# taz.de -- Solarexperte Wolfgang Hummel: Der Hochstapler | |
> Wolfgang Hummel sollte für das Land Berlin eine Solarfirma retten. Im | |
> Nebenjob arbeitet er für ein dubioses „Zentrum für Solarmarktforschung“. | |
Bild: Wolfgang Hummel findet die Solarzellen-Produktion in Deutschland zu teuer. | |
BERLIN taz | Eine baumbestandene Allee im Westen Charlottenburgs, rechts | |
gepflegte Altbauten, links ein rundlicher Neubau. Hier müsste es [1][laut | |
eigener Webseite sein, das Zentrum für Solarmarktforschung (ZSF)] mit | |
seinem Solarexperten Wolfgang Hummel. Ein Hinweisschild gibt es nicht. Nur | |
den Namen „Hummel“ neben einer der Klingeln. | |
Wolfgang Hummel ist so etwas wie der Herr Tur Tur aus Michael Endes „Jim | |
Knopf“ unter den deutschen Experten: ein Scheinriese, der mit jedem | |
Schritt, dem man ihm näher kommt, schrumpft. Dann wird das „Zentrum“ zur | |
Privatadresse, aus Hummel eine Art besserer Freizeitforscher. Und der | |
angebliche Direktor des Zentrums, Leonard Herbig, entpuppt sich als junger | |
Masterstudent. | |
Sich Hummel als Herrn Tur Tur vorzustellen ist die freundliche | |
Interpretation. Die unfreundliche heißt: Hummel betreibt Hochstapelei. Und | |
hat noch dazu Interessenkonflikte. Im Hauptberuf ist er leitender | |
Beschäftigter des Landes Berlin – und sollte das Solarunternehmen Solon | |
retten. | |
Seit Ende 2010 ist Hummels Zentrum für Solarmarktforschung auf dem | |
Expertenmarkt. Wenn es dem Modulhersteller Solarworld schlecht geht oder | |
der Wechselrichterhersteller SMA mit der Firma Danfoss eine Allianz | |
eingeht, rufen die Medien bei Hummel an: die Wirtschaftswoche, das Manager | |
Magazin, die ARD, auch die taz hat 2012 bei ihm nachgefragt. Hummels Credo | |
lautet von jeher: Deutsche Modulhersteller haben gegen die Konkurrenz aus | |
China kaum eine Chance, die Produktionskosten sind zu hoch. | |
## Gegenpol im Energiewende-Hype | |
Aus Mediensicht hat Hummel alles richtig gemacht: einen griffigen Namen für | |
sein Institut gewählt, er wirkt kompetent, und er bildet inmitten des | |
Energiewende-Hypes einen Gegenpol. Wer mag da schon am angeblichen | |
Zentrumssitz nachschauen oder die Biografie von Hummel recherchieren? | |
Der Mann mit der Glatze und der nasalen Stimme kommt aus der Berliner CDU. | |
Während der letzten Großen Koalition in Berlin unter Eberhard Diepgen war | |
er Sprecher des Wirtschaftssenators Wolfgang Branoner, 2001 kandidierte er | |
vergeblich für die CDU zum Berliner Abgeordnetenhaus. Den Schwenk der Union | |
zu den erneuerbaren Energien hat Hummel nicht mitgemacht: „Ein übereilter | |
Ausstieg aus Kernenergie, Kohle und Braunkohle spielt den Konkurrenten | |
deutscher Industrieunternehmen auf dem Weltmarkt in die Hände“, schreibt er | |
in seinem [2][„Hummelblog“]. | |
2011 publizierte er als Lehrbeauftragter einer Berliner Fachhochschule eine | |
Studie zur deutschen Solarindustrie. Die Hochschule distanzierte sich | |
daraufhin von Hummel. Flugs trat er als ZSF-Vertreter auf. | |
Das scheint bis heute aus wenig mehr als ihm selbst zu bestehen. Der | |
angebliche „Direktor“ des Zentrums etwa, Leonard Herbig, müsste schon eine | |
Blitzkarriere vom Studenten zum Institutschef hinter sich haben: Erst im | |
Mai 2011 hat Herbig seinen Bachelor in International Business gemacht. 2012 | |
arbeitete er parallel zu seiner angeblichen Direktorentätigkeit als Trainee | |
bei einer Berliner Internetfirma, 2013 ebendort als Junior Sales Manager. | |
Jetzt ist er dort nur noch Werkstudent – und gleichzeitig Fellow in einem | |
Masterprogramm der Berliner Universitäten. Auf der Webseite des | |
Studiengangs bezeichnet sich Herbig lediglich als „Projektleiter“ am ZSF. | |
## Direktor nur ein Strohmann? | |
Ob Herbig selbst nicht daran glaubt, zugleich Direktor eines | |
Forschungsinstituts, Masterstudent und Beschäftigter in einem Start-up sein | |
zu können? Es wirkt, als sei Herbig nur ein Strohmann. Hummel selbst wurde | |
auf der ZSF-Homepage mal als „Leiter“ des Instituts genannt, mal als | |
„Wissenschaftlicher Direktor“. Auf den aktuellen Seiten taucht er nicht | |
mehr auf. Den Medien gibt er aber weiterhin Interviews. | |
Einen Grund für einen Strohmann als Direktor hätte Hummel jedenfalls: Auch | |
er hat einen anderen Hauptjob. Nach seiner Sprechertätigkeit bei Branoner | |
war er zunächst Chef der Investorenleitstelle der Senatsverwaltung für | |
Stadtentwicklung. Mindestens seit September 2011 ist er kommissarischer | |
Leiter des Referats 1 E bei der Senatsverwaltung für Finanzen – zuständig | |
für Standortförderung, Finanzierungshilfen und Bürgschaften. | |
Hummel war damit auch für die Rettung des Berliner Solarunternehmens Solon | |
zuständig. Ein Treppenwitz: Hummel, erklärter Gegner einer | |
Solarmodulproduktion in Deutschland, sollte nun einen der deutschen | |
Solarpioniere am Leben halten. Die Firma war 1996 aus der Berliner | |
Alternativszene gegründet worden, expandierte später und zog nach | |
Berlin-Adlershof. | |
Als Solon in die Krise geriet, halfen Bund und die Länder Berlin und | |
Mecklenburg-Vorpommern mit einer Ausfallbürgschaft über 146 Millionen Euro. | |
Ende 2011 ging Solon dennoch in Insolvenz. Schließlich kaufte Anfang 2012 | |
ein indisch-arabischer Hersteller, Microsol, das Unternehmen auf. Vor | |
Kurzem verkündete Microsol die Verlegung des Berliner Standorts in die | |
Emirate, 230 Mitarbeiter verlieren ihren Job. | |
## Hummel in Doppelrollen | |
Während der Suche nach einem neuen Investor trat Hummel in Doppelrollen auf | |
– mal machte er als ZSF-Mitarbeiter Solon madig, dann beruhigte er als | |
Referatsleiter die Berliner Abgeordneten. So veröffentlichte das ZSF am 14. | |
Dezember 2011 eine Pressemitteilung. Überschrift: „PV-Zellen und | |
Modulherstellung am deutschen Standort zu teuer“. Hummel sagt darin: „Die | |
Insolvenz von Solon sollte Anlass sein, die EEG-Förderung auf den Prüfstand | |
zu stellen.“ | |
Am 2. Januar 2012 verkündet Hummel per ZSF-Pressemitteilung, dass ein | |
Einstieg bei Solon für chinesische Firmen uninteressant sei. Drei Wochen | |
später, am 25. Januar, referiert er als Referatsleiter vor dem | |
Abgeordnetenhaus. „Nach wie vor bestehe die Aussicht, dass ein Investor | |
einsteige“, zitiert ihn das Protokoll. | |
Das ZSF hat laut eigener Homepage immer wieder für asiatische Firmen oder | |
Investments in Asien gearbeitet. Dazu gehören etwa der Aufbau von Joint | |
Ventures oder die „Mitarbeit beim Aufbau eines Werkes für | |
Beschichtungstechnik in Xian (China)“. Wie das ZSF finanziert ist, bleibt | |
unklar. | |
Hatte Hummel während seiner Tätigkeit als Referatsleiter Zugang zu internen | |
Informationen über Solon, die er für seine Nebentätigkeit nutzen konnte? | |
War das ZSF auch für Microsol tätig oder riet chinesischen Solarfirmen von | |
einer Übernahme ab? Weshalb kam die Senatsverwaltung überhaupt auf die | |
Idee, jemanden zum kommissarischen Referatsleiter zu machen, der im selben | |
Gebiet umfangreiche Nebentätigkeiten ausführt? | |
Nebentätigkeiten müssen vom Dienstherrn genehmigt werden. Entweder | |
verschwieg Hummel zumindest Teile seines privaten Engagements dem Land | |
Berlin – oder die Senatsverwaltung ließ Hummel sehenden Auges gegen eine | |
Berliner Firma argumentieren. Sowohl Hummel als auch die Senatsverwaltung | |
für Finanzen beantworten keine Fragen dazu. | |
17 Mar 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zentrum-solarmarktforschung.de/ | |
[2] http://hummelblog.de/solarmarktforschung/ | |
## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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