# taz.de -- Zentrum für Solarmarktforschung: Ein Hochstapler fliegt auf | |
> Einer der führenden Solarmarktexperten Deutschlands ist unter Druck. | |
> Medien wollen zukünftig auf die Analysen von Wolfgang Hummel verzichten. | |
Bild: Photovoltaik (fast) nur noch im Ausland? Hier am Flughafen von Newark/USA. | |
BERLIN taz | Einer der führenden deutschen Solarmarktexperten, Wolfgang | |
Hummel vom Berliner Zentrum für Solarmarktforschung (ZSF), gerät aufgrund | |
von taz-Recherchen unter Druck. „Bis zur weiteren Klärung der | |
Interessenkonflikte“ werde man „auf Einschätzungen der Mitarbeiter des | |
Zentrums verzichten“, schrieb der Leiter der ARD-Börsenredaktion, Burghard | |
Schnödewind, der taz. Die Zeitschrift Der Aktionär will auf | |
Zentrums-Mitarbeiter grundsätzlich nicht mehr zurückgreifen, teilte | |
Chefredakteur Markus Horntrich mit. | |
Die taz hatte im März über das ZSF und seinen Gründer Hummel | |
[1][berichtet]. Der Inhalt: Am angeblichen [2][ZSF-Sitz in | |
Berlin-Charlottenburg] befindet sich Hummels Privatadresse statt eines | |
Forschungszentrums, der angebliche [3][Direktor Leonard Herbig ist ein | |
junger Masterstudent], der sich nebenbei in einer Internetfirma ein paar | |
Euro dazuverdient. | |
Hummel selbst arbeitet als kommissarischer Referatsleiter bei der Berliner | |
Senatsverwaltung für Finanzen. Dort war er auch für die Rettung der | |
Solarfirma Solon zuständig, die schließlich scheiterte. Während Solon in | |
der Krise steckte, redete Hummel als Zentrums-Analyst das Unternehmen | |
schlecht, als Referatsleiter sprach er von der Hoffnung auf einen Investor. | |
Auch weitere Interessenkonflikte sind nicht auszuschließen: Das Zentrum | |
arbeitet zu großen Teilen als Unternehmensberatung. Auf der ZSF-Homepage | |
sind unter [4][„Referenzen“] Analysen für asiatische Firmen oder | |
Investments in Asien aufgeführt. Die Auftraggeber bleiben im Unklaren. | |
Nachfragen nach Interessenkonflikten beantwortet das Zentrum ebenso wie | |
alle anderen Anfragen der taz nicht. | |
## | |
In der Öffentlichkeit treten die ZSF-Mitarbeiter fast ausschließlich mit | |
einer proasiatischen Position auf: Der Standort Deutschland sei zu teuer, | |
die deutsche Solarindustrie habe besonders gegen China keine Chance. Das | |
war auch der Tenor, als das ZSF wenige Tage nach dem taz-Bericht vom März | |
seinen dritten Mann, Joachim Zwicky, ins Rennen schickte. | |
Für die Börsenredaktion der ARD und den Aktionär analysierte er am 27. März | |
die Situation bei dem Wechselrichterhersteller SMA. Chinesische Firmen | |
hätten inzwischen ihren Rückstand aufgeholt und seien „SMA technologisch | |
dicht auf den Fersen“, so Zwicky. „Die Erosion der führenden Stellung von | |
SMA wird sich fortsetzen“, [5][sagte er der ARD-Börsenredaktion]. | |
Auch Zwicky ist in China-Geschäfte involviert. Er ist Geschäftsführer von | |
Zwicky Private Equity in München, die auf [6][ihrer Homepage] so wirbt: „Um | |
die Möglichkeiten des chinesischen Marktes voll auszuschöpfen, sind | |
strategische Partnerschaften mit chinesischen Unternehmen oder | |
Akquisitionen zielführender als organisches Wachstum. Der Mittelstand in | |
Deutschland nützt noch zu wenig diese Möglichkeiten.“ | |
Die taz hatte nach dem SMA-Artikel bei ARD und Aktionär nachgefragt, wie | |
sie das ZSF einschätzen. ARD-Börsenredaktionschef Schnödewind rechtfertigt | |
daraufhin in einem Schreiben, dass bislang auf dessen Analysten | |
zurückgegriffen wurde. Die Redaktion habe „keine Zweifel an der Kompetenz | |
der Experten“ gehabt. Man habe „deren Einschätzungen mit unserem Fachwissen | |
eingeordnet und bewertet“ und „deren Analysen so als plausibel eingestuft�… | |
Hummel habe „uns gegenüber deutlich gemacht, dass er sich bei Fragen über | |
Solon in einem Interessenkonflikt befindet und sich deshalb zu Solon nicht | |
äußern möchte“. Auch der „Kontakt“ des ZSF zu chinesischen Firmen sei | |
offengelegt worden. „Gerade diese Offenlegungen waren für uns ein Beleg für | |
transparenten Umgang mit möglichen Interessenkonflikten“, so Schnödewind. | |
Zudem habe „weder Hummel noch Zwicky im engeren Sinne die Entwicklung einer | |
Aktie interpretiert“, sondern nur „die jeweiligen Geschäftsmodelle der | |
Unternehmen analysiert und in den Branchenzusammenhang eingeordnet“. Warum | |
die ARD jetzt ihre Haltung verändert hat, bleibt in ihrem Schreiben unklar. | |
Auch der Aktionär verteidigt sich: „Auch die Marktbeobachtungen von Herrn | |
Hummel hatten in den letzten Jahren dazu beigetragen, Privatinvestoren vor | |
dem Absturz vieler deutscher Solaraktien zu warnen“, so Redakteur Florian | |
Söllner. Dennoch will auch der Aktionär laut Chefredakteur Horntrich das | |
ZSF nicht mehr zitieren. | |
## | |
Gänzlich unplausibel waren die ZSF-Analysen bisher nicht. Die deutsche | |
Solarindustrie ist in der Tat vor allem von chinesischen Solarfirmen | |
gewaltig unter Druck gesetzt worden wegen der höheren Arbeitskosten | |
hierzulande und der umfangreichen staatlichen Mittel, die China den | |
Solarfirmen zur Verfügung stellt. | |
Auffällig ist aber, dass das ZSF auch die Versuche deutscher Solarfirmen, | |
die EU zu hohen Schutzzöllen für chinesische Solarmodule zu bewegen, für | |
falsch erklärte: Sie seien „kurzsichtig und würden Gegenmaßnahmen | |
provozieren“, zitierte die Süddeutsche Hummel. Gerade die Bonner | |
Solarworld, die führend für Zölle gekämpft hatte, stand immer wieder im | |
Fokus negativer ZSF-Analysen. Zudem ist offen, inwieweit die Prognosen auch | |
zu einer Selffulfilling Prophecy geführt haben: inwieweit also erst | |
übertrieben negative Analysen einen Rückzug von Anlegern bewirkt haben, der | |
die Schwierigkeiten der Firmen dann verschärfte. | |
Am letzten Mittwoch nahm auch Wolfgang Hummel wieder öffentlich Stellung. | |
[7][Die Nachrichtenagentur dpa zitierte ihn in einem Bericht] über die von | |
Koreanern übernommene Solarfirma Q-Cells, die jetzt zunehmend auf | |
Investitionen im Ausland statt in Deutschland setzt. Hummel lobt dies – und | |
fügt hinzu: „Die Zukunft der Solarbranche liegt im | |
Projektentwicklungsgeschäft“ – also nicht im Modulbau, wo die chinesischen | |
Konzerne aktiv sind. | |
Nach Anfrage der taz, wie dpa mögliche Interessenkonflikte beurteilt, | |
verschickte die Agentur eine zweite Version, in der auch die | |
Unternehmensberatungen für Investoren durch das ZSF erwähnt wurde. Eine | |
weitere Stellungnahme von dpa steht noch aus. Für Hummel könnte es eng | |
werden. | |
28 Apr 2014 | |
## LINKS | |
[1] /!134978/ | |
[2] http://www.zentrum-solarmarktforschung.de/de/impressum | |
[3] http://www.europawissenschaften-berlin.de/fellows/2013_2014/Herbig_Leonard/… | |
[4] http://www.zentrum-solarmarktforschung.de/de/referenzen | |
[5] http://boerse.ard.de/aktien/duestere-wolken-ueber-sma-solar100.html | |
[6] http://industrysolutions.eu/china-desk.html | |
[7] http://www.handelsblatt.com/technologie/das-technologie-update/energie/deut… | |
## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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