# taz.de -- Kommunalwahl in Frankreich: Sozialistischer Scherbenhaufen | |
> Die bürgerlichen Parteien und der Front National gewinnen 170 Rathäuser | |
> hinzu. Die Linke kann nur ihre Wunden lecken. | |
Bild: Desaster: Präsident Francois Hollande mit Noch-Premier Jean-Marc Ayrault… | |
PARIS taz | Mit Napoleons verheerender Niederlage an der russischen | |
Beresina verglich die Tageszeitung Libération am Montag die Schlappe, | |
welche François Hollande und die Sozialisten bei den Kommunalwahlen | |
hinnehmen mussten. Nicht bloß die allgemein erwartete „blaue Welle“, | |
sondern eine wahre „Springflut“ zugunsten der konservativen und | |
zentrumsdemokratischen Rechten (UMP und UDI) habe laut Le Figaro am Sonntag | |
die Linksregierung weggespült. | |
Wegen des Wahlsystems spiegeln die Stimmenanteile der Parteien – 46 Prozent | |
für die bürgerliche Rechte, 40,5 Prozent für die parlamentarische Linke | |
(Sozialisten, Grüne, Kommunisten und Linkspartei) und knapp 7 Prozent für | |
die extreme Rechte – die Realität der Kräfteverhältnisse nur beschränkt | |
wider. Andere Zahlen sind da deutlich aussagekräftiger: Das kommunale | |
Gefecht bürgerliche Rechte gegen regierende Linke endete krass mit 155 zu | |
4. Denn die Linke gewann nur gerade vier Städte hinzu, verlor aber | |
insgesamt 155 Städte mit mehr als 9000 Einwohnern an die UMP-UDI. | |
Der Front National eroberte 15 Städte, darunter Béziers mit 72000 und | |
Fréjus mit 50000 Einwohnern sowie als größten Happen den 7. Stadtbezirk von | |
Marseille (150000 Einwohner). FN-Chefin Marine Le Pen sprach von einer | |
„neue Etappe“ für ihre Bewegung. Was ihrer in der Verwaltung von Städten | |
und Gemeinden weitgehend unerfahrenen Partei fehlt, ist bisher eine Bilanz, | |
an der die Wähler sie messen können. | |
In der Analyse der Ursachen des Debakels für die regierenden Sozialisten | |
sind sich alle Medien und Politologen einig: Viele Linkswähler, die noch | |
2012 François Hollande zur Macht verholfen und ihm eine Parlamentsmehrheit | |
gegeben haben, sind so enttäuscht über die Regierungspolitik, dass sie | |
nicht mehr an die Wahlurne gegangen sind. Das erklärt eine Stimmenthaltung, | |
die mit mehr 38 Prozent höher war denn je bei solchen Lokalwahlen. | |
Entsprechend groß scheint die Desillusionierung nach weniger als zwanzig | |
Monaten seit Hollandes Wahlsieg zu sein: | |
Die versprochenen Resultate der Krisenpolitik lassen auf sich warten, statt | |
mehr soziale Gerechtigkeit gibt es mehr Arbeitslosigkeit und mehr Armut. | |
Trotz ehrgeiziger Sparziele konnte zudem auch das Defizit des | |
Staatshaushalts für 2013 nicht auf 4,1 Prozent begrenzt werden, es liegt | |
bei 4,3. Politisch eingeklemmt zwischen den Erwartungen seiner Landsleute | |
in eine linke Sozialpolitik und dem Drängen der EU auf einen raschen | |
Schuldenabbau konnte Hollande nur noch zuschauen, wie ihm die Wähler | |
davonlaufen. | |
Wegen der Demobilisierung ihrer Wählerschaft haben die Sozialisten mehrere | |
traditionelle Hochburgen verloren: Selbst in Limoges im Südwesten, wo seit | |
1912 die Linke regierte, triumphierte die UMP. Bezeichnend ist auch die | |
Niederlage des bisherigen sozialistischen Bürgermeisters gegen seinen | |
UMP-Gegner in Toulouse. Dort hatte Hollande bei den Präsidentschaftswahlen | |
noch mehr als 60 Prozent der Stimmen erhalten. Der Wunsch, die nationale | |
Politik der Regierung und den Staatspräsidenten zu desavouieren, war dieses | |
Mal stärker. | |
## Desaster für die Sozialisten | |
Aus mehr lokalpolitischen Interessen konnten sich dagegen in Paris, Lyon | |
und Straßburg linke Mehrheiten halten. In der Hauptstadt zieht mit der | |
Sozialistin Anne Hidalgo an der Spitze einer rot-grünen Koalition erstmals | |
eine Frau ins Rathaus ein. Mit 54,5 Prozent der Stimmen siegte sie deutlich | |
über die rechte Herausforderin Nathalie Kosciusko-Morizet. Den Ausschlag | |
gab dabei die positiv bewertete Bilanz des scheidenden Bürgermeisters | |
Bertrand Delanoë, der neue verkehrs- und umweltpolitische Schwerpunkte | |
gesetzt hatte. Die Siegesfeier in Paris war indes durch das landesweite | |
Desaster gründlich verdorben. | |
Jetzt stehen die französischen Sozialisten weitgehend vor einem | |
Scherbenhaufen. Ein personeller und politischer Wechsel war allgemein | |
gewünscht. Mit Verbitterung wird an der Basis der Partei die nationale | |
Staatsführung für die vernichtende Niederlage verantwortlich gemacht. | |
Mit Bange schaut man dort auch auf den nächsten Termin: Bei den | |
Europawahlen im Mai droht der Rückschlag für die Sozialisten noch stärker | |
auszufallen, während das Lager der Euroskeptiker von ganz rechts mit einem | |
Triumph rechnen kann. Mit einer Regierungsumbildung spielt Präsident | |
Hollande nun seine letzte Karte aus. Was er aber dringend braucht, das | |
wären handfeste Erfolge, aber die lassen sich nicht herzaubern. | |
31 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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