schwerpunkt der IFA 2014. Rena Tangens über | |
> kommunizierende Kleidung, brennende Herde und Datensammler. | |
Bild: Hübsche, komfortable Datenkraken? Auf der IFA sind die meisten Haushalts… | |
taz: Frau Tangens, das „vernetzte Zuhause“ ist ein Schwerpunkt dieser IFA. | |
Was versteht man darunter? | |
Rena Tangens: Im vernetzten Zuhause, auch Smart Home genannt, sind alle | |
möglichen Geräte im Haushalt wie Fensterläden, Heizung, Spülmaschine, | |
Musikanlage oder auch der Kühlschrank vernetzt und von außen ansteuerbar. | |
Ich kann sie mit meinem [1][Smartphone oder Tablet-PC bedienen], obwohl ich | |
nicht zu Hause bin. | |
Wie nützlich ist das? Der Stromanbieter RWE bewirbt sein Smart-Home-System | |
beispielsweise damit, dass das Energieeinsparpotenzial mit einer | |
intelligenten Haussteuerung 17 bis 40 Prozent beträgt. | |
Smart-Home-Anwendungen sind ein Luxusspielzeug für Technikverliebte mit | |
viel Geld. [2][Energie spart das nicht]. | |
Ein Szenario: Das GPS in meinem Smartphone erkennt, dass ich auf dem Weg | |
nach Hause bin, und wirft schon mal die Heizung an. Ist das nicht zumindest | |
nett und komfortabel? | |
Die Bequemlichkeit ist der Feind der Freiheit. Klar ist das komfortabel, | |
wenn man nach Hause kommt und die Heizung schon an ist. Doch man sollte | |
auch bedenken, was dem entgegensteht: Wenn alles vernetzt ist, bedeutet | |
das, dass alle Geräte mit dem Internet verbunden sind. Ich kann die Geräte | |
von außen bedienen. Aber was, wenn es jemand anders tut? | |
Muss man Angst vor Hackern haben? | |
Wenn man sich für Smart Home entscheidet, muss man mit allen Risiken | |
rechnen, die eine Internetanbindung mit sich bringt. Möglicherweise braucht | |
mein Herd ein Sicherheitsupdate, weil bösartige Leute den sonst | |
durchschmoren lassen könnten. Es gibt ein Sicherheitsrisiko. Dazu kommt, | |
dass die Signale, wann und wie ich mit meinem Zuhause kommuniziere, auch | |
ins Netz fließen und analysierbar werden können. | |
Wann komme ich nach Hause? Wann drehe ich welche Lichtstimmung an? Aus | |
diesen Informationen kann man Profile erstellen und Schlüsse ziehen. Wenn | |
ich noch bis vier Uhr morgens am Rechner sitze, bin ich dann vielleicht | |
arbeitslos? Wir geben eine ganze Menge über uns Preis. | |
Google hat im Januar den Thermostathersteller Nest aufgekauft. Wofür? | |
Auch aus solchen Geräten kann man Informationen ziehen. Intelligente | |
Stromzähler ermöglichen eine sehr detaillierte Profilerstellung. Am | |
Stromverbrauch im Haus lässt sich ziemlich genau sehen, was im Haushalt | |
gerade passiert. [3][Google ist eine der Firmen], die die Rechenpower | |
haben, um auch solche Informationen auszuwerten. Das sollte uns zu denken | |
geben. | |
Was kann eine Firma mit diesen Daten anfangen? | |
Das können wir heute noch gar nicht genau wissen, und genau das ist das | |
Problem. In dem Moment, wo die Daten anfallen, wo sie erzeugt und | |
gespeichert werden, ist unklar, was jemand damit in Zukunft vielleicht | |
anfängt. Große Stromversorger, die mit den intelligenten Zählern arbeiten, | |
schmeißen schon heute sämtliche Daten minutengenau – wann wo wie viel | |
verbraucht wurde – in eine große Datenbank. Nach dem Motto: Keine Ahnung, | |
was man damit anfangen könnte, aber vielleicht fällt uns in ein paar Jahren | |
etwas dafür ein. | |
Nun ist ein Smart Home nur ein Teil des sogenannten Internets der Dinge. | |
Was versteht man allgemein darunter? | |
Die Dinge können im Internet der Dinge unabhängig vom Menschen miteinander | |
kommunizieren, sie können sich durch Seriennummern erkennen. Der | |
[4][RFID-Chip in Ihrem Jackett] kommuniziert munter mit Lesegeräten per | |
Funk – ohne dass Sie davon überhaupt etwas mitbekommen. So können | |
Bewegungsprofile erstellt werden. | |
Was sollten die Verbraucher fordern? | |
Wir müssen die Gerätehoheit behalten. Die neuen Fitnessbänder, die auch auf | |
der IFA zu sehen sind, messen gleichzeitig Körperfunktionen wie den | |
Herzschlag, Schritte oder die UV-A- und -B-Strahlung. Diese gesammelten | |
Daten sind meist ausschließlich über eine App oder eine Website einzusehen | |
und zu analysieren. Es muss immer möglich sein, dass ich meine Daten auf | |
meinem eigenen Gerät anschauen und verarbeiten kann. | |
Wir Menschen müssen bestimmen können, was unsere Geräte tun. Die dürfen | |
unsere Daten nicht in die Hände von anderen geben und uns „verpetzen“. Wir | |
sollten für dezentrale Abrechnungsmodelle beispielsweise bei Strom | |
plädieren. Und wir müssen uns verwahren gegen den Zwang, solche Geräte | |
einzubauen. | |
Wie kann ich die Kontrolle über meine Geräte behalten? | |
Am besten fängt man mit seinem Rechnern an. Sogenannte Cryptopartys gibt es | |
[5][in vielen Städten]. Dort lernt man, wie man den eigenen Rechner und das | |
Smartphone absichern kann. Bei den Geräten, die wir kaufen, müssen wir | |
beachten, was die mit unseren Informationen machen. | |
6 Sep 2014 | |
## LINKS | |
[1] /Standards-fuer-das-Internet-der-Dinge/!142067/ | |
[2] /!130091/ | |
[3] /!130971/ | |
[4] /!11682/ | |
[5] http://www.cryptoparty.in/location#germany | |
## AUTOREN | |
Svenja Bednarczyk | |
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