# taz.de -- Debatte Nato: Keine Aufregung mehr über die Krim | |
> Wie wird sich das Verhältnis der Nato zu Russland entwickeln? Das Bündnis | |
> ist auf der Suche nach einer neuen Aufgabe – bisher erfolglos. | |
Bild: Auf der Suche nach einer Aufgabe: Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmu… | |
Täglich zehnmal war diese Woche der Satz zu hören: Es gibt keinen neuen | |
Kalten Krieg. Beruhigt das eigentlich irgendjemanden? Das ist nämlich das | |
Problem: In der Außenpolitik sind derartige Vergleiche selten erhellend. | |
Wladimir Putins Russland ist eben nicht die Sowjetunion vor 1991 – und auch | |
die Nato hat sich seither verändert. | |
Es ist schlicht nicht absehbar, wie sich das Verhältnis zwischen Russland | |
und der Nato nun mit dem Ukrainekonflikt entwickelt. Viel wird davon | |
abhängen, ob sich die Ankündigungen Russlands, die Truppen von der | |
ukrainischen Grenze abzuziehen, auch erfüllen. Über die Krim wird die Nato | |
sich nicht mehr aufregen. | |
Das ursprünglich nordatlantische Verteidigungsbündnis Nato, das nun den | |
östlichen Mitgliedstaaten zur abschreckenden Unterstützung an der Grenze zu | |
Russland beistehen will, hat 20 Jahre Identitätssuche hinter sich. Es ist | |
bislang nicht gestärkt daraus hervorgegangen. Ab 2001 hieß es auf den | |
Fluren: Afghanistan ist unser Prüfstein; hier müssen wir beweisen, wozu wir | |
gut sind. Das sagt seit ungefähr 2009 niemand mehr. Selbst | |
Einsatzbefürwortern wurde klar, dass die Nato in Afghanistan, gemessen am | |
ungeheuren Mitteleinsatz, nicht viel Gutes erreicht hat – außer dass sie | |
nun hoffen kann, sich, ihr Gesicht wahrend, zurückzuziehen. | |
Aus US-amerikanischer Sicht wurde deutlich, dass „Nato“ nichts anderes ist | |
als ein Euphemismus dafür, dass die USA erstens die Drecksarbeit und | |
zweitens die Restarbeit erledigen sollen. Dazu hat die US-Regierung jetzt | |
aber keine politische Motivation und Mittel mehr. | |
## Symbolische Bedeutung | |
Wer diese Woche meinte, den Ton des Kalten Kriegs in den Ankündigungen des | |
Nato-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen wiederzuerkennen, hat | |
vielleicht die Begleitmusik überhört. Die klang eher nicht nach | |
Waffenparade an der Ostgrenze. Entscheidungen über dauerhafte Stützpunkte | |
etwa in Polen wurden aufgeschoben. Polens Wunsch nach Bodentruppen wurde | |
nicht erfüllt. Die Aussetzung der gemeinsamen Nato-Russland-Aktivitäten hat | |
eher symbolische Bedeutung – jedenfalls solange der Abzug aus Afghanistan | |
auf dem Landweg nicht gefährdet ist. | |
Natürlich nutzt ein Nato-Konservativer wie Rasmussen die Gelegenheit, | |
einmal mehr über die europäischen Rüstungsetats zu sprechen. Diese betragen | |
im Schnitt kaum mehr als ein Drittel dessen, was die Amerikaner, gemessen | |
am Bruttosozialprodukt, ausgeben. Insbesondere das boomende Deutschland | |
wird in der Pflicht gesehen: Nun kauft endlich neue Waffen! Rasmussen wird | |
im Oktober sein Amt an den moderaten Jens Stoltenberg abgeben. Dieser | |
pflegte übrigens als norwegischer Ministerpräsident einen guten Draht zu | |
Putin. Norwegen hat eine 80 Kilometer lange Grenze mit Russland. | |
Rasmussen mag in dem als „verdichtete Routine“ bezeichneten Einsatz überm | |
Baltikum, in Polen und Rumänien und in der Ostsee eine Möglichkeit | |
erkennen, die Nato mit dem frischem Glanz einer neuen Aufgabe zu versehen. | |
Doch es sieht eigentlich nicht danach aus, dass die mitteleuropäischen | |
Regierungen ihn darin unterstützen wollen. Eine erkennbare Erhöhung ihrer | |
Verteidigungshaushalte planen aktuell weder Deutschland noch Frankreich. | |
Eines aber könnte die Folge der Krise rund um die Ukraine sein: dass | |
Mitteleuropa der Nato die Hoheit über die neue Militärpolitik an der | |
ukrainischen und russischen Grenze abnimmt. Daran könnte der EU sehr | |
gelegen sein, schon um die weiterhin so militärbetonten US-Amerikaner daran | |
zu hindern, Putin einen Anlass zu neuen Übergriffen zu liefern. | |
Das sogenannte Air-Policing überm Baltikum durch Kampfjets wäre dann keine | |
beispielhafte Nato-Rollenverteilung mehr, sondern könnte eine beispielhafte | |
europäische Rollenverteilung werden. Es wäre ein Schritt hin zur lange | |
gewünschten Verzahnung der europäischen militärischen Kräfte – und ein | |
weiterer, die Nato überflüssig zu machen. | |
10 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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