# taz.de -- Kommunalwahl in Frankreich: Herausforderung Front National | |
> Die Partei von Marine Le Pen kann unerwartete Erfolge erringen. In der | |
> Stichwahl kommenden Sonntag sind mehrere Bürgermeisterposten möglich. | |
Bild: Beglückt: Marine Le Pen, die Chefin des Front National. | |
PARIS taz | Einmal mehr stiehlt der rechtsextreme Front National (FN) von | |
Marine Le Pen den anderen Parteien bei Wahlen in Frankreich die Show. Zwar | |
konnte der FN für die Kommunalwahlen vom Sonntag nur gerade in 600 von | |
36000 Gemeinden überhaupt genug Kandidaten für eigene Listen finden. Doch | |
wo der FN kandiert, sorgt er für Aufsehen. | |
In mehr als 220 Städten können die Listen in der Stichwahl am Sonntag | |
teilnehmen. Neu ist, dass ihnen dabei häufig nicht mehr bloß die Rolle | |
eines Spielverderbers zu kommt. Aufgrund dieser Fakten sprach Marine Le Pen | |
am Fernsehen bereits triumphierend vom Ende der Zweiparteienherrschaft, da | |
künftig nicht mehr die beiden politischen Lager – die parlamentarische | |
Linke (Sozialisten, Grüne, Linksfront) sowie die bürgerliche Rechte (die | |
konservative UMP und ihre zentrumsdemokratischen Alliierten) – um Sitze und | |
die Macht streiten, sondern sich auf einem dritten Konkurrenten von ganz | |
rechts einstellen müssen. Der FN kann aufgrund der jetzigen Resultate nicht | |
mehr als bloße Protestpartei ohne lokale Verankerung bezeichnet werden. | |
In siebzehn mittleren Städten und sieben kleineren Orten lagen die | |
FN-Listen sogar beim Auszählen der Stimmen in Führung. Und dies manchmal | |
sogar sehr klar wie iim südfranzösischen Béziers mit 45, in Fréjus mit mehr | |
als 40 oder mit 34 in Perpignan und mit 35 Prozent in Forbach (Lothringen). | |
Im nordfranzösischen Hénin-Beaumont (25000 Einwohner), wo auch Parteichefin | |
Marine Le Pen auf dem letzten Platz der Liste kandidierte, hat der FN mit | |
mehr als 50 Prozent auf Anhieb das Rathaus erobert. | |
Bezeichnend ist es aber auch, dass der FN beispielsweise in Avignon am | |
meisten Stimmen erhielt oder in Wahlbezirken in der Bretagne den | |
Stimmenanteil oft verdreifachen konnte. In den meisten Fällen erklärt sich | |
der durchschlagende Erfolg in diesen Städten mit der Korruption der | |
bisherigen kommunalen Exekutive sowie mit der Spaltung der traditionellen | |
Parteien. | |
Besonders symptomatisch für die politische Stimmungslage sind die | |
Ergebnisse des ersten Wahlgangs in Marseille. Die mit den Grünen | |
verbündeten Sozialisten hatten gehofft, die zweite Stadt Frankreichs nach | |
19 Jahren des konservativen UMP-Bürgermeisters Claude Gaudin zu gewinnen. | |
Heute liegen sie mit nur rund 20 weit abgeschlagen hinter dessen Liste mit | |
37 Prozent, vor allem aber wurden sie vom FN klar überrundet. Das erklärt | |
sich aus den Finanzaffären, in die prominente Sozialisten von Marseille | |
verwickelt sind. Die hohe Kriminalität in der Stadt schafft zudem ein Klima | |
der Unsicherheit, das jenen zupass kommt, die mit starker Hand Ordnung zu | |
schaffen versprechen. | |
## Fast 40 Prozent Nichtwähler | |
Für die Sozialisten ist das kein Trost. Für sie ist der Ausgang der Wahlen | |
nicht nur eine Niederlage, sondern vielmehr Ausdruck einer Desavouierung | |
durch die Wähler und vorab durch die eigenen Anhänger, die die ihren | |
„Ras-le-bol“ (Wut im Bauch) abreagierten, indem sie aus Frustration über | |
die nationale Politik der Linksregierung in Paris zu Hause zu blieben. | |
Ersten Analysen zufolge schadete die für französische Verhältnisse starke | |
Enthaltung (gut 38 Prozent) der Stimmberechtigten hauptsächlich den | |
Sozialisten. | |
Diese können sich damit trösten, dass sie intakte Chancen haben, wenigstens | |
ihre Bastionen in Paris, Lyon und Lille zu verteidigen. Obwohl die | |
UMP-Kandidatin Nathalie Kosciusko-Morizet knapp im Total aller zwanzig | |
Arrondissements in Führung liegt, hat die Sozialistin Anne Hidalgo beste | |
Aussichten, in einer Woche die Nachfolge ihres Parteikollegen Bertrand | |
Delanoë antreten zu können, da sie im zweiten Wahlgang auf die Stimmen der | |
Grünen und der Linkspartei rechnen kann. | |
Der sozialistische Premierminister Jean-Marc Ayrault appellierte nach der | |
herben Niederlage wenigstens an alle demokratischen Kräfte, vereint dafür | |
zu sorgen, dass die Extremisten des FN in keinem Fall obsiegen. Die | |
Linksparteien sollen überall, wo Bürgerliche in einem Schlusskampf mit dem | |
FN bessere Chancen haben, ihre Kandidaten zurückziehen. Dieses | |
sozialistische Angebot einer „republikanischen Einheit“ wird von der UMP | |
nicht erwidert. Parteichef Jean-François Copé machte klar, dass die UMP | |
zwischen den Gegnern der Linken und des FN keinen Unterschied machen wolle. | |
Das belegt, wie sehr heute der FN in der französischen Politik integriert | |
ist. Daran ist der Expräsident Nicolas Sarkozy nicht ganz unschuldig. Unter | |
seiner Führung näherte sich die UMP den Ideen des FN so weit an, dass auch | |
Allianzen in absehbarer Zeit nicht auszuschließen sind. | |
24 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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