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# taz.de -- Kommunalwahl in Frankreich: Von Politverdrossenheit keine Spur
> Bei der Wahl am Sonntag werden so viele weibliche Gemeinderäte gewählt
> wie nie zuvor. Die Linke kriegt einen auf den Hut, die Rechte legt zu.
Bild: Hier wurden die Poster der KandidatInnen schon arg gerupft.
PARIS taz | Wer hat da von „Politik-Verdrossenheit“ gesprochen und
behauptet, in Frankreich sei die politische Debatte den Bürgerinnen und
Bürgerinnen verleidet und die Stimmenthaltung mit Sicherheit die einzige
Gewinnerin an der Wahlurne? Die bevorstehenden Kommunalwahlen am 23. und
30. März scheinen exakt das Gegenteil zu beweisen: 926068 Wahlberechtigte,
das heißt rund zwei Prozent der Wählerschaft, kandidieren dieses Mal selber
für ein Mandat als Gemeinderat oder sogar, um Bürgermeister zu werden.
Dieser enorme Andrang erklärt sich damit, dass es in Frankreich mehr als
36000 Gemeinden gibt. Neu ist zudem, dass in Gemeinden mit mehr als 1000
Einwohnern auf den Wahllisten jeweils männliche und weibliche Kandidaten
nach dem Reißverschlussverfahren paritätisch nominiert werden müssen.
Aber auch sonst ticken die Uhren anders bei diesen Lokalwahlen. Ein
Beispiel ist die Stadt Bordeaux. Dort wird seit bald 70 Jahren jedes Mal
ein bürgerlicher Bürgermeister im Amt bestätigt, bei nationalen Parlaments-
oder Präsidentschaftswahlen aber gewinnt zumeist die Linke eine Mehrheit.
Dennoch ist der konservative Ex-Premierminister Alain Juppé von seiner
Wiederwahl als Bürgermeister von Bordeaux so überzeugt, dass er auf
Wahlkampftour für UMP-Kandidaten in anderen Kommunen gehen kann.
Bei keiner anderen Wahl geht es um so sehr um bürgernahe Themen:
Sozialwohnungen, Kinderkrippen, Wasserversorgung, Kultur und Sport im
Quartier, Nahverkehr und Lebensqualität. Ein „Maire“, der seine Sache aus
der Sicht der Einwohner gut gemacht hat, kann darum ungeachtet seiner
Parteizugehörigkeit mit einer Wiederwahl rechnen. Typisch französisch ist
übrigens das Versteckspiel mit phantasievollen Listenbezeichnungen, auf
denen das Logo einer Partei nirgends zu finden ist.
## Front National hofft auf reiche Ernte
Natürlich existieren mehr oder weniger dieselben Parteien und politischen
Lager. Und vor allem die Opposition hofft, dass die Regierenden in der
Wahlurne eins aufs Dach bekommen. Das müsste eigentlich vor allem heute der
Fall sein, denn Staatspräsident François Hollande und seine grün-rote
Regierung sind sehr unpopulär. Diese hat nicht nur die Gegner gegen sich,
sondern ihre enttäuschten eigenen Wähler von 2012.
Hinzu kommt für die Linke, dass sie das letzte Mal 2008 auf Kosten der
Rechten gewaltig zulegt hatte. Jetzt dürften einige der vor sechs Jahren
„eroberten“ Städte wie Reims wieder an die konservative UMP fallen. Auch
der Front National hofft auf eine reiche Ernte. Obwohl das
Mehrheitswahlrecht die Rechtsextremisten benachteiligt, könnten sie in
mehreren kleineren Städte im Süden wie Carpentras oder Hénin-Beaumont im
Norden das Rathaus übernehmen.
## In Paris gewint bestimmt eine Frau
In der Schlussbilanz dieser Kommunalwahlen wird aber vor allem der Ausgang
in den Metropolen Paris, Marseille, Lyon und Lille kommentiert. Gelingt es
der Linken Paris, Lyon und Lille zu halten und womöglich sogar Marseille
nach 19 Jahren Herrschaft des unverwüstlichen Jean-Claude Gaudin (UMP) zu
gewinnen, dann dürfte sie dies gewiss über zahlreiche Verluste in kleineren
Provinzorten hinweghelfen.
In der Hauptstadt wird auf jeden Fall so oder so eine Frau das Sagen haben,
denn es wird beim Zweiten Durchgang am 30. März zweifellos zu einer
Stichwahl zwischen der Sozialistin Anne Hidalgo und ihrer Herausforderin
Nathalie Kosciusko-Morizet von der UMP kommen. Doch das interessiert die
meisten Franzosen viel weniger als die Frage, ob die neue Gemeindeexekutive
den örtlichen Judo-Junioren einen Trainingssaal zur Verfügung stellen oder
den Senioren Mahlzeiten liefern will, ohne die lokalen Steuern zu erhöhen.
22 Mar 2014
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
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